Nicaragua: Kirche mit Regierungsgegnern solidarisch

Im eskalierenden Konflikt in Nicaragua hat die katholische Kirche Solidarität mit den Regierungsgegnern bekundet. Kirchenvertreter geben Demonstranten in den Gotteshäusern Rückzugsmöglichkeiten, um nicht Opfer von Polizeigewalt zu werden.

Nicaraguas Bischöfe versuchen in der schweren innenpolitischen Krise in dem mittelamerikanischen Land ein weiteres Blutbad zu verhindern. Wie die Tageszeitung „La Prensa“ (Donnerstagausgabe) berichtete, will eine Gruppe um Kardinal Leopoldo Brenes und Weihbischof Silvio Baez in der im Südwesten gelegenen Stadt Masaya vermitteln.

Lokale Medien zeigen Bilder der beiden Geistlichen aus der Hauptstadt Managua in einem Bus auf dem Weg nach Mayasa. Begleitet werden sie vom neuen Päpstlichen Nuntius in Nicaragua, Stanislaw Waldemar Sommertag, sowie von weiteren Priestern aus der Erzdiözese Managua.

Etwa 200 Tote bei Protesten

In Masaya gehen nach Angaben der Opposition seit Tagen Sicherheitskräfte und regierungsnahe paramilitärische Banden massiv gegen die Demonstranten vor. Die Regierung des sandinistischen Präsidenten Daniel Ortega macht dagegen die Opposition für die Gewalt bei den Unruhen verantwortlich, bei denen bisher seit Mitte April rund 200 Menschen ums Leben gekommen sind.

Zuvor hatten die Bischöfe ihre Vermittlungstätigkeit im Rahmen eines Nationalen Dialogs erneut abgebrochen, nachdem trotz der Gespräche weiter auf Demonstranten geschossen worden war. Seit Wochen gibt es in Nicaragua Massenproteste gegen die Regierung Ortega. Die Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wirft den Sicherheitskräften vor, die Demonstrationen brutal niedergeschlagen zu haben.

Rückzugsmöglichkeiten in Kirchen

Die Gegner Ortegas fordern dessen sofortigen Rücktritt. Kirchenvertreter hatten Demonstranten in den Gotteshäusern Rückzugsmöglichkeiten gegeben, um nicht Opfer von Polizeigewalt zu werden. Der Weihbischof der Hauptstadt Managua, Silvio Baez, rief bei einer Kundgebung in der umkämpften Stadt Masaya am Donnerstag (Ortszeit) dazu auf, die „kriminellen Taten“ der regierungstreuen Kämpfer nicht zu imitieren.

Er wolle an eines der zehn Gebote erinnern, sagte Baez: „Du sollst nicht töten.“ An Staatschef Daniel Ortega und seine Ehefrau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, gewandt forderte er: „Kein weiterer Toter mehr!“

Im Zuge der Protestbewegung hatten die Bewohner von Masaya in dieser Woche eine Rebellion gegen Staatschef Ortega ausgerufen und Barrikaden errichtet. Daraufhin hatten regierungstreue Kämpfer die Stadt angegriffen, bei Kämpfen wurden dort in den vergangenen Tagen mindestens 23 Menschen getötet.

Landesweit Proteste gegen Regierung

Nach Angaben von Menschenrechtlern starteten Sicherheitskräfte und paramilitärische Einheiten am Donnerstag einen neuen Angriff auf Masaya. Ein Anführer der Protestbewegung berichtete von Explosionen. Rund 500 vermummte und schwer bewaffnete Männer seien am Morgen in die Stadt eingedrungen. Bewohner beklagten erneute Brandstiftungen. Sie wehrten sich mit selbst gebauten Granatenwerfern.

Die Unruhen in Nicaragua hatten Mitte April begonnen, als Sicherheitskräfte Kundgebungen gegen Rentenkürzungen gewaltsam niederschlugen. Seither weiteten sich die Proteste auf das ganze Land aus, sie richten sich inzwischen gegen den autoritären Regierungsstil von Staatschef Daniel Ortega und seiner Ehefrau. Ortega schließt einen Rücktritt jedoch aus. Der ehemalige Guerillakämpfer regierte Nicaragua von 1979 bis 1990 und erneut seit elf Jahren, sein derzeitiges Mandat endet im Jänner 2022.

religion.ORF.at/KAP/KNA/APA/AFP

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