Ordenschefin: Fokus auf Pflege statt auf Kopftücher

Große Sorgen bereitet Sr. Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs (VFÖ), die aktuelle politische Großwetterlage. Sie ortet in den aktuellen Debatten vielfach Themenverfehlungen.

Es gehe der hohe Wert der Solidarität national wie international immer mehr verloren und die wirklich wichtigen Fragen würden nicht angegangen. Statt einer politischen Debatte über Kopftücher und Obergrenzen bei Flüchtlingen würde sie sich deshalb etwa eine Debatte über Pflege und Arbeitslosigkeit oder die Zunahme an Demenzerkrankungen erwarten, so Mayrhofer. „Diese wirklich wichtigen Zukunftsthemen lassen wir aber außen vor.“ Mayrhofer äußerte sich am Montag im Kathpress-Interview anlässlich ihrer Wiederwahl zur VFÖ-Präsidentin.

Beatriy Mayrhofer

kathbild.at/Rupprecht

Die Präsidentin der Frauenorden wünscht sich in politischen Debatten den Fokus auf Arbeitslosigkeit oder Pflege

Politische Vorgänge hinterfragen

Als eine dringliche Aufgabe der Orden nannte die neue alte VFÖ-Präsidentin die Notwendigkeit, gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Vorgänge zu hinterfragen und positive Impulse zu setzen. Die Idee eines Europa als Solidargemeinschaft über Grenzen hinweg komme immer stärker in Bedrängnis, warnte sie in diesem Zusammenhang.

Der Rückzug gegenüber den Anderen und die Absicherung des Eigenen - auch durch Zäune, Stacheldraht oder gar Mauern - sei die neue Devise, freilich nicht nur in Europa, so Mayrhofer. Sie sprach von einer „neuen Form des Biedermeier“ nach dem Motto „Mein Haus Österreich“. Der vorrangige Blick auf den einzelnen Menschen und dessen Würde und Rechte gehe dabei aber verloren, kritisierte die Ordensfrau.

Fundierte Auseinandersetzung statt Kopftuchdebatte

Wie sehr die politische Debatte derzeit an den entscheidenden Fragen vorbeigeht, verdeutlichte Mayrhofer anhand der Kopftuchdebatte. Diese sei eigentlich eine Themenverfehlung. Es gehe um eine andere Frage. „Das Kopftuch steht stellvertretend für eine Religion, die mit Gefahr, Terror und Abgrenzung konnotiert wird.“

Darüber bräuchte es endlich einen ordentliche fundierte Auseinandersetzung, und nicht über Kopfbedeckungen von Frauen. Es sei grundsätzlich eine Frage des persönlichen Ausdrucks, wie eine Frau sich kleidet und zeigen möchte," und es ist ihre Freiheit ein Kopftuch zu tragen oder nicht, so wie es meine Freiheit ist, einen Schleier zu tragen." Diese Freiheit wolle sie sich auch nicht nehmen lassen, so die Ordensfrau.

Die aktuelle Debatte erinnere sie freilich zugleich an den Beginn ihres eigenen Ordens der Schulschwestern im 19. Jahrhundert. Damals sei es darum gegangen, Frauen Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen. Und solche Bildungsmöglichkeiten brauche es heute auch für muslimische Frauen, forderte Mayrhofer. Muslimische Frauen müssten ermächtigt werden, selbst zu entscheiden, „was für ihr Leben richtig ist“.

Kritik an Bildungsreformen

Die VFÖ-Präsidentin war viele Jahrzehnte im Schuldienst tätig, darunter auch lange Direktorin des Schulzentrums Friesgasse in Wien mit 1.400 Schülern und 23 verschiedenen Religionsbekenntnissen. Zur Frage, warum denn im Bildungsbereich in Österreich so wenig vorangeht, meinte Mayrhofer, dass die diversen Reformen schlicht an der Realität vorbeigehen würden, weil die verantwortlichen Entscheidungsträger nicht wüssten, „wie es an der Basis zugeht“. Das Geld, das in das Bildungssystem investiert wird, „kommt nicht dort an, wo man es wirklich braucht“.

