Asyl: Krautwaschl vermisst christliches Abendland

Bischof Wilhelm Krautwaschl hat am Sonntag die Frage aufgeworfen, wo angesichts heutiger Entwicklungen in der österreichischen und europäischen Politik in Richtung Abschottung, „denn das oft herbeigeredete christliche Abendland geblieben ist“.

Das hat der Grazer Bischof am Sonntag bei zwei Gottesdiensten, die er und der Erzbischof von Maribor, Alojzij Cvikl, in den Grenzorten Sveti Duh na ostrem vrhu (heiliger Geist am Osterberg) sowie St. Pankrazen zelebrierten, dargelegt. Die beiden Nachbardiözesen veranstalten seit 2016 jährlich ein Treffen an der „grünen Grenze“ zwischen Österreich und Slowenien.

Bischof Krautwaschl

ORF

Bischof Wilhelm Krautwaschl fragt sich angesichts heutiger Entwicklungen in der österreichischen und europäischen Politik, „wo denn das oft herbeigeredete christliche Abendland geblieben ist“.

Bedeutung der Grenzen hat zugenommen

Auch wenn Grenzen heute wieder mehr eine Rolle spielten, seien Christen dennoch „Menschen mit Weltdimension“ und könnten „nicht so tun, als ob uns der Bruder, die Schwester nichts anginge“, betonte Krautwaschl.

So sehr heute auch der Einsatz für andere zunehmend verachtet oder beschimpft statt bedankt werde, sei Jesus Christus an der Not anderer Menschen nicht vorübergegangen. Der in der Bibel bezeugte Gott habe sich selbst gering geachtet und sich aus Liebe ganz auf den anderen eingelassen.

Derzeit „Abschottung“ statt „Hilfe vor Ort“

Mehrere Entwicklungen erfüllten ihn daher gegenwärtig mit Sorge, gab der Bischof zu verstehen: Der Begriff „Asyl“ verkomme „beinahe zu einem Schreckenswort“ und das geltende Gesetz des humanitären Bleiberechts werde „scheinbar nicht mehr gelebt“.

Mahnend erwähnte Krautwaschl zudem, „dass tote Menschen im Mittelmeer und woanders beinahe unwidersprochen hingenommen werden, dass große Reden von Hilfe vor Ort geschwungen werden, aber sich alles scheinbar nur um Abschottung und ‚dicht machen‘ dreht.“

„Kain, wo ist dein Bruder?“

Der Grazer Bischof verwies hier auf die Frage Gottes im Buch Genesis „Kain, wo ist dein Bruder?“ Das hier bezeugte Vergessen des Mitmenschen trage heute viele Namen, wie etwa „das Kind, das nicht leben darf, der Mensch auf der Flucht vor Terror und Krieg, oder der Mensch, der aufgrund unseres Lebensstil tausende Kilometer von uns entfernt nicht jene Lebensmöglichkeiten vorfindet, die er dringend nötig hat“.

Auch den Reichtum des Nordens durch Waffen, mit denen anderswo Kriege geführt werden, sowie die Verweigerung von Arbeit jenen gengenüber, die sie bräuchten, zählte der Bischof darunter.

Menschenwürde unantastbar

Trotz aller gerechtfertigter Einwände gehe es „immer um Menschen, es geht um Gottes Ebenbilder mit einer unantastbaren Würde“, betonte der Grazer Bischof. Dies gelte es auch heute in Erinnerung zu rufen.

Krautwaschls Appell: „Machen wir uns auch in unserem Europa wieder neu auf den Weg zueinander, grenzen wir uns nicht ab! Halten wir die vielfältigen Fragen- und Themenkomplexe beieinander, auch wenn es schwer ist!“

Maßnahmen sollten stets gemeinsam mit allen Beteiligten geplant und auf Einheit sowie auf sorgsame, nicht angstbesetzte Sprache geachtet werden, forderte der Bischof.

Ein Lebensstil der Abschottung und Selbstgenügsamkeit, bei dem der Nächste zur Nummer verkomme und weitergeschoben sowie seinem Schicksal überlassen werde, führe hingegen in Verlassenheit und Einsamkeit „und letztlich in den Tod“. Weder Christsein noch Menschsein könne dort gelingen, „wo wir meinen, dass wir selbst der Nabel der Welt sind“.

religion.ORF.at/KAP

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