Religiöse Gruppen verurteilen Geschehnisse in Chemnitz

Dresdens katholischer Bischof Heinrich Timmerevers hat die gewaltsamen Ausschreitungen in Chemnitz scharf verurteilt. Bestürzt zeigte sich auch der Zentralrat der Juden in Deutschland.

„Eine Straftat darf nicht dazu instrumentalisiert werden, gegen ganze Volksgruppen Wut zu schüren - das gilt erst recht, wenn diese Straftat noch nicht vollständig aufgeklärt ist“, sagte Timmerevers am Dienstag laut der deutschen Nachrichtenagentur KNA.

„Menschenverachtend und volksverhetzend“

Die Messerstecherei, bei der am Sonntag ein 35-jähriger Mann starb, müsse mit rechtsstaatlichen Mitteln geahndet werden. „Sie kann aber niemals rechtfertigen, dass sich Bürger zu fremdenfeindlichen, menschenverachtenden und volksverhetzenden Demonstrationen zusammenrotten.“

Ausschreitungen in Chemnitz, Sachsen, Deutschland

APA/dpa/Jan Woitas

Ausschreitungen der rechten Szene am Sonntag in Chemnitz schockierten Deutschland.

Die Geschehnisse in Chemnitz in den vergangenen Tagen, wo bei Protesten Tausender rechter und linker Demonstranten in der Innenstadt mehrere Menschen verletzt wurden, hätten bei ihm „eine tiefe Betroffenheit und Besorgnis ausgelöst“, so Timmerevers. „Unsere Antwort als katholische Kirche auf diese Geschehnisse kann nur in Versuchen einer Befriedung bestehen - und das wird sie auch.“

Zentralrat der Juden: Kein Einzelfall

Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist bestürzt über die Eskalation in Chemnitz. „Erschreckend viele Menschen“ hätten keine Hemmungen, „aufgrund von Gerüchten regelrecht Jagd auf bestimmte Gruppen zu machen und zur Selbstjustiz aufzurufen“, sagte Präsident Josef Schuster am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Vorfälle dieser Art gibt es gerade in Sachsen so häufig, dass wir nicht von einem Einzelfall sprechen sollten.“

Schuster wies auch darauf hin, dass sich innerhalb kürzester Zeit „eine recht große Zahl an Menschen in kürzester Zeit für eine demokratiefeindliche Demo mobilisieren“ lasse. Ausreichender Polizeischutz sei wichtig. „Dass die Polizei in Chemnitz auch am Montag offenbar nicht richtig vorbereitet war, kann ich nicht nachvollziehen“, erklärte Schuster. „Daneben müssen sich Politik und Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Länderebene fragen, ob sie ihre Maßnahmen gegen Rechtsextremismus verstärken müssen. Wir brauchen mehr Aufklärung, vor allem in den Schulen.“

Wahllos Ausländer angegriffen

In Chemnitz hatte es am Sonntag eine tödliche Auseinandersetzung gegeben. Ein 35 Jahre alter Deutscher starb nach Messerstichen, zwei weitere Männer wurden schwer verletzt. Gegen einen Syrer und einen Iraker wurden Haftbefehle wegen Totschlags vollstreckt. Rechte Gruppen instrumentalisierten das Geschehen für ihre Zwecke. Sie zogen am Sonntag und Montag durch die Stadt, einige griffen wahllos Ausländer an.

„Zur aufgeheizten Stimmung trägt meines Erachtens auch erheblich die AfD bei“, sagte Schuster. Daher sollten sich alle demokratischen Parteien ihre Themen nicht von der AfD diktieren lassen. „Es muss eine politische Kultur gepflegt werden, die der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirkt.“

Großdemos gegen Rechtsruck geplant

Großdemonstrationen gegen Ausgrenzung und Rechtsruck sollen am 13. Oktober in Berlin und anderen europäischen Städten stattfinden. Dazu hat sich in Deutschland ein Bündnis „#unteilbar“ aus zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen gebildet. Die Initiatoren rechnen mit insgesamt bis zu fünf Millionen Teilnehmern. Auch religiöse Organisationen sind beteiligt.

Nach Meinung des Bündnisses findet aktuell eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung würden gesellschaftsfähig, Europa drohe sich abzuschotten. Ziel der Aktionen sei die Verteidigung des Sozialstaats sowie der Grund- und Freiheitsrechte. Auch das Recht auf Schutz und Asyl soll eingefordert werden. Die Initiatoren wenden sich gegen Nationalismus und werben für ein vereintes Europa.

Religiöse Gruppen bei Bündnis #unteilbar

450 Organisationen und Kulturschaffende hätten bereits den entsprechenden Aufruf unterzeichnet, teilte das Bündnis mit. Musikbands wie „Die Ärzte“, Schauspielerin Julia Jentsch, Satiriker Jan Böhmermann, Publizistin Carolin Emcke, Rabbiner Walter Homolka und Schriftsteller Sasa Stanisic unterstützten das Anliegen von „#unteilbar“.

Unterzeichner des Aufrufs sind auch der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland, Amnesty International, die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, der Paritätische Wohlfahrtsverband, Pro Asyl, der Zentralrat der Muslime, der entwicklungspolitische Dachverband Venro, Brot für die Welt sowie der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma.

religion.ORF.at/KAP/KNA/dpa/APA/Reuters/AFP

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