Publizist vergleicht Franziskus und Johannes XXIII.

Zahlreiche Parallelen zwischen dem Konzilspapst Johannes XXIII. und seinem derzeitigen Nachfolger Franziskus beobachtet der Publizist Hubert Gaisbauer.

Beiden Kirchenführern sei ein „Blick an die Ränder“ gemeinsam, befand der ehemalige ORF-Journalist und Autor mehrerer Papst-Bücher im Interview mit der Gemeinschaftsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgabe). Beide Päpste hätten sich zudem für eine „Kirche der Armen“ ausgesprochen. Gaisbauer äußerte sich anlässlich des 55. Jahrestages der Veröffentlichung der Friedensenzyklika „Pacem in terris“ vom 11. April 1963.

Welt verstehen jenseits des Schreibtischs

Ähnlich wie Papst Franziskus aus einer lateinamerikanischen Metropole „mit all ihren sozialen Problemen“ nach Rom gekommen sei, sei auch Johannes XXIII. (1958-1963) davon überzeugt gewesen, „dass er die Welt besser versteht als jeder, der im Vatikan an einem Schreibtisch sitzt“, erklärte Gaisbauer. Vor seiner Papst-Wahl war Kardinal Angelo Giuseppe Roncalli nach einer Professur in Rom in Bulgarien und in der Türkei - beide Länder einst auch konfessionell die „Grenzen Europas“ - für den Vatikan tätig. „Ich wage zu behaupten, dass er ohne diese Erfahrungen das Konzil nicht einberufen hätte“, so Gaisbauer.

Johannes XXIII.

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Papst Johannes XXIII.

Vergleiche zog der Publizist auch zwischen den Papstschreiben „Pacem in terris“ und „Laudato si“. Beide seien „Sozialenzykliken in einem weiten Sinne“ und richteten sich ausdrücklich „an alle Menschen guten Willens“. Die Roncalli-Enzyklika habe den Umweltschutz noch nicht im Blick gehabt, wohl aber auch heute noch aktuelle Themen wie die internationale Zusammenarbeit, die Verantwortlichkeit des Staates für den Einzelnen und die Menschenrechte. Letztere seien 1963 ein „Sprung vorwärts“ gewesen für die Kirche, seien die Päpste doch zuvor ablehnend bis kritisch der aus der Aufklärung entstandenen Idee gegenübergestanden.

Passagen über Flüchtlinge

Dass die vor dem Hintergrund der Kubakrise entstandene Enzyklika, die die Kirche zum Dienst an den Menschen schlechthin und zur Verteidigung der Rechte der menschlichen Person aufrief, überrasche auch heute noch, u. a. mit ihren Passagen über Flüchtlinge. Johannes XXIII. habe damals formuliert, es gehöre zu den Rechten der menschlichen Person, „sich in diejenige Staatsgemeinschaft zu begeben, in der man hofft, besser für sich und die eigenen Angehörigen sorgen zu können“, erinnerte Gaisbauer, mit dem Nachsatz: „Heute nennt man solche Menschen Wirtschaftsflüchtlinge“.

Heute müsse die Kirche das von Johannes XXIII. eröffnete Zweite Vatikanische Konzil weiterschreiben, forderte Gaisbauer. „Der Streit um das Konzil hat sich nach den Familiensynoden auf den Umgang mit dem Schreiben ‚Amoris laetitia‘ verlagert. Papst Franziskus zeigt sehr deutlich: Wir stehen auf dem Boden des Konzils, aber es ist geistig noch nicht abgeschlossen.“ Ähnlich sollte auch „Pacem in terris“ erneut gelesen werden. „Wir sollten Päpste nicht nur heiligsprechen, sondern uns auf ihre Vorschläge für das globale Zusammenleben besinnen“, so der Publizist.

religion.ORF.at/KAP

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