Zehn Jahre 24-Stunden-Pflege in Österreich

Seit zehn Jahren können pflegebedürftige Personen 24 Stunden zuhause betreut werden. Etwa 62.000 Betreuer bieten in Österreich ihre Dienste an. Organisationen wie Caritas und Diakonie fordern nun den weiteren Ausbau.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) nimmt das zehnjährige Bestehen der 24-Stunden-Betreuung in Österreich zum Anlass, um weitere Entwicklungsschritte in dieser Branche zu fordern. Zur BAG gehören Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe.

BAG-Vorsitzender und Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger hält in einer Aussendung vom Montag fest, „dass es die richtige Entscheidung war, die Dienstleistung aus der Illegalität zu holen“. „Knapp sechs Prozent aller Pflegegeldbezieher nutzen diese Form der Betreuung und etwa 62.000 Personenbetreuer mit aktivem Gewerbeschein bieten hierzulande ihre Dienste an. Im Sinne einer alternden Gesellschaft muss das Modell jedoch weiterentwickelt und qualitativ sowie ökonomisch abgesichert werden“, so Fenninger.

Ein älterer Herr im Rollstuhl mit einer Betreuerin im Park

APA/Volkshilfe Wien

Zum zehnjährigen Bestehen der 24-Stunden-Betreuung fordern die Trägerorganisationen weitere Schritte, um Betreuung zu ermöglichen

Förderungen erhöhen

Wichtig ist den Hilfsorganisationen die finanzielle Situation. Die Leistbarkeit müsse sichergestellt und die Förderungen valorisieret werden, halten sie in der Aussendung fest. Aufgrund einer nicht erfolgten Wertanpassung müssten Menschen, die Personenbetreuung in Anspruch nehmen, heute einen wesentlich höheren Anteil an den Gesamtkosten selbst tragen, als vor zehn Jahren, so Monika Wild, Leiterin des Bereichs Einsatz und Gesundheit des Österreichischen Roten Kreuzes.

„Die Förderung von 550 Euro pro Betreuungsmonat ist seit ihrer Einführung im Jahr 2007 nominell gleich geblieben. Das bedeutet real eine massive Entwertung: In Zahlen sind es über 15 Prozent oder 84 Euro pro Monat, die die Förderung an Kaufkraft verloren hat“, so Wild. Es sei ein Gebot der Fairness und der sozialen Gerechtigkeit, die Förderung umgehend zu valorisieren. „Alle Menschen sollen weiterhin Zugang zum gesamten Dienstleistungsspektrum haben.“

Gleichzeitig müsse der Fördergeber aber auch die Kontrolle der Leistungen in einem stärkeren Ausmaß als bisher sicherstellen, wie es auch bei mobilen und stationären Pflege- und Betreuungsleistungen in Österreich der Fall ist.

Verbindliche Qualitätsstandards

Für die Vermittlung und Organisation von Personenbetreuung durch Agenturen gelten eigene Standesregeln. Damit sollen gewisse Gütekriterien in allen Bereichen sichergestellt werden. Leider werde die Einhaltung der Standesregeln derzeit nicht gut geprüft, kritisiert die BAG. Außerdem gehen sie nach Ansicht der Gemeinschaft nicht weit genug.

Daher habe die BAG im Jahr 2015 einen gemeinsamen freiwilligen Katalog von Qualitätskriterien erarbeitet, weist Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin vom Hilfswerk Österreich hin. „Unter dem Label ‚Sicher. Kompetent. Fair‘ haben wir uns gegenüber Menschen mit Betreuungsbedarf und ihren Familien sowie auch gegenüber Personenbetreuer zur Umsetzung entsprechender Standards verpflichtet und können so beiden Gruppen Qualität, Transparenz, Sicherheit und Fairness bieten.“

Was fehle, seien, an die Förderung gekoppelte, verbindlich für alle Marktteilnehmer geregelte Mindeststandards, so Anselm.

Unterstützung für Betreuer

Ein wesentliches Kriterium für gelingende Personenbetreuung, gerade bei Menschen mit spezifischen Anforderungen, sei auch eine gezielte fachliche bzw. fachpflegerische Begleitung durch eine Fachkraft, die besonders die Betreuer bei ihrer Arbeit unterstützt, so Diakonie-Direktor Michael Chalupka.

Derzeit müssten die Familien selbst dafür aufkommen – ein Umstand, der viele aus Kostengründen davon abhalten würde, die notwendige fachliche Expertise zur 24-Stunden-Betreuung dazu zu holen, so Chalupka. „Wir fordern, diese Lücke durch die Einführung eines Betreuungsmodells ‚24-Stunden-Betreuung plus‘ zu schließen."

Mit einer zusätzlichen Förderung durch die öffentliche Hand für diese Besuche durch eine Pflegefachkraft solle eine qualitätsvolle und stabile, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Betreuungssituation in den Haushalten gefördert, und auch für Menschen mit „weniger großen Geldbörsen“ der Zugang zu einer bedarfsorientierten, qualitätsvollen Personenbetreuung sichergestellt werden, betonte Chalupka.

Systematische Fortbildungen gefordert

Wie in jeder anderen Berufsgruppe seien Fortbildungsmaßnahmen auch in der Branche der Personenbetreuung für die Qualität der Dienstleistung ausgesprochen förderlich, so Bernd Wachter, Generalsekretär der Caritas Österreich. Gerade der Umgang mit belastenden Arbeitssituationen wie etwa im Fall von Demenz oder auch Mobilisation und Konfliktmanagement müsse erlernt werden, so Wachter.

Mit dem Aufbau eines Regelsystems für die Fortbildung von Personenbetreuern würde sich die Betreuungsqualität flächendeckend steigern lassen, ist Wachter überzeugt. Dazu brauche es ein gemeinsames System von definierten Kursinhalten und geregelten Finanzierungsstrukturen, das für alle Anbieter von Fortbildungen für Betreuer offen steht.

Fairness für Klienten und Betreuer

Für Erich Fenninger stehen das Wohl der zu Betreuenden und Fairness gegenüber den Betreuern im Mittelpunkt. „So lange wie möglich im eigenen Zuhause leben, auch wenn Pflege und Betreuung notwendig werden: Das ist der Wunsch vieler Menschen. Für eine künftig tragfähige Gestaltung dieses Angebots bedarf es – wie in der Entstehungsphase – einer neuerlichen politischen Anstrengung, um das Modell der 24-Stunden-Betreuung zukunftsfit zu halten.“

religion.ORF.at

Links: