Westeuropäer sehen sich mehrheitlich als Christen

Die Westeuropäer sehen sich mehrheitlich als Christen, die meisten praktizieren ihre Religion aber nicht. Sie unterscheiden sich von Konfessionslosen in ihren Ansichten über diverse gesellschaftliche Themen, ergab eine Studie des Pew Research Center.

Westeuropa, die Geburtsstätte des Protestantismus und historisch der Hauptsitz des Katholizismus, ist heute eine der säkularsten Regionen der Welt. Auch wenn die weitaus überwiegende Mehrheit der Erwachsenen angebe, getauft zu sein, würden sich heute viele nicht als Christen beschreiben, so der Tenor der Studie „Christ sein in Westeuropa“ des US-Forschungsinstituts. Dennoch sei die christliche Identität „immer noch ein bedeutsamer Marker in Westeuropa“, auch für diejenigen, die nur selten in die Kirche gehen.

Grafik zum Thema Christen in Westeuropa

Pew Research Center

Manche der zwischen April und August 2017 in 15 Ländern in 24.599 Telefoninterviews Befragten gaben laut Pew Research an, sich allmählich von der Religion entfernt zu haben, nicht länger an religiöse Lehren zu glauben oder sich aufgrund von Skandalen oder den kirchlichen Positionen zu sozialen Fragen distanziert zu haben.

Selten im Gottesdienst

Die meisten befragten Erwachsenen betrachten sich allerdings immer noch als Christen, auch wenn sie selten einen Gottesdienst besuchen. Tatsächlich zeigt die Studie, dass nicht praktizierende Christen, die im Rahmen der Studie als Personen definiert werden, die sich als Christen betrachten, aber nicht mehr als ein paar Mal im Jahr an einem Gottesdienst teilnehmen, den größten Anteil an der Bevölkerung in der Region stellen.

In jedem Land mit Ausnahme Italiens sind diese Personen zahlreicher als praktizierende Christen (definiert als Personen, die mindestens einmal im Monat einen Gottesdienst besuchen). In Großbritannien und Nordirland etwa gibt es laut dieser Definition etwa dreimal so viele nicht praktizierende (55 Prozent) wie praktizierende Christen (18 Prozent).

Nicht praktizierende Christen überwiegen

Die Zahl der nicht praktizierenden Christen übersteigt in den meisten befragten Ländern auch die Zahl der Personen ohne Religionszugehörigkeit. Das sind Personen, die sich selbst als Atheisten, Agnostiker oder „keiner bestimmten religiösen Gemeinschaft angehörig“, manchmal auch als „konfessionslos“ bezeichnen.

Außerdem ergab die Untersuchung, dass Katholiken und Protestanten insgesamt ihre Religion in ganz Westeuropa in ähnlichem Umfang ausüben. Allerdings unterscheiden sich Katholiken und Protestanten in der Region offenbar im Hinblick auf ihre Einstellungen gegenüber religiösen Minderheiten.

Die Pew-Studie untersuchte nicht nur traditionelle christliche Überzeugungen und Verhaltensweisen, sondern auch die „Einstellungen von Europäern gegenüber fernöstlichen spirituellen Ansätzen und Praktiken sowie (...) der New-Age-Bewegung, Meinungen über die Rolle religiöser Einrichtungen in der Gesellschaft und Meinungen in Bezug auf nationale Identität, Einwanderer und religiöse Minderheiten“.

Gefühle gegenüber Einwanderern unterschiedlich

Dabei zeigte sich unter anderem eine Neigung zu „negativen Gefühlen gegenüber Einwanderern und religiösen Minderheiten“ bei Personen, die sich als Christen betrachten. Alles in allem würden Personen, die sich selbst als Christen identifizieren – unabhängig davon, ob sie am Gottesdienst teilnehmen oder nicht –, eher als Konfessionslose negative Ansichten über Einwanderer, Muslime und Juden äußern.

