Lehrerin: Muslimische „Parallelwelten“ Realität

Eine Wiener Lehrerin berichtet in ihrem eben erschienenen Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ von parallelweltartigen Vorkommnissen an Schulen. Andere Lehrende sehen das Problem als Einzelphänomen.

Susanne Wiesinger, seit 30 Jahren Lehrerin in Wien und neun Jahre auch SPÖ-Lehrervertreterin, schildert in ihrem am Montag erschienenen Buch, wie muslimische Schüler mit streng konservativem bis fundamentalistischem Gedankengut Unterrichtsinhalte zu beeinflussen versuchen und dadurch das Bildungsniveau leidet oder wie eine selbsternannte „Kleidungspolizei“ Mädchen muslimischen Glaubens unter Druck setzt.

Das Buch ist das erste, das im Buchverlag Edition QVV - einer Rechercheplattform von Red-Bull- und Servus-TV-Gründer Dietrich Mateschitz - erschienen ist. QVV steht für Quo Vadis Veritas.

Laut Pflichtschulinspektorin Elisabeth Repolusk gibt es in Wien Favoriten durchaus Schulen, die mit Auswirkungen des radikalen Islam auf den Unterricht „sehr viel zu tun haben und wo diese Parallelwelten für manche Schüler wirklich Realität sind“. Einen „Kulturkampf im Klassenzimmer“, wie ihn die NMS-Lehrerin Susanne Wiesinger beschreibt, kann sie allerdings nicht sehen.

„Seit Jahren an dem Thema dran“

Repolusk kann die von Wiesinger angeführten Fälle nicht nachvollziehen, räumt gegenüber der APA allerdings grundsätzlich Probleme mit dem Verhalten mancher muslimischer Schüler ein. „Wir haben diese Probleme, keine Frage. Aber wir sind schon seit Jahren an diesen Themen dran.“

Es gebe Fortbildungen wie Deradikalisierungsseminare und in der Integration extrem engagierte Lehrerinnen und Lehrer. Vieles, was Wiesinger schreibe, sei wahr und sie wolle nichts unter den Teppich kehren. „Aber so dramatisch, wie sie es darstellt, würde ich das nicht unterschreiben.“

Nicht auf alle Schulen übertragbar

An jedem Standort würden Herausforderungen außerdem unterschiedlich wahrgenommen. Viele schulische Themen, Projekte und Ähnliches würden den Schulalltag viel mehr bestimmen, als wenn solche Themen aufpoppen. Sie wolle die Wahrnehmungen Wiesingers, die sie als „sehr engagierte Lehrerin“ beschreibt, keineswegs infrage stellen.

„Ich stelle nur den generellen Anspruch infrage, dass das überall genau so und ausschließlich so passiert. Andere Standorte mit genau so einer Population wie jener von Frau Wiesinger gehen mit solchen Vorkommnissen genauso intensiv um und da höre ich gar nichts, weil das täglich auf der sozialen Ebene bearbeitet wird.“

Druck auf Lehrende hat zugenommen

Von „Einzelevidenzen“ seiner ehemaligen Fraktionskollegin spricht auch der oberste SPÖ-nahe Lehrervertreter Wiens, Thomas Bulant. Der Gewerkschafter, der selber an einer Schule in Favoriten unterrichtet, kenne von seinem Standort keine Probleme a la Kleidungspolizei. Er baue nun auf die von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) angekündigte Erhebung zu Integrationsproblemen an den Schulen, um zu einem Gesamtbild zu kommen.

Als Lehrervertreter höre er vor allem Klagen von Lehrerinnen, die wegen ihres Geschlechts nicht als Autorität anerkannt bzw. denen das Begrüßungsritual verweigert werde. Völlig unabhängig vom religiösen und kulturellen Hintergrund der Schüler habe außerdem die physische Gewalt gegen Pädagogen zugenommen.

Gleichzeitig sei der Druck von Eltern, Lehrerkollegen oder Schulleitung gestiegen, bessere Noten zu vergeben. Sollten die von Wiesinger geschilderten Vorkommnisse tatsächlich ein breites Thema sein, brauche es jedenfalls professionelle Unterstützungssysteme für die Lehrer.

Muslime zweitgrößte bzw. größte Religionsgruppe

Muslime stellen derzeit die zweitgrößte Religionsgruppe an den Wiener Volksschulen. 2017 betrug ihr Anteil laut Daten des Stadtschulrats rund 28 Prozent oder etwas mehr als 71.000 Volksschüler. Knapp davor rangieren noch die Schüler mit römisch-katholischem Bekenntnis (31 Prozent), auf Rang drei liegen bereits die Schüler ohne Bekenntnis (17 Prozent).

An den Neuen Mittelschulen (NMS) sieht es etwas anders aus. Nach der Volksschule teilen sich die Schüler in NMS, AHS-Unterstufe und (zu einem geringeren Maße) Sonderschulen auf. Während an den Sonderschulen die Religionsverteilung in etwa jener der Volksschulen entspricht, sind die Muslime an den NMS deutlich in der Mehrheit: Sie stellen 40 Prozent der rund 30.000 Schüler, gefolgt von den Schülern mit römisch-katholischem Bekenntnis (25 Prozent) und jenen mit serbisch-orthodoxem (14 Prozent).

Der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) und die Buchautorin und Lehrerin Susanne Wiesinger („Kulturkampf im Klassenzimmer“) werden sich demnächst jedenfalls zu einem Gespräch treffen.

religion.ORF.at/APA

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