Vatikan: Chef der Glaubenskongregation verliert Amt

Kurz nach der Beurlaubung seines Finanzchefs Kardinal George Pell trennt sich Papst Franziskus nun auch vom deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Das bestätigte der Vatikan am Samstag.

Das berichteten am Samstag unter anderem die italienischen Zeitungen „La Stampa“ und „Il Messaggero“ unter Berufung auf der katholischen Kirche nahestehende Nachrichtenseiten. Müller ist Chef der Glaubenskongregation.

Seine nach fünf Jahren am 2. Juli endende Amtszeit werde nicht verlängert, hieß es. Gründe für diesen Schritt wurden nicht genannt. Allerdings war bekannt, dass Franziskus und Müller nicht immer auf gleicher Linie lagen.

Kurienkardinal Müller

Alberto Pizzoli / AFP

Laut Medienberichten soll die Amtszeit von Kardinal Müller nicht verlängert werden

Müller für Aufklärung von Missbrauch zuständig

Erst am Donnerstag hatte Kardinal Pell nach Kindesmissbrauchs-Vorwürfen sein Amt vorübergehend niedergelegt und sich beurlauben lassen. Er wolle in seiner Heimat seine Unschuld beweisen, hatte der 76-jährige Australier gesagt.

Müller stand der Glaubenskongregation vor, die dafür zuständig ist, Missbrauchsfälle aufzuklären. Ende Februar noch hatte er den Vorwurf systematischer Vertuschung von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche zurückgewiesen. „Die Kirche verdeckt nichts. In einigen Fällen kann es aus Ahnungslosigkeit passiert sein, aber nicht systematisch“, sagte er damals der italienischen Zeitung „La Repubblica“.

Kardinal Müllers Kurienbehörde ist das älteste Dikasterium im Vatikan. Der aus Mainz stammende Theologe promovierte und habilitierte sich bei dem späteren Mainzer Kardinal Karl Lehmann. Er lehrte ab 1986 in München Dogmatik und verfasste ein Standardwerk über diese theologische Disziplin. Von 2002 bis 2012 war er Bischof von Regensburg. Benedikt XVI. holte Müller 2012 nach Rom; im Jahr 2014 erhob Papst Franziskus ihn zum Kardinal.

Meinungsverschiedenheiten mit Papst Franziskus

Zwischen Müller und Franziskus hatte es in den vergangenen Jahren Meinungsverschiedenheiten gegeben. Zuletzt hatte Müller am 25. Mai in einem Fernseh-Interview die Tatsache kritisiert, dass Franziskus drei Mitarbeiter des Kardinals gegen dessen Willen entlassen hatte.

Müller gilt als Kenner der Kirche und der Theologie Lateinamerikas und als streitbarer Kirchenmann. Mit Papst Franziskus hatte es in den vergangenen Jahren auch Meinungsverschiedenheiten in moraltheologischen Fragen gegeben, insbesondere in der Frage des Umgangs der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen.

Die Ernennung von Müllers Nachfolger soll Berichten zufolge am Montag erfolgen. Lateinamerikanischen Medien zufolge könnte Erzbischof Victor Manuel Fernandenz, der als „Ghostwriter“ mehrerer päpstlicher Dokumente gilt, Nachfolger werden. Der Rektor der Päpstlichen katholischen Universität von Argentinien ist engster theologischer Berater des Papstes.

Deutscher Theologe sprach von einer „Strafe“

Der deutsche Theologe Wolfgang Beinert sprach gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) von einer „Strafe“. „Das ist eine Entlassung ins Nichts“, sagte der ehemalige Hochschulprofessor am Samstag in München.

„Wo wollen Sie so einen Mann hintun?“ Es gebe keine adäquate Lösung. Zumal Müller mit 69 Jahren für einen Kardinal recht jung und arbeitsfähig sei. Beinert sagte, das Verhältnis zwischen Papst Franziskus und Müller sei von Anfang an nie sehr innig gewesen. „Das sind von der Chemie her zwei verschiedene Leute, die von Natur aus nicht zusammenpassen.“

„Wir sind Kirche“ sieht "Neuorientierung“

Für die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ bedeutet ein Wechsel in der Glaubenskongregation im Vatikan „die wertvolle Möglichkeit einer Neuorientierung“. Nach den Berichten über eine Trennung Papst Franziskus’ von dem bisherigen Leiter der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sprach „Wir sind Kirche“ von einer folgerichtigen Entscheidung.

"Kardinal Müller hat sich immer wieder durch seine Belehrungen und Interpretationen des Papstamtes, zuletzt in seinem Buch „Der Papst", zum Lehrmeister über den Papst erhoben“, hieß es in einer am Samstag in München verbreiteten Mitteilung.

Vatikan in der Kritik mangelnder Transparenz

Dem Vatikan und der katholischen Kirche wird immer noch vorgeworfen, nicht hart genug gegen Kindesmissbrauch vorzugehen und teils pädophile Geistliche zu decken. Kritiker werfen dem Vatikan auch vor, nicht transparent mit den Fällen umzugehen.

Zur Amtszeit von Papst Franziskus Vorgänger Benedikt XVI. war herausgekommen, dass katholische Geistliche weltweit über Jahrzehnte unzählige Kinder missbraucht oder misshandelt hatten und die Fälle unter den Teppich gekehrt wurden.

religion.ORF.at/APA/dpa

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