So sagen beispielsweise in Großbritannien und Nordirland 45 Prozent der praktizierenden Christen, dass der Islam grundsätzlich nicht mit britischen Werten und der britischen Kultur vereinbar sei. Diese Ansicht wird auch von etwa demselben Anteil der nicht praktizierenden Christen (47 Prozent) vertreten. Hingegen sagt ein geringerer Anteil der konfessionslosen Erwachsenen (30 Prozent), dass der Islam grundsätzlich nicht vereinbar mit den Werten ihres Landes sei.

Haltung gegenüber Islam variiert

Hier zeigen sich die Unterscheide zwischen Katholiken und Protestanten: So neigen Katholiken eher als Protestanten dazu, negative Ansichten über Muslime zu vertreten. Katholiken neigen eher als Protestanten dazu zu sagen, dass sie nicht bereit seien, Muslime als Mitglieder in ihrer Familie zu akzeptieren, und dass muslimische Frauen in ihrem Land keine religiös begründete Kleidung tragen dürfen sollten.

Katholiken stimmten auch eher der Aussage „Aufgrund der hohen Anzahl an Moslems bei uns fühle ich mich wie ein Fremder im eigenen Land“ zu. Generell befürworten Christen eher als Konfessionslose, dass es muslimischen Frauen nicht gestattet sein sollte, religiös begründete Kleidung zu tragen.

Eglise Notre-Dame-de-la-Croix de Menilmontant in Paris

APA/AFP/Philippe Lopez

Die meisten nicht praktizierenden Christen in Europa glauben an Gott (Bild: Eglise Notre-Dame-de-la-Croix de Menilmontant in Paris)

Nicht praktizierende Christen neigen laut der Untersuchung auch weniger als praktizierende Christen dazu, nationalistische Einstellungen zu vertreten. Trotzdem sagten sie eher als Konfessionslose, dass ihre Kultur anderen Kulturen überlegen sei und dass es notwendig sei, die nationale Abstammung eines Landes zu haben, um die nationale Identität dieses Landes teilen zu können (z. B. „muss“ man spanische Vorfahren haben, um wirklich spanisch zu sein), so die Studie.

Vorstellung von Gott variiert

Die meisten nicht praktizierenden Christen in Europa glauben an Gott. Allerdings weicht ihre Vorstellung von Gott wesentlich von der Gottesvorstellung ab, zu der Christen tendieren, die regelmäßig in die Kirche gehen. Während die meisten praktizierenden Christen angeben, an einen Gott zu glauben, „wie er in der Bibel beschrieben wird“, sagen nicht praktizierende Christen eher, dass sie nicht an Gott wie in der Bibel beschrieben, sondern an eine andere höhere Macht oder spirituelle Kraft im Universum glauben. Die meisten Konfessionslosen glauben weder an Gott noch an irgendeine höhere Macht oder spirituelle Kraft.

Christen in einigen Punkten konservativer

Die überwiegende Mehrheit der nicht praktizierenden Christen und der Konfessionslosen befürworten laut Studie legale Abtreibung und die gleichgeschlechtliche Ehe. In einigen Ländern bestehe in diesen Fragen kaum ein Unterschied zwischen den Einstellungen der selten am Gottesdienst teilnehmenden Christen und der konfessionslosen Erwachsenen.

Hingegen zeigten sich in allen befragten Ländern praktizierende Christen konservativer als nicht praktizierende Christen und konfessionslose Erwachsene, wenn es um Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe geht. Beinahe alle praktizierenden Christen, die Eltern oder Erziehungsberechtigte von minderjährigen Kindern (unter 18 Jahre) sind, gaben an, ihre Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. Unter den nicht praktizierenden Christen gaben zwar weniger, aber immer noch die überwältigende Mehrheit an, dass sie ihre Kinder als Christen erziehen wollen.

gril, religion.ORF.at

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