Vertuschungsvorwürfe: US-Kardinäle verteidigen sich

Verschiedene US-Kardinäle haben sich gegen Vorwürfe des früheren Vatikan-Botschafters in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano, in Zusammenhang mit der Vertuschung von Missbrauch verteidigt.

Kardinal Joseph Tobin aus Newark zeigte sich am Montag „schockiert, traurig und bestürzt“ über die Vorwürfe Viganos. Vigano hatte Papst Franziskus zuletzt in einem offenen Brief vorgeworfen, die Missbrauchsvorwürfe gegen den damaligen US-Kardinal Theodore McCarrick (88) fünf Jahre lang ignoriert und Strafmaßnahmen gegen den Geistlichen aufgehoben zu haben.

Der frühere Washingtoner Erzbischof McCarrick sei bereits 2009 oder 2010 von Papst Benedikt XVI. mit einer Strafe belegt worden. Eine Maßregelung McCarricks durch Benedikt XVI. wurde bisher allerdings nie öffentlich bekannt. Wenn es sie tatsächlich gab, dann hat sich McCarrick nicht an solche Auflagen gehalten.

Der frühere Vatikan-Botschafter in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano

Reuters/Charles Rex Arbogast/Pool

Der frühere Nuntius Erzbischof Carlo Maria Vigano erhebt schwere Vorwürfe.

„Bis zum bitteren Ende gedeckt“

Franziskus habe den Geistlichen „bis zum bitteren Ende gedeckt“, so Vigano. Als Konsequenz forderte er die Abdankung des Papstes. Tobin sagte gestern: „Gemeinsam mit Papst Franziskus sind wir zuversichtlich, dass eine genaue Untersuchung der Vorwürfe dazu beitragen wird, die Wahrheit herauszufinden.“

Washingtons Kardinal Donald Wuerl, der sich selbst mit Vorwürfen der Vertuschung von Missbrauch konfrontiert sieht, erklärte, er wisse nichts von Missbrauchsvorwürfen gegen McCarrick oder Sanktionen gegen den Geistlichen.

US-Bischofskonferenz will „Aktionsplan“

Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz und Kardinal von Galveston-Houston, Daniel DiNardo, sagte, die von Vigano erhobenen Vorwürfe „erforderten beweiskräftige Antworten“. DiNardo: „Ohne diese Antworten werden unschuldige Männer von den Anklagen beschmutzt und die schuldigen können die Sünden der Vergangenheit wiederholen.“

Er hoffe auf eine baldige Audienz bei Papst Franziskus und dessen Zustimmung „für unseren Aktionsplan“ für ein schärferes Vorgehen gegen Bischöfe, die Missbrauch begangen oder vertuscht haben, so DiNardo. „Ich bin zuversichtlich, dass Papst Franziskus unseren Wunsch nach größerer Effizienz und Transparenz hinsichtlich der Disziplinierung von Bischöfen teilt.“ Die US-Bischöfe stünden in diesen schwierigen Tagen in brüderlicher Liebe an der Seite des Heiligen Vaters, bekräftigte der Erzbischof von Galveston-Houston. Die Verfehlungen von Menschen könnten das Licht des Evangeliums nicht verdunkeln.

„Vertrauliche Kanäle“ für Beschwerden schaffen

Die katholische US-Bischofskonferenz hatte bereits vor der Veröffentlichung des Vigano-Schreibens angesichts des jüngsten Missbrauchsskandals im Bundesstaat Pennsylvania tiefgreifende Reformen angekündigt. Kardinal DiNardo hatte für November, zur nächsten Vollversammlung der US-Bischöfe, einen umfassenden Reformplan in Aussicht gestellt. Zudem bat der Vorsitzende der Bischofskonferenz den Vatikan, das Geschehene im Rahmen einer sogenannten Visitation zu untersuchen.

Der US-Kardinal Theodore McCarrick

Reuters/Max Rossi

US-Kardinal Theodore McCarrick: Vorwürfe gegen ihn sollen jahrelang ignoriert worden sein.

Laut DiNardo sollten etwa „neue und vertrauliche Kanäle“ geschaffen werden, um Beschwerden gegen Bischöfen vorzubringen, die Missbrauch selbst begangen oder vertuscht haben. Opfern müsse es leichter gemacht werden, Fehlverhalten von Kirchenoberen anzuzeigen. Den Vorwürfen müsse künftig auch schneller, effizienter und transparenter nachgegangen werden, so der Kardinal.

Laien sollen eingebunden werden

Belastete Bischöfe dürften nicht mehr die Möglichkeit haben, die kircheninternen Ermittlungen gegen sie zu behindern, sondern müssten den „höchsten Standards an Transparenz und Verantwortlichkeit“ gerecht werden. Im Kampf gegen Missbrauch will die Bischofskonferenz außerdem stärker auf die Expertise von Laien setzen. Diese sollten an führender Stelle in die Reformen eingebunden werden.

In der Erklärung von vor gut einer Woche kündigte DiNardo auch eine umfassende Untersuchung der Affäre um den früheren Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick an. Ihm wird der Missbrauch von Seminaristen und mindestens zwei Minderjährigen vorgeworfen.

Papst will Vorwürfe nicht kommentieren

Papst Franziskus wollte die Behauptung seines ehemaligen Botschafters in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano, schon seit Jahren über den Missbrauchsverdacht gegen Kardinal McCarrick gewusst zu haben, bisher nicht weiter kommentieren. Das Dokument von Vigano spreche für sich, sagte Franziskus am Sonntagabend auf dem Rückflug von einem zweitägigen Irland-Besuch nach Rom.

Er werde dazu nichts sagen und vertraue auf die journalistische Kompetenz, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Wörtlich sagte er auf die entsprechende Frage eines Journalisten zu dem Dossier: „Lesen Sie es selbst aufmerksam und bilden Sie sich ein eigenes Urteil.“ Die Vorwürfe gegen den Papst hatten zu Spekulationen über eine Kampagne konservativer Kirchenvertreter gegen den Papst geführt.

Strafmaßnahmen gegen McCarrick

Das elfseitige Dokument Viganos enthält auch weitgespannte Behauptungen über homosexuelle Netzwerke und Korruption in der Kirchenleitung. In dem Schreiben mit Datum vom 22. August fordert der Erzbischof den Rücktritt von Franziskus, um allen Kardinälen und Bischöfen, die McCarrick gedeckt hätten, „ein gutes Beispiel“ zu geben.

Strafmaßnahmen gegen den früheren Erzbischof von Washington (2000-2006) sowie zusätzlich die Rücknahme von dessen Kardinalstitel verfügte Franziskus vor einigen Wochen. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Vorwürfe gegen McCarrIck öffentlich bekannt.

religion.ORF.at/KAP/KNA/AFP

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