Höhepunkt von Missbrauchsskandal in Australien

Mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahren wegen Kindesmissbrauchs gegen den australischen Kurienkardinal George Pell erreicht ein gewaltiger Missbrauchsskandal seinen Höhepunkt.

Pell ist keine kleine Nummer im Machtgefüge des Vatikans: Er ist Kurienkardinal und als vatikanischer „Finanzminister“ einer der mächtigsten Männer in der römisch-katholischen Kirche. Der 76-Jährige ist außerdem Australiens ranghöchster Kirchenvertreter und war vor seiner Versetzung nach Rom Erzbischof von Melbourne und Sydney. Anfang 2014 ernannte ihn Franziskus zum Leiter der neu geschaffenen Aufsichtsbehörde für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Vatikans, eine Art Finanzministerium.

Mehrfach Beschwerden

Nun wird wegen Missbrauchsvorwürfen gegen ihn ermittelt, am Donnerstag legte Pell sein Amt vorübergehend nieder. In der Vergangenheit hatte es allerdings bereits mehrfach Beschwerden über angebliche Fälle von Kindesmissbrauch während Pells Zeit als Priester in Ballarat (1976-1980) und als Erzbischof in Melbourne (1996-2001) gegeben.

Der australische Kardinal George Pell bei einer Messe im Petersdom

APA/AFP/Vincenzo Pinto

Kurienkardinal George Pell

Ihm wurde zur Last gelegt, selbst mehrere Kinder sexuell belästigt zu haben. Im Juli vergangenen Jahres erhoben zwei Männer direkte Missbrauchsvorwürfe gegen den Geistlichen, der sie in den 1970er Jahren in einem Schwimmbad unsittlich angegriffen habe. Ein weiterer Mann berichtete, Pell habe sich in den 1980er Jahren vor Buben in einem Umkleideraum am Strand entblößt. Der Kardinal wies die Vorwürfe mehrfach als „völlig unwahr und komplett falsch“ zurück und sprach gar von einer „Verleumdungskampagne“ gegen ihn. Im Oktober 2016 ließ er sich dazu freiwillig im Vatikan vernehmen.

Mehr als 276 Millionen Euro an Opfer

Die Vorwürfe sind besonders heikel, weil Pell eingeräumt hatte, dass Australiens katholische Kirche über Jahre hinweg den Missbrauch von Kindern heruntergespielt habe. Auch er selbst wurde dafür kritisiert, derartige Fälle unter den Teppich gekehrt zu haben. Mittlerweile hat die Kirche an mehrere tausend Opfer als Ausgleich umgerechnet mehr als 276 Millionen Euro gezahlt.

Pell „fast soziopathisch“

Ein Mitglied der Missbrauchskommission, die seit vier Jahren im Auftrag der australischen Regierung tätig ist, bezeichnete Pell 2015 als „unhaltbar“ in der Funktion des Finanzchefs und nannte ihn mit Blick auf die Behandlung von Missbrauchsopfern „fast soziopathisch“. „Ich glaube, es ist entscheidend, dass George Pell abtritt, dass er zurück nach Australien geschickt wird und dass der Papst die härtesten Maßnahmen gegen ihn ergreift“, sagte Peter Saunders - selbst Missbrauchsopfer - damals im australischen Fernsehen.

Die Ergebnisse der Arbeit dieser Kommission schockieren: Über 4.400 Betroffene hätten der Kommission von sexuellen Übergriffen durch katholische Priester, Ordensleute und andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der katholischen Kirche berichtet. In mehr als 1.000 kirchlichen Einrichtungen sei es in den Jahren 1980 bis 2015 zu sexuellem Missbrauch gekommen.

„Beschämt unsere Köpfe senken“

Die Kirche selbst, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchungen, habe dabei ein System des Wegschauens, Vertuschens und des Versetzens mutmaßlicher Täter entwickelt. „Als Katholiken müssen wir beschämt unsere Köpfe senken“, reagierte Francis Sullivan - Vorstand des kirchlichen „Rats für Wahrheit, Gerechtigkeit und Heilung“ - als Vertreter der katholischen Kirche auf die Erkenntnisse der Missbrauchskommission.

Für den Heiligen Stuhl kommt das Ermittlungsverfahren äußerst ungelegen. Papst Franziskus rief Ende 2014 innerhalb der Glaubenskongregation im Vatikan ein neues Gremium aus Kardinälen und Bischöfen ins Leben, um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und anderen schwerwiegenden Delikten in der katholischen Kirche zu erleichtern.

religion.ORF.at/dpa/APA/AFP/KAP

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