Zeugen-Jehovas-Verbot: Russlands Kirchen uneinig

Russlands Kirchen sind uneinig in der Bewertung des Verbots der Zeugen Jehovas. Die russische-orthodoxe Kirche begrüßte das Verbot am Dienstag, die katholische hatte es abgelehnt.

Es handle sich um eine „totalitäre Sekte“, sagte der Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, laut Nachrichtenagentur Interfax. Kritik am Verbot hatte am Wochenende die katholische Kirche in Russland geübt.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel kritisierte am Dienstag bei einem Treffen mit Russlands Präsident Waldimir Putin in Sotschi ebenfalls das Verbot. Sie rief Putin bei der gemeinsamen Pressekonferenz auf, die Menschenrechte von Minderheiten in seinem Land zu schützen und verwies auf die Rechte der Zeugen Jehovas sowie von Homosexuellen.

„Extremistische Organisation“

Hilarion erklärte, die Zeugen Jehovas seien gefährlich. Ihre Aktivitäten zielten darauf ab, das Gewissen ihrer Mitglieder zu manipulieren und „die Psyche der Menschen und der Familie auszulöschen“. Sie gäben sich zudem als christliche Organisation aus, würden dabei aber die Lehre Christi „verdrehen“ und sein Evangelium falsch interpretieren, sagte er: „Sie glauben nicht, dass Jesus Christus Gott und Retter ist, sie erkennen die Dreifaltigkeit nicht an. Deshalb können sie nicht als Christen bezeichnet werden“, sagte der Metropolit.

Der kirchliche Außenamtsleiter sagte, die Entscheidung des russischen Höchstgerichts vom 20. April habe die Zeugen Jehovas auf Antrag des Justizministeriums als „extremistische Organisation“ eingestuft und dies damit begründet, sie würden die öffentliche Ordnung bedrohen und Familien zerstören. Die russisch-orthodoxe Kirche habe jedoch keinen Einfluss auf das Urteil ausgeübt und sei auch im Vorfeld nicht um Rat gefragt worden, betonte Hilarion.

Repressalien gegen Zeugen Jehovas

Die Zeugen Jehovas wurden in Russland 1991 und erneut 1999 registriert, sind jedoch aufgrund von Zettel-Verteilaktionen und Predigten an den Haustüren häufig Inhaftierungen und Polizeirazzien ausgesetzt. Ihre Mitglieder wurden wiederholt angegriffen und ihr Eigentum zerstört.

Nach dem nunmehrigen Urteil hieß es, die Zentrale der Gruppe und ihre 395 Regionalverbände würden geschlossen, ihr Besitz beschlagnahmt. Nach Angaben von Menschenrechtlern drohen Zeugen Jehovas, die ihren Glauben weiter ausüben, künftig Strafverfolgung, Geldstrafen oder bis zu zehn Jahre Haft.

Katholiken besorgt

Die katholische Kirche in Russland hatte die Gerichtsentscheidung gegen die Zeugen Jehovas gerügt. Alle religiösen Gemeinschaften hätten ein Recht zu existieren, sagte der Generalsekretär der Russischen Bischofskonferenz, Igor Kowalewski, am Wochenende. Zugleich äußerte er die Sorge, dass das Urteil auch die Angst vor neuen Einschränkungen für die katholische Kirche im Land schüren könne. Die Regierung müsse den Bürgern versichern, „dass die Gewissensfreiheit bestehen bleibt“.

religion.ORF.at/KAP

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