Papst deutet Öffnung beim Zölibat an

Eine mögliche Öffnung bei der Vorschrift der Ehelosigkeit für Priester hat Papst Franziskus angedeutet. In einem Interview äußerte er sich zur Frage, ob verheiratete erprobte Männer („Viri probati“) unter bestimmten Bedingungen Priester werden könnten.

In dem langen Interview mit der aktuellen Ausgabe der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ sagte Franziskus, das sei nicht auszuschließen; es gehe "der Kirche stets darum, den richtigen Augenblick zu erkennen, wann der Heilige Geist nach etwas verlangt. (...) Wir müssen darüber nachdenken, ob Viri probati („bewährte Männer", gemeint sind verheiratete Männer, Anm.) eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden.“

Aber keine freie Entscheidung

Zugleich wandte sich Franziskus gegen den Vorschlag, die Ehelosigkeit der Priester einer freien Entscheidung der Kandidaten zu überlassen. Das Gespräch hatte laut „Zeit“ Ende Februar im Vatikan stattgefunden. Es ist das erste Interview, das Franziskus während seiner vierjährigen Amtszeit einem deutschen Journalisten gegeben hat.

Papst Franziskus mit zwei Kardinälen

APA/AP/Vincenzo Pinto

Papst Franziskus: „Populismus bedeutet, das Volk zu benutzen“

Der Papst sprach sich für Freiheit in der theologischen Forschung aus. „Wahrheit ist, keine Angst zu haben“, sagte er, „Ängste schließen Türen. Die Freiheit öffnet sie. Und wenn die Freiheit klein ist, öffnet sie immerhin ein Fensterchen.“

„Populismus ist böse“

Besorgt äußerte sich Franziskus über die Zunahme des Populismus in den westlichen Demokratien: „Populismus ist böse und endet schlecht, wie das vergangene Jahrhundert gezeigt hat“, sagte Franziskus. Er stütze sich immer auf einen Messias und auf die Rechtfertigung, die „Identität des Volkes“ bewahren zu müssen.

Der Papst brachte die politischen Methoden Hitlers 1933 als Beispiel und sagte: „Populismus bedeutet, das Volk zu benutzen, richtig? Denken Sie an das Jahr 1933, nach dem Scheitern der Weimarer Republik. Deutschland war verzweifelt, von der Wirtschaftskrise 1929 geschwächt, und dann kam dieser Mann daher und sagte: Ich kann, ich kann, ich kann! Er hieß Adolf. So ist es dann gelaufen. Er hat das Volk davon überzeugt, dass er konnte. Populismus braucht immer einen Messias.“

„Ich bin Sünder und bin fehlbar“

Im Blick auf die Rolle des Papstes betonte Franziskus, er halte nichts davon, als Vorbild hingestellt zu werden. „Ich bin ein ganz normaler Mensch, der tut, was er kann“, sagte er. „Ich bin Sünder und bin fehlbar, und wir dürfen nicht vergessen, dass die Idealisierung eines Menschen stets auch eine unterschwellige Art der Aggression ist“, fügte er hinzu. „Man gesteht mir nicht zu, ein fehlbarer Sünder zu sein.“

Er verwies auf die Figur des Petrus, der auch durch eine Krise gegangen sei. Er selbst kenne auch tiefe Glaubenszweifel und Momente der Leere. „Ohne Krisen kann man nicht wachsen“, sagte das Kirchenoberhaupt. „Ein Glaube, der nicht in die Krise gerät, um an ihr zu wachsen, bleibt infantil.“ Auch Petrus habe Jesus verleugnet und sei doch zum Oberhaupt der Kirche geworden, betonte der Papst.

