Missbrauchsermittlungen in sechs US-Bundesstaaten

Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in den USA werden mögliche Sexualverbrechen in sechs US-Bundesstaaten untersucht. Weitere Opfer können sich bei einer Telefonhotline und online melden.

Die Generalstaatsanwältin des US-Bundesstaates New York, Barbara Underwood, geht Vorwürfen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen nach, die in der Kirche vertuscht worden sein sollen. Im Zuge der eingeleitete zivilrechtlichen Untersuchung werden laut US-Medienberichten alle acht von den Vorwürfen betroffenen römisch-katholischen Diözesen auf dem Gebiet des US-Bundesstaates vorgeladen.

Missbrauch von mehr als 1.000 Kindern

Auch in den Bundesstaaten Illinois, Missouri, Nebraska und New Mexiko wurden Ermittlungen eingeleitet. Die Ankündigung kommt einige Wochen nach einem Bericht einer Grand Jury in Pennsylvania, der - auf Basis von Dokumenten aus der Kirchenverwaltung - den Umgang mit Missbrauch von mehr als 1.000 Kindern durch Hunderte von Priestern über Jahrzehnte detailliert beschreibt.

Die St. Patricks Kathedrale in New York

Reuters/Pool New

Die Missbrauchsfälle in den USA werden unter anderem im Bundesstaat New York untersucht.

Der Pennsylvania-Bericht habe „unglaublich verkommene und irritierende Handlungen von katholischen Geistlichen ans Licht gebracht, die durch eine Kultur der Vertuschung und Geheimniskrämerei in den Diözesen begünstigt wurden“, sagte Generalstaatsanwältin Underwood in einer Erklärung.

Zusammenarbeit mit Bezirksanwälten

„Auch die Opfer in New York verdienen es, gehört zu werden - und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um ihnen die Gerechtigkeit zu bringen, die sie verdienen.“ Ihre Behörde werde eng mit den lokalen Bezirksanwälten zusammenarbeiten und „alles in unserer Macht stehende tun, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, kündigte die Staatsanwältin an. Außerdem wird eine Hotline eingerichtet, bei der sich Opfer melden können.

Joseph Zwilling, Sprecher der Erzdiözese New York, der Kardinal Timothy Dolan vorsteht, signalisierte in einer ersten Reaktion auf die Erklärung der New Yorker Chefanklägerin volle Kooperationsbereitschaft: „Wir sind darauf eingestellt und wollen mit ihr bei der Untersuchung zusammenarbeiten.“

Systematische Aufarbeitung fehlt

Bisher fehlt es an einer systematischen Aufarbeitung sexueller Missbrauchsvorwürfe in dem Bundesstaat, der für die katholische Kirche der USA wegen seiner Größe und seines Reichtums eine zentrale Bedeutung hat. Lediglich im Rahmen eines freiwilligen Programms der Erzdiözese New York gab es bisher Entschädigungszahlungen für 315 Opfer, die von Geistlichen missbraucht worden waren.

In der angrenzenden Diözese Brooklyn meldeten 250 Opfer Ansprüche auf Zahlungen an. In den vergangenen Monaten erschütterten zudem Berichte über einen Priester im Ruhestand die Gläubigen. Der Mann soll zwischen den 1960er und 1980er Jahren mehr als ein Dutzend Buben missbraucht haben.

Kirchenakten unter die Lupe nehmen

In der Diözese Buffalo gibt es Rücktrittsforderungen gegen Bischof Richard Malone, der aber den Vorwurf zurückwies, er habe nicht konsequent genug auf Informationen über Missbrauchsfälle reagiert. In Albany wurde Bischof Edward Scharfenberger selbst aktiv und wandte sich mit der Bitte an den örtlichen Staatsanwalt, die Kirchenakten unter die Lupe zu nehmen.

Experten wie Terence McKiernan von der Organisation „BishopAccountability.org“ gehen darüber hinaus von einer hohen Dunkelziffer aus. Es werde nicht bei den 83 Priestern bleiben, die bisher im Missbrauchsregister seiner Organisation erfasst sind, ist er überzeugt. Ein Problem seien die „laxen Verjährungsvorschriften“, die es in New York schwer machten, zurückliegende Fälle strafrechtlich aufzuarbeiten.

Ermittlungen in weiteren Bundesstaaten

Parallel zur New Yorker Generalstaatsanwältin Underwood kündigte im benachbarten New Jersey Chefankläger Gurbir S. Grewal eigene Ermittlungen an. Eine Task Force soll sich ausschließlich der Aufklärung kirchlicher Missbrauchsfälle widmen, so Grewal: „Wir schulden es den Menschen von New Jersey, herauszufinden, was hier geschah.“

Zuvor hatten bereits die Bundesstaaten Illinois, Missouri, Nebraska und New Mexiko Ermittlungen eingeleitet. In allen betroffenen Diözesen versprachen die Verantwortlichen, eng mit den Behörden zu kooperieren. Beobachter erwarten, dass die Ermittlungen die US-Kirche über Jahre beschäftigen werden und zudem weitere Generalstaatsanwaltschaften auf den Plan rufen könnten.

Druck auf Franziskus wächst

Mit der Aufgabe ihrer bisherigen Zurückhaltung erhöhen die staatlichen Behörden außerdem den Druck auf Papst Franziskus. Denn ähnlich wie in Australien, Chile und Honduras stehen auch in den USA hochrangige Kardinäle und Bischöfe am Pranger, die zum engen Beraterkreis des Papstes gehörten oder noch gehören. Was die Situation in der US-Kirche zusätzlich brisant macht, ist die Tatsache, dass viele die Missbrauchsthematik mit weit verbreiteten grundsätzlichen Vorbehalten gegen den kirchenpolitischen Kurs von Franziskus vermischen.

Trump stärkt Papst den Rücken

US-Präsident Donald Trump stärkt dem Papst derweil den Rücken. Franziskus handle die Missbrauchskrise „so gut wie man nur irgend kann“, sagte er der Zeitung „The Daily Caller“ (Donnerstag). Die Enthüllungen über sexuellen Missbrauch durch Geistliche nannte Trump eine „sehr traurige Geschichte“. Er achte die katholische Kirche sehr, so der US-Präsident. Forderungen, US-Bischöfe sollten wegen des Skandals zurücktreten, widersprach er.

Über die Missbrauchsvorwürfe gegen den Ex-Kardinal McCarrick äußerte sich Trump überrascht. Diese Nachrichten seien „unglaublich“ und „verheerend für die katholische Kirche“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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