Kirchen besorgt über Änderung bei Kirchenasyl

Katholische und evangelische Stimmen in Deutschland äußern sich besorgt über Änderungen bei Kirchenasyl. Sollten Kirchengemeinden nicht vorschriftsmäßig agieren, wird die Frist zur Abschiebung verlängert.

In Deutschland hat es in der ersten Jahreshälfte 972 Fälle von Kirchenasyl mit Bezug zum sogenannten Dublinverfahren gegeben. Nach Angaben des deutschen Innenministeriums soll am Mittwoch die für Betroffene oftmals maßgebliche Frist in sogenannten Dublin-Fällen von 6 auf 18 Monate erhöht werden, wenn Kirchengemeinden Verfahrensabsprachen nicht einhalten.

Auf die Neuregelung hatte sich die Innenministerkonferenz der Bundesländer Anfang Juli geeinigt; das von Horst Seehofer (CSU) geleitete Bundesinnenministerium erließ bereits eine entsprechende Umstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

Kritik von mehreren Stellen

Grundsätzlich achtet der deutsche Staat das Kirchenasyl, obgleich es im Recht nicht vorgesehen ist. So einigte sich 2015 der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche in Berlin auf ein gemeinsames Vorgehen. Viele Bischöfe, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sowie die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl üben deshalb Kritik an der Änderung.

Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 1.561 Kirchenasylfälle mit Dublin-Bezug, wie das Innenministerium in einer am Dienstag veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der AfD mitteilte. Das Ministerium wies darauf hin, dass ein Fall auch mehrere Personen betreffen könne. Es handle sich bei Kirchenasyl „im weit überwiegenden Anteil um Fälle mit Dublinbezug“.

Recht nach der Dublin-Verordnung

Die Dublin-Verordnung sieht vor, dass das Land für ein Asylverfahren zuständig ist, in dem der Schutzsuchende die Europäische Union erstmals betritt - im Regelfall die süd- oder südosteuropäischen Länder. Beim Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften Asylbewerber auf, die von Abschiebung bedroht sind, wobei die Mehrzahl der Schutzsuchenden Dublin-Fälle sind.

Eigentlich müssten sie in das EU-Ersteinreiseland zurückgeschickt werden, um dort Asyl zu beantragen. Läuft jedoch die Überstellungsfrist - bislang sechs Monate - ab, ist Deutschland für den Asylantrag zuständig. Diese Frist soll nun auf 18 Monate verlängert werden, sofern Kirchengemeinden Verfahrensabsprachen nicht einhalten.

Nothilfe in besonderen Einzelfällen

Die Kirchen hatten in den Verhandlungen mit de Maiziere zugesichert, dass es sich bei der vorübergehenden Aufnahme Schutzsuchender in Klöstern oder Kirchengemeinden stets um eine Nothilfe in besonders gelagerten Einzelfällen handle. Beide Seiten vereinbarten, einander zu unterrichten, um solche besonderen Härtefälle nochmals zu prüfen, wobei die Kirchen ein Dossier zu den Gründen vorlegen sollten.

Entsprechend äußerte der damalige deutsche „Flüchtlingsbischof“ Norbert Trelle in einer Handreichung der Bischofskonferenz vom Juni 2015 die Hoffnung, dass „mit dem kostbaren Gut des Kirchenasyls weiterhin sehr sorgfältig verfahren wird und somit auch in unserer Zeit die Zuflucht zum heiligen Ort als ‚ultima ratio‘ bewahrt werden kann“. Die Bischöfe hatten in der Vergangenheit wiederholt betont, dass sie mit dem Kirchenasyl kein Sonderrecht beanspruchen, sondern im Einzelfall drohende humanitäre Härten vermeiden wollten, etwa wenn Familien auseinandergerissen würden.

Vorwürfe vonseiten der Politik

In jüngster Zeit hatten jedoch staatliche Stellen und Politiker den Vorwurf geäußert, dass in nicht wenigen Fällen die Frist von sechs Monaten bewusst ausgereizt wurde, um auf diese Weise eine Abschiebung zu verhindern. Ferner sei in vielen Fällen kein Dossier eingegangen.

So will sich das Bamf künftig auf die 18-Monats-Frist berufen, wenn die Aufnahme von Kirchenasyl nicht unmittelbar gemeldet und kein kirchlicher Ansprechpartner genannt wird. Ferner verlangt das Bamf eine rechtzeitige Zustellung des Dossiers. Im Falle eines negativen Bescheids muss das Kirchenasyl zudem innerhalb von drei Tagen beendet werden.

Kirchen: Kirchenasylanten „nicht flüchtig“

Die Kirchen sehen die Entwicklung kritisch. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG) hält die Verschärfungen für rechtswidrig. Zwar sehe die Dublin-Verordnung durchaus vor, dass Flüchtlinge länger zurückgeführt werden dürften, so die BAG-Vorstandsvorsitzende, Dietlind Jochims.

Das gelte jedoch für flüchtige Asylbewerber, was beim Kirchenasyl nicht der Fall sei. Kern der Debatte sollten laut Jochims eher die Fragen sein, wie die Gründe, die zu Kirchenasyl führen, beseitigt werden können. Kritik an den Plänen des Bamf kam auch vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

Kirchen keine Wächter des Rechtsstaats

Der frühere Vizepräses der EKD-Synode (2009 bis 2015), der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Staatsminister des Inneren, Günther Beckstein (Nürnberg), ist hingegen der Ansicht, dass viele Kirchenasyle nur deshalb erfolgreich waren, „weil die Überstellungsfrist nach den Dublin-Verträgen überschritten wurde“. Durch die Verlängerung der Frist müssten Gemeinden nun viel länger für Betreuung und Versorgung der Flüchtlinge aufkommen. Dem CSU-Politiker zufolge ist das Kirchenasyl für den Rechtsstaat schwer zu ertragen.

Er frage sich, ob nicht auch Moscheen ein Moschee-Asyl vergeben könnten oder Sekten eines für ihre Mitglieder, so Beckstein im Pressedienst „idea“. Die Kirchen seien nicht die Wächter des Rechtsstaates, sondern die Gerichte. Beckstein bestätigte das im Grundgesetz (Artikel 16a) verankerte Asylrecht. Aber „darauf kann sich nicht berufen, wer aus einem anderen EU-Land oder der Schweiz nach Deutschland kommt“. Flüchtlingen drohe in Italien und Österreich, aber auch in Ungarn und Bulgarien, keine Verfolgung.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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