Atmen der Seele, Pulsschlag der Religion

Gebete aus vielen Religionen und Kulturen aus allen Teilen der Welt hat der Religionswissenschaftler Bernhard Lang in einem Band zusammengetragen.

„Atmen der Seele, Pulsschlag der Religion, Weg zum Herzen Gottes“ - die 2018 neu aufgelegte Anthologie „Erhelle meine Nacht. Die 100 schönsten Gebete der Menschheit“ zeigt den universellen Charakter von Gebeten - aber auch, wie speziell sie sein können. Herausgeber Lang ist emeritierter Professor für Altes Testament und Religionswissenschaft an der Universität Paderborn und der University of St. Andrews in Schottland.

Er unterteilt die Gebete in vier Kategorien: Zufluchtnahme und Reinigung; Bitte und Klage; Lob und Dank sowie Liebe zu Gott, Annahme seines Willens. Die Sammlung besteht zu einem Drittel aus christlichen Gebeten, Psalmen und Anrufungen durch Mystikerinnen, Kirchenväter und Dichter.

Auch Gebete schriftloser Völker

Zeugnisse schriftloser Völker finden sich aber ebenso - sie drückten ihre Gebete etwa mittels Zeichnungen aus, die „übersetzt“ worden sind. Die alten Hochkulturen wie Ägypten und das assyrische Reich, die griechisch-römische Antike, Judentum und Islam sowie Hinduismus und Shintoismus sind ebenfalls vertreten.

Buchhinweis

Buchcover "Erhelle meine Nacht. Die 100 schönsten Gebete der Menschheit"

C H Beck Verlag

Bernhard Lang (Hg.): Erhelle meine Nacht. Die 100 schönsten Gebete der Menschheit. C H Beck, 171 Seiten, 14,40 Euro

Nicht zuletzt sind die „Zeugnisse von großer Schönheit“ (Lang) auch Dokumente der Lebensumstände vieler Völker. Anrührend liest sich etwa eine "Hymne an Artemis als Geburtshelferin (2. Jh. n. Chr.), die „Löserin der Not in schrecklichen Ängsten"“. Hier findet man die ganze Hilflosigkeit, mit der Menschen in der Antike Gefahren und Schmerzen ausgesetzt waren.

Essen, Wetter, böse Mächte

Die Auswahl und die schlichte, aber aussagekräftige Bebilderung macht das Buch auch für Menschen, die das Beten nicht praktizieren interessant, weil es Einblicke in Grundbedürfnisse der Menschheit gibt: Nahrung, gutes Wetter, Trost und Schutz vor bösen Mächten, Naturkatastrophen, Gnade und Abwendung von Strafen, Schmerzen und Tod.

Amüsant sind einige der Gebete auch, etwa wenn es um Selbstkritik geht wie bei Fjodor Dostojewski (1821-1881), in dessen „Die Brüder Karamasow“ eine seiner Figuren fleht: „Herr, nimm mich auf, mit all meinen Freveltaten, aber richte mich nicht. ... Eklig bin ich, aber ich liebe dich.“

Anrufung der Wiesenmaus

Die Anrufung „An die Wiesenmaus“ der Dakota-Indianer ist einer der überraschenderen Texte, die vollkommen andere Sicht dieser Kultur auf die Welt erstaunt: "Du, die du heilig bist, habe Mitleid mit mir und hilf mir. Du bist nur klein, aber doch groß genug, deinen Platz in der Welt auszufüllen. (...)

Im Kontrast dazu dann die ganze Wucht von Macht und Gewalt, die ein vedischer Text dem Gott Indra zutraut: „Ein Herrscher bist du, gewaltig und hehr, ein Vertilger der Feinde, dem niemand gleicht (...).“

Anleitung zum „richtigen Beten“

Der römische Philosophenkaiser Marc Aurel (121-180 . Chr.) hinterließ selbst eine Anleitung zum „richtigen Beten“. Er zitiert ein „Gebet der Athener: ‚Lass es regnen, lass es regnen lieber Zeus, auf die Felder der Athener und die Fluren!‘ Entweder soll man gar nicht beten oder auf diese Art, so schlicht und edelgesinnt.“

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

Link:

  • Buch: Philosophische Impulse in Zeiten von Corona
    Sechzehn fiktive Gespräche gewähren Einblick in die Gedankenwelt des österreichischen Theologen und Philosophen Clemens Sedmak während des Corona-bedingten Lockdowns. Ein Buch über Umbrüche, Freiheiten und Verantwortungen.
  • Film: Ein Ex-Häftling als Priester
    Ein Ex-Häftling gibt sich in einem Dorf als Priester aus und kommt mit seinem ungewöhnlichen Stil gut an. Der Film „Corpus Christi“ des polnischen Regisseurs Jan Komasa, der am Freitag in die österreichischen Kinos kommt, beruht auf einer wahren Begebenheit.
  • Buch über Kaiser Franz Joseph als Pilger nach Jerusalem
    Kaiser Franz Joseph I., dem Gründervater des Österreichischen Hospizes, widmet dessen aktueller Rektor Markus Bugnyar ein Buch. Unter dem Titel „Reise nach Jerusalem“ beleuchtet der österreichische Priester den Kaiser als Pilger.
  • Lehrgang: Suche nach zeitgemäßer Spiritualität
    Ein im Oktober startender Lehrgang befasst sich an unterschiedlichen Veranstaltungsorten in Österreich mit der Suche nach einer „radikal zeitgenössischen christlichen Spiritualität“.
  • Jubiläumsausstellung im Eisenstädter Diözesanmuseum
    Mit einer doppelten Jubiläumsausstellung hat das Diözesanmuseum Eisenstadt nach der Pause wegen des Coronavirus wieder geöffnet: Mit einer neuen Schau zu 60 Jahre Diözese Eisenstadt und 100 Jahre Land Burgenland.
  • Lizz Görgl unterstützt Gottesdienstbehelf mit Lied
    „Zu mir“ - so lautet der neue Song von Skistar Lizz Görgl, die nach Beendigung ihrer aktiven Sportkarriere als Sängerin tätig ist, und dieses Lied zum jetzt erschienen Gottesdienstbehelf der Diözesansportgemeinschaft Österreichs (DSGÖ) beigesteuert hat.
  • Die Macht des Leidens in der Kunst
    Mit Verzögerung ist die Jahresausstellung des niederösterreichischen Stifts Klosterneuburg gestartet. Die Schau „Was leid tut“ zeigt, wie machtvoll das Bild des Leidens die (christliche) Kunst seit Jahrhunderten durchdringt.
  • Jan Assmann spricht über „Religion und Fiktion“
    Der deutsche Religions- und Kulturwissenschaftler Jan Assmann (81) wird im Herbst einer der namhaften Vortragenden beim diesjährigen „Philosophicum Lech“ von 23. bis 27. September sein.
  • NÖ: Stift Altenburg feiert verzögerten Saisonbeginn
    Vom Frühling bis in den Herbst öffnet das Benediktinerstift Altenburg bei Horn in Niederösterreich gewöhnlich seine barocken Räumlichkeiten für Besucherinnen und Besucher. Im Coronavirus-Jahr 2020 startet die Saison mit Verspätung.
  • Stift Kremsmünster zeigt „50 Jahre Mission in Brasilien“
    „50 Jahre Mission in Brasilien“: Auf den Zeitraum 1970 bis 2020 blickt eine Sonderausstellung im oberösterreichischen Stift Kremsmünster zurück, die sich mit der Mission von Benediktinerpatres und Schwestern in der brasilianischen Diözese Barreiras beschäftigt.