Moraltheologe: Weniger Fleisch essen

Der Durchschnittsösterreicher verzehrt pro Jahr und Kopf rund 65 Kilo Fleisch: Um drei Viertel zu viel, befindet der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger.

Zugute käme ein reduzierter Fleischkonsum sowohl der Umwelt als auch der Gesundheit. Mediziner und Ökologen seien sich nämlich einig: „Der Pro-Kopf-Verbrauch sollte 15 bis 20 Kilogramm pro Jahr nicht übersteigen“, so Rosenberger in einem Interview mit Kathpress. Was zu viel Fleisch auf dem Teller für die Gesundheit heißen kann, werde aktuell etwa in China sichtbar: Dort habe der steigende Fleischkonsum die Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den letzten Jahren in die Höhe schnellen lassen.

Umwelt leidet

Und auch die Umwelt leide unter der intensiven Landwirtschaft: „Wälder werden gerodet, um Futter für Tiere anzubauen“, so Rosenberger. Schlecht schneide die Fleischproduktion auch bei der Aufwand-Nutzen-Rechnung ab: Die Produktion von einem Kilo Kartoffeln benötigt etwa 100 Liter Wasser, ein Kilo Rindfleisch verschlinge im Vergleich dazu ganze 15.000 Liter Wasser. Viehzucht sei außerdem ein Klimakiller: „Bei der Herstellung von einem Kilo Rindfleisch in der Intensivtierhaltung entstehen rund 27 Kilogramm des Klimagases Kohlendioxid.“

Mit Vernunft alleine sei übermäßigem Fleischkonsum aber nicht beizukommen. Rosenberger plädiert für „sanften Zwang“, etwa durch die Preispolitik in Supermärkten. Dass der Fleischverbrauch über die Preise steuerbar ist, habe sich in den letzten 15 Jahren in der Schweiz gezeigt. Anfang des neuen Jahrtausenden haben die Bürger in einer Volksbefragung für die Erhöhung des Fleischpreises gestimmt, um bessere Haltungsbedingungen für Nutztiere zu ermöglichen. Seither sei der Pro-Kopf-Verbrauch um 15 Kilo im Jahr gesunken.

Vorbild Schweiz

Dieses Modell sei, so Rosenberger, auch für Österreich denkbar und gleichzeitig nachhaltig, „weil die Menschen durch die Volksbefragung dann hinter dieser Entscheidung stehen“. Sinnvoll sei auch die Entwicklung von glaubwürdigen Gütesiegeln, die „gutes Fleisch“ kennzeichnen. Verordnungen hält der Moraltheologe im Gegenteil für kontraproduktiv und nicht durchsetzbar.

Gravierende Folgen habe der übermäßige Fleischkonsum auch für ärmere Länder. Das Kraftfutter für die intensive Tierhaltung werde oft aus armen Ländern importiert und fehle dort für die Ernährung der Menschen. Eine „gute Tierhaltung“ hingegen, brauche kaum Kraftfutter und komme weitestgehend mit dem Rauhfutter, das über den Sommer hinweg produziert wird, aus.

Ein „Veggie-Tag“ pro Woche

„Sehr positiv“ sieht Rosenberger auch den Vorschlag vieler Umweltorganisationen, einen „Veggie-Tag“ pro Woche in Betriebskantinen einzuführen. Allerdings etwas abgeschwächt. Sein Vorschlag: „An den fleischfreien Tagen drei fleischfreie Gerichte und nur ein Fleischgericht anbieten.“ Dann sei es kein „wirklicher Zwang“ aber ein „wichtiges Signal“.

Vegetarismus kein Breitenprogramm

Vegetarismus oder gar Veganismus für alle empfiehlt der Moraltheologe allerdings nicht. Das hätte ein „ganz neues Modell“ von Landwirtschaft und „gravierende Veränderungen“ zur Folge, wie etwa die Reduktion der Biodiversität. Dort wo Tierwirtschaft ökologisch und mit Rücksicht auf das Tierwohl betrieben wird, habe diese durchaus positive Effekte. Ein Drittel der Biodiversität hänge in Europa von der extensiven Viehwirtschaft ab. Ohne sie, „wäre Europa jenseits des Ackerlandes über Kurz oder Lang wieder fast völlig bewaldet“.

Wieso in der Gesellschaft Technik-Produkte mehr zählen als die tägliche Mahlzeit erklärt Rosenberger mit dem Spieltrieb des Menschen und seiner Neugierde auf Neues. Lebensmittel könnten hier nicht mithalten, „die sind nichts Neues und auch nicht high tech“. Ihre Wertigkeit zu erhöhen könne aber über Veränderungen in der Gesellschaft gelingen.

Patriarchales Weltbild, höherer Fleischkonsum

Männer etwa, die Beziehungen als gleichwertige Partnerschaft begreifen, seien auch für die Tierfrage sensibler. Männer hingegen, die noch in einem eher patriarchalen Weltbild verhaftet sind, würden stärker zum Fleischkonsum neigen, ohne sich um die Herkunft des Fleisches zu scheren. „Dort, wo man die Gleichberechtigung von Mann und Frau weiterbringt, wird auch das Thema Fleischkonsum mitgezogen“.

In der Kirche habe die Liberalisierung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) das Fleischfasten in den Hintergrund treten lassen. Zuvor gab es über 100 fleischfreie Tage im Kirchenjahr. Dorthin sollte die Kirche wieder zurück, allerdings nicht mehr über strenge Vorschriften, sondern via Aufklärung und beispielhaftes Vorleben.

Zuletzt erschien von Rosenberger 2016 zu dem Thema sein 160 Seiten umfassendes Buch „Wie viel Tier darf’s sein? - Die Frage ethisch korrekter Ernährung aus christlicher Sicht“ im echter Verlag.

religion.ORF.at/KAP

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