Koptenpapst: Ägypten leidet weiter unter Fanatismus

Mit der Laizität des Staates, Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz und Respekt für Diversität hat sich eine interreligiöse Konferenz in Kairo befasst. Dabei kamen der Koptenpapst Tawadros II. und Großimam al-Tayyeb zu Wort.

Bei der am Dienstagabend zu Ende gegangenen internationalen muslimisch-christlichen Konferenz an der Al-Ashar-Universität in Kairo hat der koptisch-orthodoxe Papst-Patriarch Tawadros II. die „Unkenntnis des Anderen“ beklagt, die der Hauptgrund für den Extremismus sei.

Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst Tawadros II., warnte unterdessen vor einem Nahen Osten ganz ohne Christen

REUTERS/Al Youm Al Sabaa Newspaper

Papst-Patriarch Tawadros II.

Fanatismus größtes Hindernis

Fanatismus wiederum sei das größte Hindernis für eine friedliche Koexistenz. Ein falsches Religionsverständnis habe in Ägypten zu extremistischem Gedankengut und Terrorismus geführt, so Tawadros. Er rief dazu auf, dieser Entwicklung mit Aufklärung zu begegnen.

Christen und andere religiöse Minderheiten sind in Ägypten nach wie vor Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Zuletzt hatten Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“ bei mehreren Angriffen auf der Sinai-Halbinsel sieben koptische Christen getötet und Hunderte in die Flucht getrieben.

„Respekt für Diversität“

Die interreligiöse Konferenz hatte sich mit den Fragen der Laizität des Staates, der Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz sowie dem „Respekt für die Diversität“ beschäftigt. Die Initiative für den Kongress ging vom Al-Ashar-Großimam Ahmed Mohammed al-Tayyeb aus.

Unter den Teilnehmern waren der maronitische Patriarch, Kardinal Bechara Boutros Rai, der griechisch-katholische melkitische Patriarch Gregorios III. Laham, der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan, und der libanesische sunnitische Mufti Abd-el-Latif Deriane.

Großimam Ahmed al-Taijib der Al-Azhar-Universität

CC 2.0 by Österreichisches Außenministerium

Al-Ashar-Großimam Ahmed Mohammed al-Tayyeb

Imam: Islam ist nicht gleich Terrorismus

Großimam al-Tayyeb rief zu Verständigung und Versöhnung zwischen den Religionsführern auf. „Wenn es nicht zunächst Frieden zwischen den Befürwortern der Religion gibt, können sie ihn auch nicht dem Volk bringen“, sagte er zum Auftakt. Angesichts der barbarischen Akte genüge es nicht mehr, die Religionen von Terror zu befreien, so al-Tayyeb.

Religiöse Bildungsinstitute rief er dazu auf, das im Westen verbreitete Phänomen der Islamphobie zu bekämpfen. Den Islam für Terrorakte verantwortlich zu machen, zeuge von einer mangelnden Kenntnis über die Lehren des Islam.

Islam-Autoritäten uneinig

Die römische katholische Missionsnachrichten-Agentur „AsiaNews“ berichtete, dass der Kongress auf die Förderung eines „aufgeklärten und gemäßigten“ Islam abzielte. Die Agentur verwies allerdings zugleich darauf, dass Ägyptens Islam-Autoritäten sich zu keiner klaren Linie durchringen könnten. So werde einer der prominentesten Al-Ashar-Absolventen, Scheich Mohammed Mohammed Nasr Abdallah, weiterhin nicht als Imam zugelassen.

Abdallah vertrete offenbar zu fortschrittliche Auffassungen; er war öffentlich gegen die Verschleierung, die im islamischen Recht vorgesehenen Körperstrafen und den Dschihad aufgetreten. Der Scheich gehörte zu einer Gruppe islamischer Theologen, die im November 2015 nach Paris fuhren, um das Mitgefühl angesichts der Bluttaten der IS-Terroristen zum Ausdruck zu bringen.

Die Universität Al-Ashar wurde im Jahr 988 gegründet und ist eine islamische wissenschaftliche Institution von internationalem Rang. Rund 375.000 Studenten sind dort immatrikuliert, 16.000 Mitarbeiter lehren an der Universität.

Seelsorger: Kein Dialog zwischen Religionen

Für Donnerstag wird die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ägypten erwartet. In der Markus-Kathedrale in Kairo ist ein Treffen mit Kopten-Papst Tawadros II. geplant. Gemeinsam wollen sie die angrenzende Kirche Sankt Peter und Paul besuchen, in der bei einem Anschlag im Dezember 27 Menschen getötet wurden. Bei ihrem Besuch wird Merkel von Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi empfangen, mit dem sie auch über mehr Kooperation in Migrationsfragen sprechen will.

Im Blick auf den Merkel-Besuch schreibt der katholische Deutschsprachigen-Seelsorger in Kairo, Joachim Schroedel, in der Würzburger Zeitung „Die Tagespost“ (Dienstagausgabe), das Bedenkliche an der Situation in Ägypten sei das Fehlen eines innerägyptischen Dialogs der Religionen. „Hier herrscht vielmehr die Devise: Man kann ja über alles reden, nur nicht über Religion.“ Christen seine auch heute „Menschen zweiter Klasse“, viele höhere Ämter seien ihnen verwehrt. So gebe es im mächtigen Staatssicherheitsdienst keinen einzigen Christen.

religion.ORF.at/KAP