Papstkritische Kardinäle berieten über Kurs der Kirche

Papstkritische Kardinäle und konservative Katholiken haben bei einer Tagung in Rom Sorge über den Kurs der Kirche bekundet und dort nicht mit Kritik am Papst gespart: Im Laufe der Geschichte habe der Teufel das päpstliche Lehramt zeitweilig verdunkelt, so ein Kardinal.

An der Veranstaltung unter dem Titel „Katholische Kirche, wohin gehst du?“ nahmen am Samstag neben den Kardinälen Raymond Leo Burke und Walter Brandmüller unter anderen Weihbischof Athanasius Schneider aus dem kasachischen Astana sowie der italienische Philosoph und Politiker Marcello Pera teil, die die unter Papst Franziskus eine zunehmende Verwirrung in der katholischen Lehre sehen. Im Rahmen der Tagung diskutierten die Kardinäle auch die Grenzen der päpstlichen Autorität.

„Echte Gläubige oft Minderheit“

Zum Abschluss veröffentlichten sie eine Erklärung, in der sie die Debatte um eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten als Gefahr für den Glauben und die Einheit der Kirche bezeichnen. Wer bei bestehendem kirchlichen Eheband eine neue Zivilehe eingehe, befinde sich „in objektivem Widerspruch zum Gesetz Gottes“ und könne nicht an der Kommunion teilnehmen.

Kardinal Brandmüller warnte in seinem Beitrag davor, die öffentliche Meinung mit dem „Sinn der Gläubigen“ gleichzusetzen. Wirklich als katholische Stimme zu gelten, verlange Heiligkeit. In der Geschichte des Christentums seien die echten Gläubigen oft eine Minderheit gewesen, so der emeritierte Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft.

Kardinal Walter Brandmüller (links) und Kardinal Raymond Burke (rechts)

Reuters/Remo Casilli

Kardinal Raymond Leo Burke und Kardinal Walter Brandmüller

Teufel „verdunkelte“ päpstliches Lehramt

Kardinal Burke, früherer Präfekt des obersten Kirchengerichts der Apostolischen Signatur, betonte, die Lehrautorität des Papstes leite sich von seinem Gehorsam zu Christus her. Der Papst könne das Kirchenrecht nur insoweit interpretieren, um es zur eigentlichen Geltung zu bringen, nicht aber, um es zu untergraben.

Weihbischof Schneider machte Ignoranz oder Verachtung der Wahrheit als Ursache für zahlreiche Missstände aus. Im Lauf der Geschichte habe der Teufel sogar das päpstliche Lehramt zeitweilig verdunkelt und Verwirrung in der Kirche gestiftet. Jeder Papst müsse sich bewusst sein, nicht „Besitzer des Lehrstuhls der Wahrheit“, sondern nur dessen Diener zu sein.

Kardinäle veröffentlichten „Dubia“

Brandmüller und Burke hatten im November 2016 gemeinsam mit den inzwischen verstorbenen Kardinälen Joachim Meisner und Carlo Caffarra die sogenannten „Dubia“ („Zweifel“) veröffentlicht; darin forderten sie Papst Franziskus zur Klarstellung einiger Punkte in seinem Schreiben „Amoris laetitia“ zu Ehe und Familie auf. Diese Bitte, die von einer Million Katholiken unterstützt werde, sei „bis heute nicht gehört worden“, hieß es in der am Samstag verbreiteten Erklärung.

Kritik an China-Deal per Video

Kardinal Joseph Zen Ze-kiun nutzte das Treffen, um seine Sorge über die China-Politik des Heiligen Stuhls zu bekunden. Die Stimmen chinesischer Christen kämen nicht im Vatikan an, beklagte der frühere Bischof von Hongkong in einer Videobotschaft.

Er fürchte, dass man im Zentrum keine wirklich hilfreichen Entscheidungen für die Kirche in der „Peripherie“ China treffe, so der 86-Jährige. Der im Februar aufgezeichnete Beitrag wurde am Samstagabend bei der Tagung gezeigt. Kardinal Zen nannte in dem Videobeitrag vom Februar das Fehlen von Kommunikation zwischen der römischen Kurie und der Ortskirche eine „echte Besorgnis“. Indirekt kritisierte er den Vatikan, die Verhältnisse chinesischer Katholiken nicht zu kennen.

Kardinal Zen „Fehler, nicht beim Papst“

Zuvor hatte Zen im Jänner dem Vatikan einen „Ausverkauf der katholischen Kirche in China“ vorgeworfen. Hintergrund war ein neuer Einigungsversuch zwischen dem Heiligen Stuhl und der kommunistischen Regierung in der Frage der Bischofsernennungen.

Mittlerweile änderte Zen seine Sichtweise. In einem ebenfalls am Wochenende veröffentlichten Interview der deutschen Nachrichtenagentur KNA vertrat der Kardinal die Auffassung, Papst Franziskus sei besser informiert und „in Sorge über die Angelegenheit“. Zugleich äußerte er sich „überzeugt, dass Leute in seinem Umfeld, wie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, ein Abkommen um jeden Preis wollen. Da liegt der Fehler, nicht beim Papst“, so Zen.

religion.ORF.at/KAP

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