Kirchlicher Ukraine-Konflikt als „Krieg“ bezeichnet

Im Konflikt um die orthodoxe Kirche in der Ukraine bleiben die Fronten zwischen dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und dem Moskauer Patriarchat verhärtet.

Das geht aus aktuellen Interviews der beiden Metropoliten Emmanuel (Adamakis) und Hilarion (Alfejew) hervor, wie die Stiftung Pro Oriente berichtete. Dabei holte vor allem Hilarion zu einem Rundumschlag gegen den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios aus. Er sprach davon, dass sich Konstantinopel im „Krieg“ mit der russischen Kirche befinde und drohte mit dem Abbruch der Kirchengemeinschaft.

Metropolit Hilarion

Reuters/Maxim Shemetov

Metropolit Hilarion spricht von einem „Krieg“ mit dem Patriarchat von Konstantinopel

Empörung über Bischofsernennungen

Metropolit Hilarion wie auch Metropolit Emmanuel waren bei dem fast dreistündigen Gespräch zwischen den Patriarchen Bartholomaios I. und Kyrill I. im Phanar am 31. August anwesend; beide gelten als die jeweils engsten Mitarbeiter ihrer Patriarchen. Der Moskauer Patriarch Kyrill war nach Istanbul gereist, um beim Ökumenischen Patriarchen persönlich darauf zu drängen, der Orthodoxie in der Ukraine nicht die Unabhängigkeit (Autokephalie) zu verleihen.

Bartholomaios hat in Folge zwar noch nicht diesen letzten Schritt gesetzt, aber bereits zwei Exarchen (Bischöfe) für die Ukraine ernannt. Dies sorgte beim Moskauer Patriarchat und der zu Moskau gehörenden Ukrainischen orthodoxen Kirche für große Empörung.

Aufbau einer unabhängigen Ortskirche

Metropolit Emmanuel erklärte im Gespräch mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR, die Hauptaufgabe der beiden als Exarchen des Ökumenischen Patriarchats für Kiew ernannten Bischöfe - Daniel (Zelinskyj) und Hilarion (Rudnyk) - sei es, die Kontakte unter den Orthodoxen in der Ukraine zu erleichtern, Brücken zu bauen, den Dialog zu fördern und „schließlich zum Aufbau einer unabhängigen Ortskirche beizutragen“.

Metropolit Emmanuel Adamakis

Reuters/Pool New

Metropolit Emmanuel sieht den Aufbau einer unabhängigen Ortskirche in der Ukraine als Ziel

Die Ernennung der beiden Exarchen bezeuge die „Entschlossenheit“ von Patriarch Bartholomaios, die Spaltung der ukrainischen Orthodoxen zu überwinden. Die Begegnung der beiden Patriarchen im Phanar habe in einer „Atmosphäre herzlicher Brüderlichkeit“ stattgefunden, unterstrich der Pariser Metropolit.

Begegnung notwendig

Patriarch Kyrill habe Patriarch Bartholomaios in besonderer Weise für die freundschaftschaftliche Atmosphäre der Begegnung gedankt. Metropolit Emmanuel verwies darauf, dass die beiden Patriarchen zuletzt im Jänner 2016 zusammengetroffen seien, vor dem „Großen und Heiligen Konzil“ auf Kreta, an dem die russische Kirche leider nicht teilgenommen habe. Eine Begegnung sei daher auch unabhängig von der Ukraine-Frage notwendig gewesen.

Dass Patriarch Kyrill in den Phanar gekommen sei, stelle ein wichtiges Signal „im Dienst an der Einheit der orthodoxen Welt“ dar. Die Orthodoxie sei dem Weg des Dialogs verpflichtet. Der Dialog nähre den Wunsch nach Einheit und Gemeinschaft. Wörtlich fügte der Metropolit hinzu: „Ich bin sicher, dass der Heilige Geist am 31. August am Werk war“.

Konkreter Gesprächsinhalt geheim

Metropolit Emmanuel gab aber keine Auskunft im Hinblick auf die medialen Gerüchte, wonach Patriarch Bartholomaios dem Moskauer Patriarchen einen konkreten Vorschlag in Sachen Ukraine unterbreitet habe. „Der Inhalt der Gespräche ist den beiden Patriarchen vorbehalten“, meinte der Pariser Metropolit bloß.