Mayrhofer prognostizierte für die Zukunft beispielsweise einen Lehrermangel, vor allem an den sozialen Brennpunktschulen. Die neue Lehrerausbildung ziele sehr stark darauf ab, dass alle Lehrer dann auch an höhere Schulen unterrichten können und „dann bedarf es schon eines sehr hohen sozialen Engagements, um noch in Neue Mittelschulen zu gehen“. Dort würden dann in Zukunft Lehrkräfte fehlen, auch wenn die Politik das derzeit noch vehement bestreite.

Mehr Unterstützung für Erziehende

Freilich sei das System Schule mit vielen herangetragenen Anforderungen von Grund auf überfordert bzw. der falsche Adressat. Bis Kinder in die Schule kommen, sei oft schon viel nicht passiert oder falsch gelaufen: „Wir müssen über Familienförderung reden, bevor wir überhaupt über die Schule sprechen.“ Es brauche viel mehr Unterstützung für Erziehende, forderte die Ordensfrau.

Ordensschulen keine „Eliteschulen“

Warum gerade Ordensschulen in Österreich so beliebt sind, wollte Sr. Mayrhofer vor allem im gelebten Miteinander von Lehrern, Eltern und Kindern begründet sehen. „Wir sind gemeinsam unterwegs“, so Mayrhofer wörtlich, die auch von einer „Lern- und Lebensgemeinschaft“ sprach.

Die finanziellen Spielräume der Ordensschulen würden freilich immer enger. Viele ehrenamtliche Tätigkeiten, die bisher noch von Ordensmitgliedern abgedeckt wurden, müssten nun bezahlt werden. Um gewisse Ausstattungsstandards halten zu können, brauche es finanzielle Unterstützung durch den Staat, „denn sonst müssten wir das Schulgeld erhöhen“. Und das wolle niemand, denn Ordensschulen seien keine „elitären“ Schulen in dem Sinn, dass sie nur von Kindern reicher Eltern besucht werden können.

Zusammenarbeit von Männer- und Frauenorden

Die VFÖ-Präsidentin hob im Kathpress-Interview einmal mehr hervor, dass sie an einer noch intensiveren Zusammenarbeit von Frauen- und Männerorden sehr interessiert sei. Das sei in den unterschiedlichsten Bereichen wie Bildung, Pflege, Krankenhäusern oder anderen sozialen Einrichtungen sinnvoll und notwendig.

Daneben gebe es freilich auch Bereiche, wo Männer- und Frauenorden weiterhin eigene Schwerpunkte setzen. Als ein ganz großes Anliegen der Frauenorden hob Mayrhofer die Ordensinitiative „Solwodi“ (Solidarity with women in distress) hin. Mit der Betreuung von Opfern von Zwangsprostitution und Menschenhandel, bei der sechs verschiedene Ordensgemeinschaften personell engagiert sind, sei eine wichtige soziale Arbeit von Schwestern gewachsen.

In Innsbruck werde demnächst ein neues Solwodi-Haus eröffnet, kündigte die VFÖ-Präsidentin an. Weitere Häuser seien eigentlich notwendig, denn das Problem sei evident, so die Ordensfrau. Immer noch orte sie in der Gesellschaft massiven Widerstand, das Thema überhaupt anzusprechen. „Jemand muss es aber tun und auf das Schicksal der Betroffenen hinweisen. Und wir Ordensfrauen tun das.“

Keine „ehrenamtlich Notnägel“

Auf die in praktisch allen österreichischen Diözesen laufenden Struktur- und Seelsorgereformen angesprochen, meinte die VFÖ-Präsidentin, dass davon natürlich auch die Frauenorden betroffen sind.

Die weiblichen Ordensgemeinschaften hätten sich schon bisher auch sehr engagiert in die territoriale Seelsorge engagiert und seien dazu im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch weiterhin bereit. Allerdings nicht als „ehrenamtliche Notnägel“ für Tätigkeiten, die bisher anderweitig besetzt und bezahlt wurden.

Sr. Beatrix Mayrhofer wurde am vergangenen Freitag für weitere drei Jahre zur Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs (VFÖ) gewählt. Dieser gehören 105 Frauenorden in Österreich an.

religion.ORF.at/KAP

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