Jerusalems Großmufti gibt Freilassung bekannt

Der oberste muslimische Würdenträger Jerusalems hat am Freitag wenige Stunden nach seiner Festnahme bekanntgegeben, dass er von der israelischen Polizei wieder freigelassen wurde.

Der gefährlich schwelende Konflikt in Jerusalem ist am Freitag blitzschnell eskaliert: Drei arabische Israelis verletzten durch Schüsse zwei israelische Polizisten tödlich. Israels Behörden untersagten daraufhin die Freitagsgebete in der Al-Aksa-Moschee.

Sie nahmen für einige Stunden den obersten muslimischen Würdenträger Jerusalems, Großmufti Mohammed Ahmad Hussein, fest. Er kam am Abend wieder frei.

Freitagsgebete in der Al-Aksa-Moschee untersagt

Es war das erste Mal seit dem Jahr 2000, dass die Freitagsgebete in der Al-Aksa-Moschee untersagt wurden. In der Altstadt von Jerusalem gab es zwar in den vergangenen Jahren viele - auch tödliche - Attacken, dabei wurden aber von den Angreifern keine Schusswaffen eingesetzt.

Die drei arabischen Israelis verletzten am Morgen in der Altstadt von Jerusalem zwei Polizisten mit Schüssen tödlich. Die Angreifer wurden dann bei ihrer Flucht zum Tempelberg von israelischen Sicherheitskräften getötet. Diese riegelten dann die gesamte Altstadt ab. Tausende von Muslimen knieten vor den Mauern der Altstadt zum Gebet nieder.

Bei den getöteten Polizisten handelte es sich um zwei Mitglieder der arabisch-drusischen Minderheit in Israel. Die Angreifer kamen nach Angaben der israelischen Polizei und des israelischen Geheimdienstes aus der Stadt Um al-Fahm im Norden Israels.

Großmufti festgenommen

Am frühen Nachmittag gab der Sohn des Großmuftis bekannt, dass der Würdenträger von der Polizei in der Altstadt festgenommen und abgeführt wurde. Einige Stunden später sagte Mohammed Ahmad Hussein der Nachrichtenagentur AFP in einem kurzen Telefonat: „Ich bin frei.“ Er hatte gegen das Verbot der Freitagsgebete in der Al-Aksa-Moschee protestiert.

Nach Angaben von Husseins Sohn ging es in der Befragung bei der Polizei um den Aufruf des Muftis an Muslime, nach Jerusalem zu kommen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kündigte an, der Tempelberg werde bis Sonntag abgesperrt bleiben, danach solle eine Evaluierung der Sicherheitslage erfolgen.

Protest aus Jordanien

Jordanien forderte die „sofortige Wiedereröffnung“ für muslimische Gläubige. Das jordanische Königshaus ist Hüter der heiligen muslimischen Stätten in Jerusalem.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte, die Vorfälle vom Freitag könnten „weiter Gewalt hervorrufen“, alle Seiten müssten eine weitere Eskalation verhindern und „Verantwortung beweisen“.

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas (Abu Mazen) verurteilte in einem Telefonat mit Netanyahu den Angriff auf die israelischen Polizisten. Die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA berichtete, Abbas habe „jede Gewalttat von jedweder Seite“ zurückgewiesen. Netanyahu habe „alle Seiten zur Ruhe aufgefordert“.

Nachdem die Freitagsgebete in der Al-Aksa-Moschee abgesagt wurden, beteten tausende muslimische Gläubige vor der Jerusalemer Stadtmauer. Auf dem Tempelberg befinden sich die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom, zwei der heiligsten Stätten des Islam. Die Altstadt befindet sich in Ost-Jerusalem, das von Israel während des Sechs-Tage-Kriegs 1967 besetzt und später annektiert wurde. Am Fuß des Tempelbergs steht die Klagemauer, die heiligste Stätte des Judentums.

Mahnungen aus Berlin

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte den Angriff aufs Schärfste. Ein Sprecher erklärte, der Angriff werfe einen schweren Schatten auf das friedliche Miteinander der Gläubigen aller drei großen monotheistischen Weltreligionen in Jerusalem.

Seit Oktober 2015 wurden bei einer Gewaltserie in Israel und den Palästinensergebieten mehr als 280 Palästinenser, 42 Israelis und sieben Ausländer getötet. Bei der Mehrzahl der getöteten Palästinenser handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter, die zumeist Messer für ihre Angriffe verwendeten.

In der Nähe von Bethlehem wurde nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in einem Flüchtlingslager ein 18-jähriger Palästinenser getötet. Der Palästinenser habe eine Schussverletzung an der Brust erlitten, als israelische Sicherheitskräfte sich in Dheisheh gewaltsame Auseinandersetzungen mit Palästinensern lieferten.

religion.ORF.at/APA