Stigmata und Glassarg: 50. Todestag von Padre Pio

Vor 50 Jahren, am 23. September 1968, ist Padre Pio, Italiens beliebtester und noch immer glühend verehrter Heiliger, gestorben. Er soll im September 1918 fünf Stigmata empfangen haben.

Dem Kapuzinerpater wird die Gabe des Heilens nachgesagt, auch soll er Wunder gewirkt haben. Er wird vor allem im Süden des Landes als Helfer in allen Notlagen verehrt. Seine Popularität übersteigt selbst die des italienischen Nationalheiligen Franz von Assisi. Padre Pio wurde als Francesco Forgione am 25. Mai 1887 im kampanischen Städtchen Pietrelcina östlich von Neapel geboren. Als 15-Jähriger trat Forgione in den Kapuzinerorden ein und war künftig unter seinem Ordensnamen Bruder Pio bekannt.

Kirche von San Giovanni Rotondo, Wirkungsstätte von Padre Pio, mit einem überdimensionalen Porträt des Padre

APA/dpa/dpaweb/dpa/Rolf Haid

Legendärer Beichtvater und Heiliger: Padre Pio

Beichtvater im Dauereinsatz

1910 folgte die Priesterweihe, und 1916 wurde Pio in den Kapuzinerkonvent San Giovanni Rotondo nach Apulien versetzt, wo er bis zu seinem Tod lebte. Er war vor allem als Beichtvater immens beliebt: Er sei von Gläubigen fast belagert worden und habe mehr als 50 Jahre lang von früh bis spät die Beichte gehört, heißt es in einem Bericht von Kathpress-Korrespondentin Stefanie Stahlhofen.

Papst Franziskus am Sarg des Nationalheiligen Padre Pio in der Kirche Santa Maria delle Grazie in San Giovanni Rotondo, Italien

Reuters/Osservatore Romano

Papst Franziskus am Sarg des Nationalheiligen Padre Pio im März 2018

Seit 1918 sollen sich bei Padre Pio die Wundmale Christi (Stigmata) gezeigt haben. Das machte ihn weit über seinen Konvent hinaus bekannt, es folgten Heilungs- und Bekehrungsberichte. Der Pater trug fortan Halbhandschuhe, um die Male zu verbergen. Die Echtheit der Stigmata war umstritten, Kritiker führten sie auf eine angebliche Verwendung ätzender Substanzen zurück und warfen Pio Scharlatanerie vor. Trotz der auch von kirchlicher Seite geäußerten Zweifel an der Echtheit der Stigmata reisten zunehmend Pilgerinnen und Pilger nach San Giovanni Rotondo zu den Messen Pios und suchten ihn als Beichtvater auf.

Vatikan zunächst skeptisch

1922 verbot der Vatikan dem Kapuziner öffentliche Auftritte und Gottesdienste. Später wurde das Urteil abgemildert. Nach einem Spendenskandal geriet Padre Pio erneut in Konflikt mit dem Vatikan. Der Vatikan kam in den 1930er Jahren nach einer Untersuchung zu dem Ergebnis, die Wundmale seien ein Fall von Autosuggestion. Noch in der offiziellen Biografie, die zu seiner Heiligsprechung im Jahr 2002 veröffentlicht wurde, werden die Stigmata nicht ausdrücklich erwähnt. Die Heilung eines Buben von einer schweren Gehirnhautentzündung war für die Heiligsprechung als Wunder anerkannt worden.

Von Johannes Paul II. heiliggesprochen

Die Wende brachte Papst Johannes Paul II. (1978-2005). Karol Wojtyla hatte als junger Priester den charismatischen Pater besucht, seine Predigten gehört und selbst bei ihm gebeichtet. Angeblich soll der Wunderheilige aus San Giovanni Rotondo dem polnischen Priester damals prophezeit haben, er werde einmal Papst werden.

Plastikfigürchen des Heiligen Padre Pio in einem Geschäft in San Giovanni Rotondo, Italien

Reuters/Tony Gentile

Plastikfigürchen in einem Geschäft in San Giovanni Rotondo, Italien

Johannes Paul II. schrieb auch die Spontanheilung einer an Darmkrebs erkrankten Freundin der Fürsprache Pios zu. 1999 wurde Padre Pio selig- und 2002 heiliggesprochen. „Sicher, zu Lebzeiten ließen ihn einige in Rom leiden, aber seine Heiligkeit hat gesiegt“, sagte Kurienerzbischof Rino Fisichella später über den Pater. Die Verehrung im Volksglauben hatte trotz Roms Maßnahmen ohnehin nie abgenommen.

Überall ist das Bildnis des grauhaarigen, bärtigen Kapuzinermönchs mit dem eindringlichen Blick zu sehen, in Geschäften und sogar in Kirchen sind verschiedenste Plastikfigürchen, die Padre Pio darstellen, zu finden. Die Bildnisse seien Ikonen wie andernorts Popstars, schreibt der Kathpress-Korrespondent Roland Juchem in einem Porträt des Heiligen.

Millionen bestaunten Leichnam

Der Sarg mit dem einbalsamierten Leichnam Padre Pios konnte von April 2008 bis September 2009 erstmals in der riesigen, von Stararchitekt Renzo Piano gebauten Wallfahrtskirche San Pio di Pietrelcina besichtigt werden, 8,6 Millionen Menschen verwandelten San Giovanni Rotondo in einen der meistbesuchten Wallfahrtsorte der Welt. Seit Juni 2013 ist sein Leichnam in einem gläsernen Sarg dauerhaft in der Kirche ausgestellt, der Zustrom der Pilgerinnen und Pilger ist ungebrochen.

Die Wallfahrtskirche San Pio di Pietrelcina in San Giovanni Rotondo in Süditalien

Reuters/Tony Gentile

Die von Renzo Piano gebaute Basilika San Pio di Pietrelcina

Die immense Popularität des Paters aus Apulien erklären sich Beobachter zum Teil auch mit der zeitlichen Nähe des Heiligen zum Heute: Älteren Menschen ist Pater Pio noch als Zeitgenosse in Erinnerung, anders als die Heiligen des fernen Mittelalters wie Franz von Assisi und Katharina von Siena. Auch Jüngere kennen sein Gesicht und seine Stimme von Fotos, Radiomitschnitten und TV-Dokumentationen - mit Padre Pio TV gibt es sogar einen eigenen Fernsehsender zum Phänomen Padre Pio.

gril, religion.ORF.at/KAP/APA/dpa

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