Im übrigen wiederholte Metropolit Emmanuel die konstantinopolitanische Sichtweise. Das Ökumenische Patriarchat habe - im Hinblick auf seine Verantwortung als Mutterkirche und angesichts der Anfragen aus der Ukraine - nach gründlichem Studium der Frage die Entscheidung getroffen, den Prozess der Gewährung der Autokephalie an die orthodoxe Kirche der Ukraine als Lösung der Spaltung unter den Orthodoxen des osteuropäischen Landes einzuleiten.

Besondere Verantwortung für die Ukraine

Im Bewusstsein seiner historischen Verantwortung wolle Patriarch Bartholomaios den kirchlichen Korpus des ukrainischen Volkes schützen. Denn der Metropolit von Kiew hänge kirchenrechtlich von der Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchats ab, auch wenn 1686 dem Patriarchat von Moskau das Recht zur Weihe des Metropoliten von Kiew erteilt worden sei. Das Ökumenische Patriarchat habe gleichsam eine doppelte Verantwortung, in der orthodoxen Welt im allgemeinen und in der Ukraine im besonderen.

Hilarion droht mit „Gericht Gottes“

Metropolit Hilarion nahm als Leiter des Außenamts des russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchats doppelt Stellung, und zwar in einer Presseerklärung und zuvor in einem ausführlichen Live-Interview mit dem TV-Sender „Rossija 24“. In der Presseerklärung betonte der Metropolit neuerlich, dass die Ernennung von konstantinopolitanischen Exarchen für die Ukraine ohne Abstimmung mit Patriarch Kyrill und mit Metropolit Onufrij (Berezowskij) von Kiew unter „Verletzung des Kirchenrechts“ geschehen sei und nicht ohne Antwort bleiben könne.

Metropolit Hilarion fügte aber wörtlich hinzu: „Wir hoffen, dass Konstantinopel diese Entscheidung revidieren wird. Wenn das nicht geschieht, werden wir eine entsprechende Entscheidung treffen müssen, um Antwortschritte zu unternehmen“.

Hilarion: Niemand hat nach Unabhängigkeit gefragt

Für Moskau bedeute die Ernennung der beiden Exarchen in erster Linie die „Legitimierung“ des Schismas in der Ukraine. Denn es seien nur die Schismatiker („Kiewer Patriarchat“ und sogenannte „autokephale ukrainische orthodoxe Kirche“, Anm.) gewesen, die nach der Autokephalie verlangt hätten, während die kanonische ukrainische Kirche, die die Mehrheit der orthodoxen Gläubigen in der Ukraine vereine, nach „keiner Autokephalie und keiner Unabhängigkeit“ gefragt habe.

Im Gegenteil habe die Bischofskonferenz der ukrainisch-orthodoxen Kirche einstimmig festgestellt, dass ihr gegenwärtiger Status „optimal“ sei.

„Krieg“ gegen Einheit der Weltorthodoxie

Mit bisher ungewohnter Schärfe stellte der Metropolit weiter fest: „Das Patriarchat von Konstantinopel ist jetzt offen auf dem Kriegspfad. Es ist nicht nur ein Krieg gegen die russische Kirche und das ukrainische orthodoxe Volk, es ist auch ein Krieg gegen die Einheit der ganzen Weltorthodoxie“. Denn wenn dieses „niedrige und perfide“ Projekt zur Ausführung komme, würden die „meisten orthodoxen Gläubigen in der Ukraine diese Autokephalie zurückweisen“.

Metropolit Hilarion: „Die russische orthodoxe Kirche wird diese Entscheidung nicht akzeptieren. Wir werden die Gemeinschaft, die Communio mit Konstantinopel abbrechen müssen - und dann wird Konstantinopel nicht mehr das Recht haben, die Führung in der orthodoxen Welt zu beanspruchen“.

