Berlin: Kirchentag mit Obama und Merkel gestartet
Der frühere US-Präsident Barack Obama hat seine Hoffnung in die junge Generation betont. „Es hängt alles von jungen Menschen ab, wie hier heute in Berlin - und deshalb möchte ich auch mein Wissen weitergeben“, sagte er am Donnerstag bei einer Diskussionsrunde mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Evangelischen Kirchentag in der deutschen Hauptstadt.
Er hoffe, junge Menschen dazu motivieren zu können, Führungsaufgaben zu übernehmen und sich den Herausforderungen der Welt zu stellen. Sie hätten heute Zugang zu Informationen und Chancen, die undenkbar gewesen seien, als er und Merkel geboren worden seien.
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Obama verteidigte Drohneneinsätze
Der frühere US-Präsident Barack Obama hat den Drohneneinsatz im Kampf gegen Terroristen verteidigt, aber auch Fehler während seiner Amtszeit eingestanden. „Wie schützt man sein Land vor Dingen, wie wir sie in Manchester oder Berlin oder Paris und Nizza erlebt haben?“, fragte Obama.
„Wenn wir Leben so gering schätzen wie unsere Gegner, verlieren wir“, fügte er hinzu. Der Kampf gegen den Terrorismus sei kein Kampf gegen ein einzelnes Land, sondern gegen einzelne Gruppen, gegen „Menschen, die sich im Schatten aufhalten“, sagte der Ex-Präsident.
Obama räumte aber auch ein: „Manchmal haben meine Entscheidungen zum Tod von Zivilisten geführt, weil es Fehler gab. Aber es gab keine anderen Wege, um an Terroristen zu kommen [...] Drohnen selbst sind nicht das Problem, das Problem ist der Krieg.“
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in derselben Debatte, Krieg müsse immer das letzte Mittel sein. Vor bewaffneten Einsätzen müsse immer „auf Basis unserer Werte“ geprüft werden, ob alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien.
Das US-Drohnenprogramm war ein zentraler Teil der Anti-Terror-Strategie Obamas. Der Präsident hatte nach seinem Amtsantritt 2009 die Drohneneinsätze verstärkt. Er hatte Luftangriffe in Pakistan, im Jemen, in Libyen, in Somalia und möglicherweise auch an anderen Orten angeordnet.
Nicht der interessanteste Gesprächspartner für Töchter
Barack Obamas Uhren ticken nach seiner Präsidentschaft anders. „Ich habe versucht, endlich mal auszuschlafen“, sagte der frühere US-Präsident zu seinem „Ruhestand“. „Ich versuche, ein bisschen mehr Zeit mit (meiner Frau) Michelle zu verbringen, damit sie mir die viele Zeit vergibt, die ich sonstwo verbracht habe.“
Obama ergänzte in der Diskussionsrunde mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel: „Ich habe viel Zeit mit meinen Töchtern verbracht, die jetzt alt genug sind, so dass ich nicht mehr unbedingt der interessanteste Gesprächspartner bin.“ Sie seien an ihren Freunden mehr interessiert. „Aber sie sind dann doch noch daran interessiert, ein bisschen Zeit mit mir zu verbringen. Und das versuche ich zu nutzen.“
„Dilemma“ zwischen Mitgefühl und Realpolitik
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren restriktiveren Kurs in der Asylpolitik verteidigt und auf das „Dilemma“ der Kluft zwischen christlichem Mitgefühl und Realpolitik hingewiesen.
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Angesichts vieler Flüchtlinge ohne Bleiberecht in Deutschland gelte es schnell Asyl-Entscheidungen zu treffen und solche Migranten gar nicht erst in Gemeinden und zu den ehrenamtlichen Helfern zu schicken. „Ich weiß, dass ich mich damit nicht beliebt mache“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag bei einer öffentlichen Debatte auf dem Evangelischen Kirchentag in Berlin.
Merkel betonte: „Wir versuchen, sachgerechte Lösungen zu finden.“ Die deutsche Asylpolitik müsse sich auf diejenigen Menschen in der Welt konzentrieren, die dringend Hilfe brauchten, und davon gebe es immer noch genug.
Der frühere US-Präsident Barack Obama pflichtete Merkel bei: Als Staats- oder Regierungschef gelte es „Barmherzigkeit“ gegenüber Flüchtlingen zu zeigen, aber es gebe auch eine Verpflichtung gegenüber der eigenen Bevölkerung. „Das ist nicht immer einfach“, sagte er. Zuvor hatte Obama der Kanzlerin attestiert, sie habe „hervorragende Arbeit geleistet, nicht nur hier in Deutschland, sondern in der ganzen Welt“.
