46 Gefängnisseelsorger für 1.800 muslimische Insassen

In Österreich stehen rund 1.800 Gefängnisinsassen islamischen Glaubens lediglich 46 Seelsorger zur Verfügung, die allesamt ehrenamtlich tätig sind. Das beklagt Ramazan Demir, der Generalsekretär der islamischen Seelsorge in Österreich.

„In der Haft nimmt die Bedeutung der Religion zu“, sagte Demir im Gespräch mit der APA. Er betreut Insassen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, von denen 300 dem islamischen Glauben angehören. Für diese Aufgabe habe er neben seiner Tätigkeit an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule und an einem Gymnasium in Wien nur wenige Stunden in der Woche Zeit.

Aufgabe Deradikalisierung

Seine Aufgabe und die seiner Kollegen sieht er in der Deradikalisierung der nach seinen Angaben 35 bis 40 Menschen, die bereits einer falschen Ideologie auf den Leim gegangen sind und nicht zuletzt in der Prävention von Radikalisierung.

Imam Ramazan Demir und der Rabbiner Schlomo Hofmeister

Magdalena Blaszczuk

Imam Ramazan Demir

„Wir sollten die Zeit in der Haft nützen und nicht erst einzugreifen versuchen, wenn es zu spät ist. Die Regierung sollte Prioritäten setzen und nicht an der falschen Stelle sparen. Wenn wir gegen Radikalisierung angehen, müssen wir es gemeinsam anpacken“, erklärte Demir.

Nur Fahrtspesen gedeckt

Nicht allein die islamischen Gefängnisseelsorger seien ehrenamtlich tätig, alle mit Ausnahme der katholischen, betonte der aus Deutschland stammende Imam mit türkischen Wurzeln, der in Österreich studiert hat. Das Problem, das nach den Erfahrungen Demirs daraus resultiert: „Wer nicht von der Justiz bezahlt wird, ist nicht Teil des ‚Systems‘, sondern nur ein ‚Fremder‘.“

Für die 46 islamischen Gefängnisseelsorger stehen nach seinen Angaben pro Jahr 20.000 Euro an finanzieller Zuwendung zur Verfügung, die in der Regel nur die Fahrtspesen decken.

Andernorts Bedeutung erkannt

„In Deutschland hat man bereits die Bedeutung der Gefängnisseelsorge erkannt“, sagte Demir. In mehreren Bundesländern wurde die islamische Seelsorge ausgebaut. In den Niederlanden hat der Staat generell die Finanzierung der Gefängnisseelsorger sämtlicher Konfessionen übernommen. „Seither sind die Häftlingszahlen zurückgegangen“, sagte Demir unter Berufung auf niederländische Kollegen.

Es sei ein Irrtum, so Demir, zu glauben, im Gefängnis seien Radikalisierte außer Gefecht gesetzt, hatte Demir im Juli des Vorjahrs im Gespräch mit Religion.ORF.at gesagt - mehr dazu in Deradikalisierung durch Kampfsport und Religion.

religion.ORF.at/APA