Konstantinopel kein „Leader“ mehr

Derzeit gebe sich das Patriarchat von Konstantinopel als eine Art „Leader“ der 300 Millionen Orthodoxen in aller Welt, der Patriarch von Konstantinpel werde als der orthodoxe Papst gesehen. Aber zumindest die Hälfte der 300 Millionen orthodoxen Christen würde ihn nicht einmal mehr als den Ersten in der Familie der orthodoxen Kirchen anerkennen.

Abschließend heißt es in der Presseerklärung des Metropoliten wörtlich: „Ich denke, dass Patriarch Bartholomaios vor dem Gericht Gottes und vor dem Gericht der Geschichte persönlich die Verantwortung für diese Aktion tragen muss“.

„Papistische Selbstdarstellung“

Im vorangegangenen TV-Interview hatte der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats noch schärfere Kritik an Konstantinopel geübt und zugleich auch Vorbehalte gegen Rom durchblicken lassen. Seit hundert Jahren habe das Patriarchat von Konstantinopel eine Art „papistischer Doktrin“, „papistischer Selbstdarstellung“ entwickelt, so Metropolit Hilarion.

Ursprünglich sei Rom der „erste“ Bischofssitz der christlichen Welt gewesen, nach der Gründung von Konstantinopel sei dann beim Zweiten Ökumenischen Konzil der Beschluss gefasst worden, der Konstantinsstadt kirchlich die gleichen Privilegien wie Rom zu gewähren. Nach dem Schisma im 11. Jahrhundert habe Konstantinopel dann den ersten Platz in der Familie der orthodoxen Kirchen eingenommen. Aber die Orthodoxie habe diesen Primat niemals als „Primat der Macht“ oder als „Jurisdiktionsprimat“ betrachtet.

Schismen überwinden wäre wichtig

Als in den 1960er Jahren der Gedanke an ein Panorthodoxes Konzil aufkam, seien die orthodoxen Kirchen übereingekommen, dass das Patriarchat von Konstantinopel der Moderator dieses Prozesses sein sollte, nicht auf Grund „besonderer Privilegien“, wie jetzt behauptet werde, sondern weil alle orthodoxen Kirchen im Konsens dafür waren.

Wenn das Patriarchat von Konstantinopel wirklich eine Kraft wäre, die den Kirchen hilft, ihre Differenzen zu bewältigen, dann wäre eine solche Institution tatsächlich notwendig in der Orthodoxie, so der Metropolit. Leider sei das Patriarchat von Konstantinopel nicht imstande gewesen, Konflikte wie etwa den zwischen Antiochien und Jerusalem (wegen der Zuständigkeit für das Fürstentum Katar, Anm.) zu lösen. Statt Schismen zu überwinden, beginne Konstantinopel jetzt damit, Schismen zu unterstützen.

Kritik an Bartholomaios’ Rede

Besonders scharfe Kritik übte Metropolit Hilarion in dem Interview an der Rede von Bartholomaios I. bei der kürzlichen „Synaxis“ der Bischöfe des Ökumenischen Patriarchats aus aller Welt. Dort habe Bartholomaios I. erklärt, das Ökumenische Patriarchat sei der Beginn der Orthodoxie, die Orthodoxie könne ohne das Ökumenische Patriarchat nicht existieren.

„Wie konnte dann die Kirche bis zum 4. Jahrhundert existieren, als es noch kein Ökumenisches Patriarchat gab? Und wie konnte die Kirche existieren, wenn das Ökumenische Patriarchat in die Häresie fiel?“, fragte Hilarion.

Seit langer Zeit Uneinigkeit

In diesem Zusammenhang erinnerte der russische Metropolit daran, dass der russischen Kirche mitunter vorgeworfen werde, sie habe selbst ihre Autokephalie proklamiert, weil in der Mitte des 15. Jahrhunderts Metropolit Jonah von Moskau ohne Zustimmung des Patriarchen von Konstantinopel gewählt wurde.

„Aber wie konnte die Rus diese Zustimmung erlangen, wenn der Patriarch von Konstantinopel zu diesem Zeitpunkt uniert war, in der Häresie? Er sandte uns einen Metropoliten, der in der Liturgie den Papst kommemorierte und nach seiner Vertreibung ein Kardinal der römisch-katholischen Kirche wurde“.

religion.ORF.at/KAP

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