Indien: Muslime befürchten Deportationen

Indien hat anhand eines umstrittenen vorläufigen Bürgerregisters vier Millionen Menschen im Unionsstaat Assam faktisch die Staatsbürgerschaft entzogen. Viele Muslime haben nun Angst vor Deportationen.

„Es ist ein historischer Tag für Assam und ganz Indien“, sagte Shailesh, oberster Registrierbeamter Indiens, am Montag auf einer Pressekonferenz. Die Veröffentlichung des ersten vollständigen nationalen Bürgerregisters (NRC) sei „ein Meilenstein“.

Das NRC umfasst nur Bewohner, die beweisen können, dass sie bereits vor 1971 in Assam gelebt haben - dem Jahr, als Millionen Menschen vor dem Unabhängigkeitskrieg in Bangladesch nach Indien flohen. Mehr als 30 Millionen Menschen hatten sich für eine Aufnahme in die Liste beworben. Mehr als vier Millionen wurde dieser Wunsch nicht erfüllt.

Protestierende Frauen in Indien

APA/AP/Anupam Nath

In Assam demonstrierten vergangenen Freitag Tausende gegen die Regierungsmaßnahme

Avaaz: Wahrscheinlich nur Muslime betroffen

Die Liste hat Ängste vor Deportationen von Muslimen ausgelöst. Im nordindischen Unionsstaat Assam kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Übergriffen gegen aus Bangladesch zugewanderte Muslime. Dort streiten sich Ureinwohner und muslimische Siedler seit Jahrzehnten um Land. „Es sind wahrscheinlich nur Muslime, die das komplizierte und unfaire Beschwerdeverfahren durchlaufen müssen“, erklärte die in den USA ansässige Menschenrechtsgruppe Avaaz in einer Mitteilung.

Shailesh, der nur seinen Vornamen benutzt, sagte, „echte indische Staatsbürger müssten sich keine Sorgen machen“. Sie würden „ausreichend Gelegenheit“ für Beschwerden bekommen, sollten sie noch nicht in das Register aufgenommen worden sein. Bis Dezember soll die Erstellung des NRC abgeschlossen sein.

Mehrheit auf Kosten von Minderheiten gestärkt

Kritiker werten die Volkszählung in Assam als jüngsten Versuch der hinduistisch-nationalistischen Regierung von Premierminister Narendra Modi, die Rechte der hinduistischen Mehrheit im Land auf Kosten der Minderheiten zu stärken.

Unter Modis Regierung hat die extremistische Gewalt gegen Muslime in Indien zugenommen. Die Regierung rechtfertigt die Volkszählung damit, dass illegale Einwanderer aufgespürt werden müssten. Menschenrechtsorganisationen verglichen das NRC mit der systematischen Diskriminierung der Rohingya-Minderheit in Myanmar. Dort hatte ein Gesetz die muslimischen Rohingya 1982 als staatenlos erklärt.

Kritik an hindunationalistischer Politik

Weil das arme, überbevölkerte Bangladesch vermutlich nicht die vier Millionen Menschen als eigene Bürger anerkennen und aufnehmen will, könnten sie staatenlos werden. Dieses Schicksal würden sie mit den Angehörigen der muslimischen Rohingya teilen, die im vergangenen Jahr zu Hunderttausenden vor Gewalt der Armee in Myanmar nach Bangladesch geflohen waren.

Modi und anderen Politikern seiner Bharatiya-Janata-Partei (BJP) war vor seiner Wahl zum Regierungschef 2014 vorgeworfen worden, tödliche Ausschreitungen gegen Muslime in Gujarat angefacht zu haben. Modi, der damals Regierungschef des indischen Unionsstaats war, wies die Vorwürfe stets zurück.

religion.ORF.at/APA/AFP/dpa

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