Anteil der Muslime in Österreich bei acht Prozent

Wie Säkularisierung und Migration die religiöse Zusammensetzung in Österreich verändern, zeigt eine Studie, die am Freitag veröffentlich worden ist. Eine politisch brisante Zahl ist der Anteil der Muslime, der seit 2001 von vier auf acht Prozent stieg.

Die stärkste Religionsgemeinschaft bleibt mit 64 Prozent die römisch-katholische Kirche. Den größten Zuwachs verzeichnete der Anteil an der Bevölkerung ohne Religionszugehörigkeit: Er stieg von zwölf auf 17 Prozent.

Unter dem Titel „Demographie und Religion in Österreich“ hatte ein Team um Anne Goujon vom Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das von Wittgenstein-Preisträger Wolfgang Lutz geleitet wird, die gegenwärtige religiöse Zusammensetzung der österreichischen Bevölkerung sowie mögliche zukünftige Entwicklungen in den kommenden 30 Jahren analysiert und die Ergebnisse online zur Verfügung gestellt.

Keine Daten zu Religionszugehörigkeit

Seit der letzten Volkszählung im Jahr 2001, bei der noch Informationen zur Religionszugehörigkeit der Bevölkerung abgefragt wurden, wurden keine Daten zur Zusammensetzung nach Konfessionen in Österreich mehr erhoben. Im Jahr 2011 ging Österreich zu einer vollständig registerunterstützten Form der Volkszählung über, im Zuge derer keine Daten zur religiösen Zugehörigkeit verfügbar sind. Solche Daten werden zwar im Zentralen Melderegister (ZRM) gesammelt, allerdings ist niemand verpflichtet, Angaben zum religiösen Bekenntnis auf dem Meldezettel zu machen.

Daher müssen Schätzungen angestellt werden, um die aktuelle Zusammensetzung der Bevölkerung Österreichs und Wiens nach Konfessionen zu beziffern. Aus diesem Grund wurde die Bevölkerungszahl aus dem Jahr 2016 rekonstruiert, indem Methoden der Bevölkerungsprognosen angewandt wurden. Die im Jahr 2001 erhobenen Zahlen dienten dabei als Datenbasis.

Die vorliegende Publikation ist eine Zusammenfassung des ausführlicheren Forschungsberichts „Religious Denominations in Austria: Baseline study for 2016 - Scenarios until 2046“ und stellt die zentralen Erkenntnisse des gleichnamigen Studienprojekts dar. „Entscheidend für die zukünftige demografische Entwicklung Österreichs in Bezug auf die religiöse Zusammensetzung sind Faktoren wie die Anzahl von Kindern pro Frau, Zuwanderung und Säkularisierung“, so eine Presseaussendung des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), der die Erstellung der Studie unterstützte.

Stärkster Zuwachs bei Religionslosen

Seit der letzten Volkszählung im Jahr 2001 haben sich laut Studie die religiösen Zugehörigkeiten in Österreich deutlich verändert: Bekannten sich vor 15 Jahren noch drei Viertel aller Österreicherinnen und Österreicher zum römisch-katholischen Glauben, sank ihr Anteil seither auf unter zwei Drittel (64 Prozent). Den stärksten Zuwachs gab es in den vergangenen 15 Jahren bei der Bevölkerung ohne Religionszugehörigkeit: Waren es 2001 noch zwölf Prozent, waren es im Jahr 2016 17 Prozent.

Straßenszene in Wien

ORF.at/Dominique Hammer

Die Zusammensetzung der Religionen in Österreich verändert sich

Einen starken Zuwachs verzeichnete auch der muslimische Bevölkerungsanteil. Der Anteil an Muslimen in Österreich verdoppelte sich von vier auf acht Prozent. Das entspricht in absoluten Zahlen heute rund 700.000 Muslimen in ganz Österreich. Die Zahl der orthodoxen Christen stieg von zwei Prozent auf fünf Prozent (rund 400.000 Personen). Der Anteil an Evangelischen blieb in den letzten Jahren konstant bei fünf Prozent.