Merkel sorgt für Lacher: Sitzordnung beim Kirchentag
Mit einer Klarstellung zur Sitzordnung - und zur Machtverteilung - hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Kirchentag für Lacher gesorgt.
Sie wies den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, humorvoll in seine Schranken. Dieser hatte gerade zu einer Frage an Ex-US-Präsident Barack Obama angesetzt: Wenn jetzt schon mal der lange Zeit mächtigste Mann der Welt neben ihm sitze ... Gelächter. Denn Merkels Gesichtsausdruck sprach Bände: „Ich hab’ so geguckt, weil neben Ihnen sitze ja jetzt erstmal ich“, sagte die Kanzlerin.
„Auftrag an alle“
Der Kirchentag sei „ein Auftrag an uns alle, einander anzusehen, so wie Gott uns ansieht“, sagte der gastgebende Berliner Bischof Markus Dröge in seiner Predigt vor dem Reichstag. „Gott sieht uns, und wir sehen die Welt mit den liebenden Augen Gottes“, so der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
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An den Gottesdiensten nahmen laut Angaben der Veranstalter rund 70.000 Menschen teil - 40.000 vor dem Reichstag, 20.000 am Brandenburger Tor und 10.000 am Gendarmenmarkt. In den Fürbitten wurde auch der Opfer des jüngsten Terroranschlags von Manchester gedacht.
Enorme Sicherheitsvorkehrungen
Für das evangelische Glaubenstreffen sind bis Sonntag insgesamt rund 2.500 Veranstaltungen geplant. Die Veranstalter erwarten etwas mehr als 100.000 Dauerteilnehmer. Der Kirchentag endet am Sonntag mit einem Festgottesdienst in Wittenberg.
APA/dpa/Ralf Hirschberger
Zu den Höhepunkten gehört u.a. der Auftritt von Ex-US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag zum Thema „Engagiert Demokratie gestalten. Zuhause und in der Welt Verantwortung übernehmen.“ Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch, allein am Eröffnungsabend waren laut Polizei rund 1.200 Beamte im Einsatz.
Lauter Protest bei Bischofsdiskussion mit AfD
Bei einer von lautstarken Protesten begleiteten Diskussion mit einer AfD-Vertreterin hat der Berliner Bischof Markus Dröge auf dem Evangelischen Kirchentag den rechtspopulistischen Kurs der Partei verurteilt. „Ich kann mich als Christ nicht in einer Partei engagieren, die Ängste dramatisiert, Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt“, sagte Dröge am Donnerstag bei einer bereits zuvor heftig kritisierten Diskussion mit Anette Schultner vom Bundesverband Christen in der AfD.
Schultner indes warf der evangelischen Kirche vor, ein Arm linker Parteien in die Gesellschaft zu sein. Statt sich um die Verbreitung des Glaubens zu kümmern, übernehme die Kirche die Rolle eines politischen Spielers und mische sich in staatliche Angelegenheiten ein, kritisierte sie.
Worte der Einigung vom katholichen Erzbischof
Der katholische Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, hob in seinem Grußwort hervor, Berlin sei keine „gottlose Stadt“, wie manche meinten. „Er schaut uns an durch die Augen dieser Menschen, die von unseren Kirchen und ihrer Botschaft oft so weit weg zu sein scheinen“, sagte Koch.
Mit Blick auf die Einheit der Christen fügte er hinzu. „Gott schaut auf unseren gemeinsamen Weg mit- und zueinander. Warum soll nicht unter seinen guten Augen das möglich werden, was viele von uns kaum für möglich halten: dass wir wieder eins werden?“
Im Anschluss an die Gottesdienste luden die Berliner Kirchengemeinden die Gäste zu einem „Abend der Begegnung“ im Zentrum der Hauptstadt ein. Zwischen Reichstagsgebäude und Gendarmenmarkt gab es auf zehn Bühnen Musik und „Mitmachaktionen“. Über 330 kirchliche und kirchennahe Institutionen und Gruppen waren mit 289 Ständen präsent, die Veranstalter sprachen von 200.000 Teilnehmern.
religion.ORF.at/KAP/dpa
Mehr dazu:
- Evangelischer Kirchentag in Deutschland
(religion.ORF.at; 24.05.2017)