Auch „dunkle Momente“

Wer immer sicher sei, sei in Wahrheit ein Fundamentalist. Jesus liebe die Sünder mehr als die Gerechten. „Es gibt durchaus dunkle Momente, in denen ich sage: Herr das begreife ich nicht“, erläuterte Franziskus. Das gelte auch für Bedrängnisse, die er sich selbst eingebrockt habe. „Denn ich bin ein Sünder, und dann werde ich wütend.“ Letzteres habe er sich allerdings inzwischen fast abgewöhnt.

Auf die Frage, ob er auch Momente kenne, in denen er grundlegend an Gott und Jesus zweifle, sagte Papst Franziskus: „Ja, ja... Momente der Leere ... Ich habe von dunklen Momenten gesprochen und von leeren Momenten. Ich kenne auch die leeren Momente.“

Nach Überzeugung des Papstes ist der Glaube ein Geschenk und „nichts, was man sich erwirbt“. „Man muss den Herrn demütig um den Glauben bitten“, fügte er hinzu. Manchmal müsse man in einer Krise verharren und darum bitten, dass der Glaube zurückgegeben werde - „früher oder später“. Glaube sei für ihn Licht, Geschenk, Überzeugung und die Fähigkeit, das eigene Leben zu deuten. Für den, der glaube, sei alles möglich.

„Meine Art gefällt manchen nicht“

Auf die Frage, ob er sich von Angriffen aus dem Vatikan getroffen fühle, berichtete Franziskus, er bete täglich um viel Sinn für Humor und um inneren Frieden. Er habe diesen allerdings seit der Papstwahl nicht verloren. „Ich kann verstehen, wenn meine Art, die Dinge anzugehen, manchen nicht gefällt“, erläuterte er. „Das ist legitim und menschlich und bereichernd.“

Mit Blick auf die Auseinandersetzungen im Malteserorden nahm er den amerikanischen Kardinal Raymond Burke in Schutz. „Ich empfinde Kardinal Burke nicht als Widersacher“, sagte er. Der Kardinal sei immer noch Patron des Malteserordens. Das Problem sei eher gewesen, dass „Kardinal Burke mit der Sache nicht umgehen konnte, weil er nicht mehr allein agierte“. Es gehe darum, „beim Orden ein wenig aufzuräumen, und deshalb habe ich einen Delegaten dorthin geschickt, der über ein anderes Charisma verfügt als Burke“.

Burke „kein Widersacher“

Franziskus betonte, Burke sei ein exzellenter Jurist. Er habe ihn wegen eines schrecklichen Missbrauchsfalls auf die Insel Guam geschickt. Dieser Auftrag sei fast schon erledigt. „Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“ Der Papst wandte sich damit gegen Gerüchte, er habe den Kardinal quasi in die Verbannung geschickt.

Der von Papst Franziskus wiedereingesetzte Großkanzler des Malteser-Ritterordens, Albrecht von Boeselager, hatte kürzlich einen ordensinternen Machtkampf für seine zwischenzeitliche Entlassung verantwortlich gemacht - mehr dazu in Großkanzler der Malteser sieht Opposition gegen Papst.

Fünf Reisen 2017 geplant

Franziskus plant im laufenden Jahr mehrere Auslandsreisen. Auf dem Programm stünden Indien, Bangladesch und Kolumbien, sagte er ebenfalls im Rahmen des „Zeit“-Interviews. Außerdem sprach er von der bereits offiziell bestätigten Reise nach Fatima (Portugal), die für den 12. und 13. Mai geplant ist, sowie von einer „Studienreise nach Ägypten“.

Ausführlich sprach der Papst auch von den Reisen, die er 2017 nicht machen werde. Neben Deutschland nannte er Russland. Dorthin könne er nicht fahren, denn dann müsste er auch in die Ukraine reisen, erklärte er. Eine Reise in den vom Bürgerkrieg heimgesuchten Südsudan wäre zwar wichtig, aber er „glaube nicht, dass das möglich ist“. Auch eine Reise in den Kongo sei geplant gewesen, aber das werde mit Präsident Joseph Kabila „wohl auch nicht gehen“, so der Papst.

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu:

Link: