Der Vatikan und die „Hostien to go“

Ein Rundbrief des Vatikans, in dem Regeln zum Thema Hostien - Stichwort: Gluten - bekräftigt werden, hat kürzlich für Aufregung gesorgt. Das Anliegen, damit Auswüchsen wie „Hostien to go“ und Wein in Pulverform zu begegnen, blieb vielen verborgen.

Der Liturgieprofessor Hans-Jürgen Feulner sorgte im Gespräch mit religion.ORF.at für Klarheit. „Vatikan verbietet glutenfreie Hostien“ war eine der Schlagzeilen, die das Schreiben in den Medien auslöste. Nur wenige berichteten auch, dass die Weisung schon viel älter ist und der Rundbrief lediglich eine Erinnerung an längst erlassene Regeln darstellte.

Dass der Vatikan es für nötig hielt, an die Bedeutung von Inhaltsstoffen für Wein und Brot zu erinnern, wundert Feulner, der den Fachbereich Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Universität Wien leitet, keineswegs. „In Supermärkten gibt es mittlerweile Oblaten, die aus Kartoffel- oder Maisstärke sind und nichts mehr mit Weizen zu tun haben.“ Via Internet können Hostien aller Art geordert werden.

"Hostie to go"

ORF.at/Johanna Grillmayer

„Hostie to go“ inklusive Traubensaft aus den USA

Hostie im „Sechserpack“

Um die seltsamen Blüten zu illustrieren, die das variantenreiche Angebot an Messutensilien mittlerweile treibt, zeigte Feulner eine Art „Hostie to go“, die es in den USA im Sechserpack zu kaufen gibt: ein Plastikschälchen, das einen Schluck Traubensaft und - im Deckel eingeschweißt - eine Hostie enthält. Auch Wein in Pulverform wird angeboten. „Da verstehe ich schon, dass mittlerweile die Besorgnis steigt: ‚Wie geht man mit einer sakramentalen, einer eucharistischen Materie um?‘“, so der Liturgieexperte.

Das Vatikan-Schreiben von 8. Juli habe nur „bereits vorhandene kirchliche Vorschriften noch einmal ins Bewusstsein gerufen“. Feulner zitierte unter anderem das Kirchenrecht (Codex des kanonischen Rechts) von 1983, Kanon 924: „Das hochheilige eucharistische Opfer muss mit Brot und Wein, dem ein wenig Wasser beizumischen ist, dargebracht werden. Das Brot muss aus reinem Weizenmehl bereitet und noch frisch sein, sodass keine Gefahr der Verderbnis besteht.“

Leib Christi darf nicht wegbröseln

Nach der lateinischen Tradition wird ungesäuertes, bei den meisten östlichen Kirchen auch gesäuertes Brot verwendet. Im 11. Jahrhundert führte das zum Azymenstreit (azyma, griech.: ungesäuert). Möglicherweise haben Jesus und die Jünger auch Gerstenbrot gegessen, je nachdem, ob das letzte Abendmahl ein Pessachmahl war oder nicht. Diese Frage ist ungeklärt. Eine „übersteigerte Eucharistiefrömmigkeit des Mittelalters“ trug zum Durchbruch des ungesäuerten Brotes im Westen bei, denn gesäuertes Brot bröselt leichter. Partikel mit dem Leib Christi könnten abfallen, war die Befürchtung.

Papst Franziskus mit einer Priesterhostie

APA/AFP/Andreas Solaro

„Der Leib Christi“: Papst Franziskus mit einer geprägten Priesterhostie

Die Form des eucharistischen Brotes sei ursprünglich sicher der Laib gewesen, so der Experte. Seit der karolingischen Zeit verwendete man aus praktischen Gründen immer mehr münzgroße, einzelne Brotstücke. Die Priesterhostie mit Prägung stammt etwa aus dem 12. Jahrhundert.

Weißwein - aus praktischen Gründen

Was den Wein angeht, so wird heute hauptsächlich Weißwein verwendet, auch wenn man davon ausgehen kann, dass Jesus vermutlich sogar Rotwein ausgeschenkt habe, so der Experte. Bis ins 16. Jahrhundert kam auch im Westen Rotwein zum Einsatz. Aber wegen „unschöner Verfärbungen des weißen Kelchtuchs“ setzte sich der Weißwein durch. Orthodoxe Priester hingegen nehmen Rotwein - was natürlich der Symbolik „Blut Christi“ besser entspricht - und haben auch rote Kelchtücher.

Hans-Jürgen Feulner

Hans-Jürgen Feulner ist Leiter des Fachs Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie am Institut für Historische Theologie, Katholisch-Theologische Fakultät, Universität Wien.

„Laut Kirchenrecht muss der Wein aus Trauben sein und darf nicht durch Reis- oder Palmwein ersetzt werden. Brot und Wein dürfen außerdem nicht verdorben sein“, präzisierte Feulner. Nach antikem Vorbild wird der Wein mit Wasser gemischt - theologisch wird das unter anderem auch als die Verbindung der göttlichen und der menschlichen Natur Christi gesehen. Ein Vatikan-Schreiben von 2004 mit dem Titel „Redemptionis Sacramentum“ ortet „schweren Missbrauch“, wenn die Reinheitsgebote nicht zur Anwendung kommen, das heißt dem Weizenmehl oder Traubenwein andere fremde Stoffe beigefügt werden (z. B. Honig, Früchte u. Ä. bei den Hostien).

„Wort“ und „Materie“

Zum Hintergrund all dieser Feinheiten erklärte Feulner: „Die Sakramente bestehen nach dem klassischen Verständnis aus der Form und aus der Materie: einem Wortelement (Gebet oder Spendenformel) und Materie. Das kann eine Handlung bedeuten wie das Auflegen der Hände oder die Salbung mit Öl, aber auch dingliche Materie wie Brot und Wein. Das Wortelement eines Sakramentes kann der Papst unter bestimmten Umständen ändern.“ Bei der Materie sei das zwar theoretisch auch möglich, „soweit ein entsprechendes Vorbild verbürgt ist und nicht gegen das biblische Zeugnis und eine jahrhundertelange Tradition verstößt“.

Doch die Abendmahlsberichte in der Bibel sind in diesem Punkt recht genau: „Wir wissen, es ist Brot und Wein - nichts anderes.“ Man könne von den damaligen Gepflogenheiten ausgehen, und in der Regel war nach der damaligen hellenistischen Tischsitte im Mittelmeer-Raum Weizenbrot üblich. „Auch die nachfolgende Tradition ist so stark, dass die Kirche gar nicht die Möglichkeit hätte, das zu ändern. Sie ist gebunden und kann keine Entscheidungen anderer Art treffen“, so Feulner.

Pulverwein und "Hostie to go"

ORF.at/Johanna Grillmayer

Wein in Pulverform (l.) entspricht nicht dem Kirchenrecht

Man müsse auch den kulturellen Hintergrund verstehen: „In Palästina zur Zeit Jesu waren Brot und Wein der Inbegriff von Speise und Trank. Sie sind die Frucht der menschlichen Arbeit, Weizen muss ausgesät, geerntet, Weinstöcke gepflanzt werden.“ Beide sind auch Zeichen des neuen Lebens aus dem Tod. „Denn die Körner werden beim Mahlen zerrieben, die Trauben beim Keltern zerquetscht, sterben quasi, und daraus entsteht neues Leben aus dem Tod heraus. Der auferstandene und verklärte Christus wird in Gestalt von Brot und Wein real gegenwärtig.“

Jesus selbst sagte: „Ich bin das lebendige Brot“ (Joh 6,51). In Joh 15 vergleicht er sich mit einem Weinstock. Der Wein sei ein orientalisches Symbol des unvergänglichen Lebens, so der Liturgieexperte. „Das ist vielfältige Symbolik, nicht zufällig gewählt.“

Hostie und Oblate

Hostie, lat. hostia, bedeutet „Schlachtopfer, Opfertier“. Der Begriff Oblate stammt von lat. oblatus, „dargebracht“

Zur Frage Gluten oder nicht sagte der Experte: „Wenn man das Gluten aus dem Weizen entfernt, ist es dermaßen verändert, dass es nicht mehr reines Weizenmehl ist.“ Dadurch könne es nicht mehr die Materie für die Eucharistie sein. Deshalb gebe es glutenreduzierte Hostien, die für Menschen mit Unverträglichkeit meistens keine Probleme verursachten. Bei einer starken Glutenunverträglichkeit oder wenn keine solchen Hostien verfügbar sind, können Gläubige statt Brot den konsekrierten Wein zur Kommunion bekommen.

Traubensaft unter Umständen zulässig

Man müsse als Gläubiger ja auch nicht unbedingt jedes Mal in jeder Messfeier zur Kommunion gehen, auch wenn es natürlich wünschenswert wäre, so der Theologe - einmal im Jahr ist es jedoch vorgeschrieben. „Es betrifft eher den zelebrierenden Priester, der ja beide Gestalten empfangen muss.“ Hier ist, im Fall etwa einer Alkoholkrankheit, Traubensaft statt Wein zulässig, was aber einer ausdrücklichen Genehmigung durch den Ortsbischof bedarf (früher sogar der Glaubenskongregation in Rom).

Doch fehlt hier nicht, ebenso wie bei den Hostien das Gluten, ein entscheidender Bestandteil? Das denkt Feulner nicht, denn Traubensaft enthält, was einem oft gar nicht bewusst ist, auch eine sehr geringe Menge Alkohol - er ist also „quasi stark alkoholreduzierter Wein“.

Es sei wichtig und „Aufgabe der Kirche“, dass die Bischöfe darauf achten, den Gläubigen eucharistiefähige Materie garantieren zu können, sagte der Liturgieexperte. „Die Kirche fordert Gewissheit für die Gültigkeit der für die Sakramente verwendeten Materie - Regeln, die schon seit Jahrhunderten einzuhalten sind.“

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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