Papst grüßt den ältesten Bischof der Welt in Chile

Papst Franziskus hat den weltweit ältesten Bischof der katholischen Kirche, den 102-jährigen emeritierten Erzbischof Bernardino Pinera Carvallo, gegrüßt.

„Er ist der älteste Bischof der Welt, nicht nur dem Lebensalter, sondern auch dem Weihealter nach“, sagte der Papst am Dienstag in der Kathedrale von Santiago de Chile. Pinera Carvallo werde dieses Jahr seinen sechzigsten Bischofsweihetag begehen, sagte Franziskus. Der Erzbischof von La Serena ist Onkel des gewählten Staatschefs von Chile, Sebastian Pinera, der am 11. März das Amt von Michelle Bachelet übernehmen soll.

Papst Franziskus in der Kathedrale von Santiago

APA/AFP/Vincenzo Pinto

Papst Franziskus grüßt den ältesten Bischof der Welt in Chile

Papst an Kirche in Chile: Stellt euch der Realität

In einer Rede vor Priestern und Ordensleuten rief der Papst die katholische Kirche in Chile zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme auf. Angesichts von Missbrauchsfällen, öffentlicher Kritik und großen gesellschaftlichen Veränderungen dürfe sie sich nicht einschließen oder von früheren Zeiten träumen, sagte er am Dienstagabend (Ortszeit) in der Kathedrale von Santiago vor etlichen Hundert Geistlichen und Ordensleuten.

„Wir sind, ob es uns gefällt oder nicht, dazu aufgerufen, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist. Unsere persönliche Realität, die der Gemeinschaft und der Gesellschaft“, hob Franziskus hervor.

Ordensschwestern begrüßen Papst Franziskus vor der Kathedrale von Santiago

APA/AFP/Vincenzo Pinto

Ordensschwestern begrüßen Papst Franziskus vor der Kathedrale von Santiago

Erneut sprach er dabei „das schwere und schmerzhafte Übel“ des Missbrauchs an sowie Schmerz und Leid, die das auch für Mitglieder und Mitarbeiter der Kirche bedeute: etwa auf der Straße oder in der U-Bahn beschimpft zu werden. „Aus diesem Grunde schlage ich vor, dass wir Gott um die klare Einsicht bitten, die Realität beim Namen zu nennen, um die Kraft zur Vergebung zu bitten und um die Fähigkeit, auf das zu hören, was er uns sagt.“

Papst vergleicht Lage der Kirche mit Petrus

Santiagos Erzbischof, Kardinal Andrello Ricardo Ezzati, hatte in seiner Begrüßung bereits von „schwierigen Stunden der Unruhe und großen Herausforderungen“ für die chilenische Kirche gesprochen. Neben der „Treue der großen Mehrheit“ seien auch „das Unkraut des Bösen und als dessen Folge Skandale und Glaubensabfall gewachsen“.

Der Papst verglich die Lage der Kirche in Chile mit der Situation des enttäuschten Petrus nach dem Tod Jesu. So wie dieser nach Galiläa zurückkehrte und vom Fischen mit leeren Netzen zurückkam, fühlten sich viele kirchliche Mitarbeiter. Mit der dreimaligen Frage, „Petrus, liebst du mich?“, habe der auferstandene Christus Petrus davor bewahren wollen, auf seinem Versagen von Verleugnung und Zweifeln „herumzukauen“. Stattdessen habe er Petrus gestärkt, indem er ihm vergab.

„Priester keine Superhelden“

Wie Petrus seien auch Priester, Ordensleute und Seminaristen „keine Superhelden“, sondern "Männer und Frauen, „die sich bewusst sind, dass ihnen vergeben worden ist“. Daher sollten die Katholiken in Chile ihre Wunden nicht verbergen oder verstecken. Denn „eine verwundete Kirche kann die Wunden der Welt von heute verstehen und sich diese zu eigen machen, sie erleiden, begleiten und zu heilen versuchen“, so Franziskus in der Rede, die zudem auf den Platz vor der Kirche übertragen wurde.

Er sei „etwas besorgt“, wenn kirchliche Gemeinschaften versuchten, „groß herauszukommen“. Stattdessen sollten sie die Ärmel hochkrempeln und sich um das Leid der Menschen kümmern. Denn diese erwarteten nicht, noch bräuchten sie Superhelden, sondern hofften auf Hirten, die Mitleid haben, sich Zeit nehmen und helfen.

Vor seinem Treffen mit Priestern und Ordensleuten besuchte Papst Franziskus ein Frauengefängnis in Santiago.

Besuch im Frauengefängnis

Bei seinem Besuch im Frauengefängnis von Santiago de Chile hat Papst Franziskus den Gefangenen Mut zugesprochen. Er forderte eine bessere Wiedereingliederung für Häftlinge. „Die Gesellschaft hat die Pflicht, euch alle zu reintegrieren“, sagte er.

„Jede Anstrengung beim Kampf für ein besseres Morgen wird belohnt werden - auch wenn sie oft erfolglos erscheinen mag“, sagte der Papst am Dienstagnachmittag (Ortszeit) in der Haftanstalt „San Joaquin“: „Heute seid ihr eurer Freiheit beraubt, aber dies bedeutet nicht, dass diese Situation das Ende ist. Keineswegs!“, wandte sich Franziskus an die inhaftierten Frauen.

In Anwesenheit der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet mahnte Franziskus zudem, die öffentliche Sicherheit nicht nur durch mehr Kontrolle zu stärken. Ebenso brauche es Prävention durch mehr Arbeit, Bildung und Gemeinschaft.

Gefangene bittet um Vergebung

Zu Beginn der 45-minütigen Begegnung mit rund 500 Insassinnen des Gefängnisses war der Papst von der Anstaltsleitung, Gefängnisseelsorgern und Gefangenen mit ihren Kindern unter lautem Jubel als „Freund“ begrüßt worden. Eine Gefangene berichtete von ihrem Schicksal und dem vieler minderjähriger Mütter und ihrer Kinder in der Haft.

Dabei rief sie zu Änderungen im Justizsystem auf. „Unsere Kinder sollen nicht die Verurteilten von morgen sein, sie sollen frei aufwachsen dürfen“, sagte die Frau. Sie bat auch im Namen ihrer Mitgefangenen „alle um Vergebung“, die sie mit ihren „Straftaten geschädigt haben“.

Papst dankt der Gefangenen

Franziskus dankte der Frau ausdrücklich für den „Mut und die Demut“ ihres Bekenntnisses. Um Vergebung zu bitten, sei für jeden Menschen notwendig. Niemand sei ohne Sünde.

„San Joaquin“ ist eines der ältesten Gefängnisse des Landes. Wie viele südamerikanische Haftanstalten ist auch sie überbelegt: Obwohl das Gefängnis für 855 Insassinnen ausgelegt ist, sind dort derzeit mehr als 1.400 Frauen untergebracht. Die Kirche kritisiert die Zustände seit langer Zeit. „Leider wird in Chile die Armut eingesperrt“, sagte Sr. Nelly Leon, die den Papst im Namen der Gefängnisseelsorger begrüßt hatte.

Nach dem Besuch im Gefängnis begab sich Franziskus zur Plaza de Armas in der Innenstadt. In der Kathedrale von Santiago fand im Anschluss eine Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen statt.

religion.ORF.at/APA/KAP/AFP/dpa

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