Theologe: Liberaler Islam erstickt in Morddrohungen

Der Ex-Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat den Kirchen eine Verharmlosung des religiösen Hintergrunds von Terroranschlägen vorgeworfen und kritisiert, dass die liberale Islamtheologie in Morddrohungen ersticke.

Weil der Islamismus immer auch islamfeindliche Stimmung provoziere, unterbleibe teils Aufklärung, sagte er in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Donnerstag-Ausgabe). Toleranz brauche auch die Zurückweisung inakzeptabler Positionen, so der demnächst 75-jährige evangelische Bischof, der von 2003 bis 2009 EKD-Ratsvorsitzender war. Er sprach sich für „klare Worte“ in der Debatte über den Islam und Islamismus aus.

Religion an sich gewährleiste noch keinen Zusammenhalt. Auch das Christentum habe mühsam lernen müssen, „dass Selbstkritik ein Segen ist“, sagte Huber unter Verweis auf die Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken.

„Kultur der Selbstgerechtigkeit“

Generell brauche es eine neue Streitkultur. „Wir erleben eine neue Subkultur der Selbstgerechtigkeit“, kritisierte Huber. Dadurch verhärteten sich die politischen Fronten. „Wir müssen schleunigst aufhören, uns gegen unliebsame Meinungen abzuschotten.“ Menschenfeindliche Äußerungen verdienten eine klare Absage. Zugleich könne sich jeder fragen, wann er einem politischen Gegner zuletzt nicht ausgewichen sei. „Hier kommt es eben nicht nur darauf an, dessen Meinung zu widerlegen, sondern ihm als Person Respekt zu erweisen.“

Im Hinblick auf den deutschen Bundestagswahlkampf forderte der Theologe, die Parteien müssten „sofort aufhören mit der Selbstgerechtigkeit“. Sie sollten sich nicht in Gruppen Gleichgesinnter verschanzen und über jene herziehen, mit denen sie uneins seien. Selbstgerechtigkeit töte den öffentlichen Diskurs, warnte Huber.

Kritik an Debatte über Flüchtlinge

Mehr Nüchternheit forderte der evangelische Theologe auch in der Flüchtlingsdebatte. Es gelte, „sachkundig und mit Augenmaß zu helfen“, sagte er. Der Anspruch auf Menschenwürde müsse in Politik umgesetzt werden, „die Fluchtursachen bekämpft und sich nicht in einer Rhetorik des Erbarmens erschöpft“.

Eine kürzlich veröffentlichte Richtlinie der EKD zum Thema sehe er nicht als Beitrag zur Debatte, so Huber weiter. Es werde zu wenig nach politischen Handlungsmöglichkeiten gesucht. „Die einen entziehen sich dieser Aufgabe dadurch, dass sie mutige Schritte von vornherein für unmöglich erklären. Andere ziehen sich auf allgemeine moralische Überzeugungen zurück und überdehnen sie dabei.“ Aus der Aussage, dass die Nächstenliebe keine geografischen Grenzen kenne, lasse sich nicht ableiten, „dass wir allen gleichzeitig helfen können“.

Religiös Verfolgten Asyl gewähren

Die Flüchtlinge würden zu einer „Projektionsfläche für apokalyptische Zukunftsszenarien, aber auch für verharmlosende Euphorie“, sagte Huber. Dabei gelte es, die Fluchtgründe zu unterscheiden. Wer aus einem Bürgerkrieg fliehe, sei kein Asylbewerber, sondern genieße subsidiären Schutz. Das gelte, so sagte Huber, insbesondere für Opfergruppen wie Christen und Jesiden: „Menschen, die unter religiöser Verfolgung leiden, sollen unser Land erreichen können.“

Die Hoffnung von Wirtschaftsmigranten auf ein besseres Leben sei legitim, so Huber. „Aber ebenso legitim sind die Interessen des aufnehmenden Landes. Für diese Menschen brauchen wir dringend ein Einwanderungsgesetz.“ Deutschland müsse auch die anderen europäischen Länder in die Pflicht nehmen - und „darauf achten, dass unser Land nicht überfordert wird“.

religion.ORF.at/KAP

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