Missbrauch: Kardinal Marx sieht Wendepunkt für Kirche

Nach den Worten vom Münchner Kardinal Reinhard Marx steht die katholische Kirche angesichts des Missbrauchsskandals an einem Wendepunkt.

Es gehe um den Umgang mit den Opfern, aber auch um die Zukunft und die Strukturen der Kirche, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Montag in Fulda zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Bischöfe.

Kardinal Reinhard Marx

Reuters/Alessandro Bianchi

Nach den Worten von Kardinal Reinhard Marx steht die katholische Kirche angesichts des Missbrauchsskandals an einem Wendepunkt

Aufruf zum gemeinsamen Vorgehen

Eindringlich rief Marx die deutschen Bischöfe zu einem gemeinsamen und konsequenten Vorgehen als Antwort auf die Studie über sexuellen Missbrauch durch Geistliche auf:

„Hier geht es nicht um Stimmung und persönliche Befindlichkeiten, es geht um die Opfer und um die Zukunft der Kirche“, betonte der Kardinal: „Die Menschen glauben uns nicht mehr. Wir müssen handeln und dann hoffen, dass man uns wieder vertraut.“

Landesweite Studie über Missbrauchsfälle

Die deutschen Bischöfe werden am Dienstag bei ihrer Vollversammlung eine landesweite Studie über Missbrauchsfälle in de Kirche vorstellen. Der Titel der Untersuchung lautet „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“.

Erste Zahlen waren bereits im Vorfeld bekanntgeworden: In kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 fanden sich laut dem von der Bischofskonferenz mit der Studie beauftragten Forscherteam Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute.

Fragen der „systemischen Gefährdung“

Die wissenschaftliche Untersuchung zum Missbrauch zeige, so Kardinal Marx weiter: „Wir müssen viel weiter gehen: hinhören, verstehen, Konsequenzen ziehen“. Dabei gehe es insbesondere um Fragen der „systemischen Gefährdung“, etwa um den Umgang mit Macht in der Kirche. Auch müsse man noch genauer hinschauen, wer wofür verantwortlich war und ist, ergänzte der Kardinal.

Der Münchner Erzbischof vermutet, dass es nach der Studie weiteren Forschungsbedarf geben wird, vor allem auf Ebene der Diözesen. Es sei auch klar, dass nicht alle Missbrauchsfälle in den Akten vermerkt seien.

Er warnte aber vor Spekulationen über das Ausmaß des Dunkelfeldes. Der Konferenzvorsitzende betonte zugleich, es gebe seit 2010 eine wachsende Kultur der Wachsamkeit gegenüber Missbrauch. Die Kirche habe viele wichtige Schritte getan, insbesondere im Bereich der Prävention. Das sei aber nicht überall gleichermaßen umgesetzt worden.

Stärkere Rolle des Staates gefordert

Der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, forderte derweil eine stärkere Rolle des Staates in der Aufarbeitung kirchlicher Missbrauchsfälle. „Gerade weil Staat und Kirche Partner sind, ist hier auch der Staat gefragt“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). Er trage Verantwortung auch für die Kinder, „die sich in Obhut der Kirche befinden“.

Dazu forderte Rörig von der Bundesregierung entsprechende Verträge zwischen Bund, Ländern und Kirchen. Sie sollten ein Recht auf Akteneinsicht für Betroffene schaffen, Ermittlungs- und Zugangsbefugnisse sowie Ansprüche auf Entschädigung regeln. Dem Staat könne „nicht an einer Kirche gelegen sein, die jede Glaubwürdigkeit verliert“. Viele Kirchenvertreter spürten, dass es so nicht weitergehe.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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