Trump: Katholiken zwischen Besorgnis und Mut

James Massa, Weihbischof in der Diözese Brooklyn, New York, beurteilt die Entscheidungen des neuen US-Präsidenten differenziert. Vor Donald Trumps Einwanderungspolitik hätten viele Gläubige Angst. Trumps „Pro-Life-Kurs“ sieht Massa aber positiv.

religion.ORF.at: Weihbischof Massa, warum sind die Entscheidungen des neuen US-Präsidenten für die katholischen Bischöfe der USA überhaupt von Bedeutung?

James Massa: Donald Trump ist eine komplizierte Persönlichkeit. Über einige seiner bisherigen Entscheidungen waren wir sehr erfreut. Er hat beispielsweise Vizepräsident Pence und seinen Berater zum „Marsch für das Leben“ in Washington D.C. geschickt und damit eine starke Unterstützung für die Pro-Life-Bewegung gezeigt. Außerdem hat er jemanden für den Obersten Gerichtshof nominiert, der einen guten Ruf als Verteidiger der Religionsfreiheit hat (Anm. der Redaktion: Neil Gorsuch, ein konservativer Jurist).

Andererseits bleibt das Thema Einwanderung. Und da wächst die Besorgnis. Vier von zehn katholischen Gläubigen stammen aus Lateinamerika, zum Beispiel aus Mexiko, Guatemala, Kolumbien oder der Dominikanischen Republik. Unsere Leute haben große Angst. Anstatt für eine verantwortungsvolle Reform der Einwanderungsbestimmungen einzutreten, droht Donald Trump mit Dekreten, die nicht hilfreich sind.

Weihbischof James Massa von der Diözese Brooklyn New York City

Treffpunkt Benedikt

James Massa

James Massa

Seit zwei Jahren ist James Massa Weihbischof für 1,5 Millionen katholische Gläubige in der Diözese Brooklyn, die die beiden New Yorker Stadtteile Brooklyn und Queens umfasst. Kürzlich war er für interreligiöse Gespräche in Wien zu Gast.

Wie erleben Sie diese Angst in Ihren Pfarren?

Einen Tag nachdem Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde, besuchte ich eine Pfarre, die zu 90 Prozent aus Latinos bestand. Die Pfarrmitglieder haben mir von ihren vielen Aktivitäten erzählt. Am Schluss habe ich gefragt, ob es sonst etwas zu besprechen gibt. Im Raum war es ganz still. Und dann habe ich die Frage gestellt: Habt ihr Angst? Alle haben genickt.

Denn entweder sind sie es selbst, die keine Dokumente haben, oder sie haben Verwandte, Schwestern, Nichten oder Neffen ohne Papiere. Die Angst in unseren Pfarren ist sehr groß. Dem müssen wir in der Pastoral begegnen, aber auch in der Politik. Wir müssen unsere Verantwortungsträger dazu drängen, die Einwanderungsbestimmungen verantwortungsvoll zu reformieren.

Was verstehen Sie unter einer verantwortungsvollen Reform der Einwanderungsbestimmungen?

Es muss einen Weg zur Staatsbürgerschaft geben. Einwanderer brauchen Zugang zu Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung. Junge Einwanderer sollen außerdem die Möglichkeit bekommen, günstig an Universitäten studieren zu können – nur so können sie ausgebildet werden und ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten. Familien sollen zusammenbleiben. Eine Politik, die Eltern wieder zurück nach Guatemala oder Mexiko schickt, wenn ihre Kinder in den USA geboren und US-Staatsbürger sind, ist inakzeptabel.

Sie sind auch im interreligiösen Dialog engagiert. Wie geht es Ihnen mit Trumps Äußerungen über muslimische Gläubige?

Sendungshinweis

Praxis - Religion und Gesellschaft, Mittwoch, 8.2.2017, 16.00 Uhr, Ö1

Ich war zutiefst beleidigt von seinen Äußerungen im Wahlkampf. Viele katholische Gläubige waren sich einig: Das ist jetzt nicht nur unangebracht für jemanden, der das höchste Amt der USA anstrebt, das geht auch gegen den amerikanischen Kern, gegen unsere tiefsten Überzeugungen. Seit seiner Gründung war Amerika ein Land der religiösen Vielfalt!

Außerdem bringt es nichts, wenn er diese Art von Phrasendrescherei betreibt. Wir würden ihm gerne sagen: Schalte einen Gang zurück! Er soll seine Rhetorik anpassen, damit sie nicht so hetzerisch ist und soll anderen Gemeinschaften Respekt erweisen.

Anderen Respekt erweisen, global denken und „Amerika zuerst“ – Wie passt das zusammen?

In erster Linie ist Trump für das Wohl seiner Landsleute zuständig, aber er hat auch der Weltbevölkerung gegenüber eine gewisse Verantwortung. Wir können nicht in Isolation leben. Das ist eine Versuchung für jeden Präsidenten, für jede gewählte Führungspersönlichkeit und für US-Amerikaner generell. Diese Abschottung schleicht sich in jeder Generation in die amerikanische Mentalität ein. Hier müssen wir Widerstand leisten.

Wie wirken Sie als Weihbischof dieser Abschottungsmentalität entgegen?

Als Weihbischof kann ich erstens bei der Gewissensbildung der Gläubigen in meiner Diözese mithelfen und zweitens eine Stimme in der Öffentlichkeit sein für diejenigen, die unterdrückt werden. Ich bin nicht daran interessiert, eine bestimmte Partei zu unterstützen. Unser Einfluss muss bei den Demokraten und den Republikanern sichtbar werden. Der Gouverneur von New York, ein Demokrat, verfolgt eine inakzeptable Politik, die Abtreibung quasi bis zum Tag der Geburt erlaubt.

Wir werden uns also gegen die demokratische Partei stellen und versuchen, sie dazu zu bringen, ungeborenes Leben respektvoll zu behandeln und zu schützen. Auf der anderen Seite scheinen die Republikaner taub zu sein für die Gründe, warum Einwanderer aus Lateinamerika in die USA kommen. Sie kommen nicht um Kriminelle zu werden, wie Trump es im Wahlkampf so unglücklich ausdrückte. Sie kommen, um zu arbeiten, um ihre Familien zu ernähren. Und die Wirtschaft braucht sie.

religion.ORF.at; das Gespräch führte Ines Schaberger

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