Migration verändert religiöse Zusammensetzung

Die Bundeshauptstadt Wien hatte bereits bei der letzten Volkszählung 2001 einen hohen Anteil von Personen nicht christlicher sowie ohne Religionszugehörigkeit. In den vergangenen 15 Jahren haben sich die religiösen Zugehörigkeiten in Wien deutlich verändert: Der Anteil der römisch-katholischen Bevölkerung sank von 49 Prozent (2001) auf 35 Prozent, während der Anteil an Personen ohne Religionszugehörigkeit von 26 Prozent (2001) auf 30 Prozent (2016) stieg.

Die Studie des Vienna Institute of Demography benennt Migration als größten Faktor für die religiöse Zusammensetzung in Wien: Der Anteil an Muslimen stieg von acht Prozent (2001) auf 14 Prozent (2016), das entspricht in absoluten Zahlen rund 260.000 Personen, gefolgt von Orthodoxen, die von sechs Prozent (2001) Bevölkerungsanteil in Wien auf zehn Prozent (2016) zunahmen.

Vier Zukunftsszenarien

Die Forschung von Studienleiterin Goujon erstellte vier mögliche Szenarien der religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung in Österreich:

Szenario eins (europäische Mobilität): Sollten in Zukunft vor allem Menschen aus dem europäischen Raum nach Österreich zuwandern, kommt es zu einem Anstieg der Konfessionslosen (25 Prozent), da es in den meisten europäischen Staaten Säkularisierungstendenzen gibt. In diesem Szenario würde der Bevölkerungsanteil von Katholiken in Österreich 2046 bei 45 Prozent liegen, jener der Muslime bei 14 Prozent.

Szenario zwei (Diversität): Im Gegensatz zum Szenario „Europäische Mobilität“ berücksichtigt dieses Szenario jüngste Entwicklungen der Migration, die nicht nur durch europäische Zuwanderung, sondern auch durch stärkere nicht europäische Migration aus Ländern des Nahen Ostens geprägt ist. Ähnlich wie beim ersten Szenario geht man dabei von einem Rückgang der Zahl an Katholiken auf 45 Prozent sowie einem Anstieg der Zahl an Konfessionslosen (24 Prozent) und Muslimen (17 Prozent) aus.

Religionsfaktor Zuwanderung

Szenario drei (geringe Zuwanderung): Unter der Annahme, dass die Migration nach Österreich in Zukunft abnimmt und zum Stillstand kommt, wären künftige Entwicklungen hauptsächlich auf religiöse Mobilität sowie Fertilität zurückzuführen. Dieses Szenario geht davon aus, dass der Anteil der Konfessionslosen bis 2046 auf 28 Prozent steigen wird. Die Zahl der Katholiken sinkt auch in diesem Szenario auf unter 50 Prozent, während Muslime dann einen Bevölkerungsanteil von zwölf Prozent ausmachen.

Szenario vier (starke Zuwanderung): Dieses Szenario geht von einer hohen Zuwanderung aus dem Nahen Osten und Afrika aus, die zu einem bedeutenden Anstieg des Anteils der Muslime in Österreich (21 Prozent im Jahr 2046) führen würde. In Wien könnte gemäß diesem Szenario in 2046 nahezu jede/r Dritte (30 Prozent) Muslim/-in sein. Muslime würden damit in 30 Jahren die größte religiöse Gruppe in Wien darstellen.

Religiöse Vielfalt steigt

Die Migrationszahlen der Szenarien sind laut Presseaussendung mit den aktuellen Bevölkerungsprognosen der Statistik Austria abgestimmt. Alle Szenarien der Studie ermitteln einen Anstieg der religiösen Diversität in Österreich. Aus heutiger Sicht, so die Wissenschaftlerinnen, erscheinen die Szenarien „Europäische Mobilität“ und „Diversität“, die auf demografischen und religiösen Trends der vergangenen zehn Jahre basieren, plausibler als die Szenarien der hohen oder geringen Zuwanderung.

religion.ORF.at

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