Sterbehilfe für Vatikan Teil von „Wegwerfkultur“

Der Vatikan hat die Beihilfe zur Selbsttötung eines schwer kranken italienischen Musikers in der Schweiz kritisiert. In seiner Heimat war dem Mann die Sterbehilfe versagt worden.

„Niemand ist ein Abfallprodukt; wir müssen uns gegenseitig helfen, das zu verstehen“, sagte Kurienerzbischof Vincenzo Paglia der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Montag-Ausgabe). Der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben äußerte sich zu dem begleiteten Suizid für den nach einem Unfall blinden und gelähmten Italiener „DJ Fabo“ in der Schweiz.

„Unendliche und unerträgliche Tortur“

Der nach einem Autounfall im Jahr 2014 querschnittsgelähmte und blinde DJ, Fabiano Antoniani, wurde am Sonntag von einigen Sterbehilfe-Aktivisten in die Schweiz begleitet, wo er die tödliche Dosis des rezeptpflichtigen Natriumpentobarbital einnahm.

Er sei gezwungen gewesen, sich im Ausland von einer „unendlichen und unerträglichen Tortur zu befreien“, zitieren italienische Medien den 40-jährigen Fabiano Antoniani. „Ich möchte einen Tod ohne Schmerzen wählen können“, so der Mailänder in einem Appell, den er im Jänner an Staatschef Sergio Mattarella richtete. Darin rief er den Präsidenten auf, Druck auf das Parlament für die Billigung eines Sterbehilfe-Gesetzes auszuüben.

Ringen um neue Regelungen

Er lebe in „einer Nacht ohne Ende“ und in einer „Hölle der Schmerzen“, er wolle seinem Leid ein Ende setzen, schrieb Antoniani. Die Regierung in Rom hatte ihrem Landsmann aufgrund der Gesetzeslage einen attestierten Suizid untersagt. Das Land ringt derzeit um Regelungen zu einem sogenannten Biotestament und zu Euthanasie. Gesetzentwürfe dazu kamen bisher nicht voran.

Kurienerzbischof Vincenzo Paglia

Reuters/Alessandro Bianchi

Kurienerzbischof Vincenzo Paglia

Vatikan spricht von „Wegwerfkultur“

Wer solch „dramatische Fälle“ per Gesetz regeln wolle, riskiere die Schaffung einer „Wegwerfkultur“, die auch Papst Franziskus immer wieder kritisiere, sagte Erzbischof Paglia. Dies werde durch eine „hyperindividualisierte Gesellschaft“ gefördert, in der alles möglich scheine. Gleichzeitig wachse auch eine „giftige Kultur der Einsamkeit“. „Wir dürfen nicht vergessen, dass das Leben eines jeden von uns mit dem der anderen verbunden ist.“

In der Schweiz legal

In der Schweiz ist es legal, anderen Menschen Mittel zum Suizid zur Verfügung zu stellen und sie zu begleiten, sofern der Helfer nicht persönlich vom Tod des Patienten profitiert. 2011 entschied die Schweizer Regierung, der Bundesrat, auf eine gesetzliche Regelung organisierter Suizidhilfe zu verzichten. Zuletzt wird immer wieder der Ruf laut, auf den Anstieg von Sterbehilfefällen und die zunehmende Begründung mit Lebensmüdigkeit als Motiv zu reagieren. Der Gesetzgeber dürfe sich nicht vor seiner Verantwortung drücken.

Die katholische Kirche verurteilt assistierten Suizid nach wie vor scharf. Allerdings wird auch innerhalb der Kirche teils kontrovers diskutiert. Der katholische Theologe Hans Küng, der an der Parkinson-Krankheit leidet, kündigte an, eine Sterbehilfeorganisation in der Schweiz in Anspruch zu nehmen, wenn es sein Zustand erfordere.

religion.ORF.at/KAP/APA

Link: