Missbrauchsopfer-Sprecher: Papst-Bilanz „desaströs“

Eine italienische Initiative von Missbrauchsopfern hat dem Vatikan und dem italienischen Staat schwere Versäumnisse vorgeworfen. Die bisherige Bilanz von Papst Franziskus beim Vorgehen gegen Missbrauch sei „desaströs“.

Die Null-Toleranz-Linie existiere „nur auf dem Papier“, sagte Francesco Zanardi, Sprecher der Organisation „Rete L’Abuso“, am Dienstag in Rom. In vier konkreten Fällen sei der Papst über Vergehen italienischer Kleriker informiert gewesen, ohne mit der angekündigten Strenge vorzugehen, so Zanardi bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem internationalen Betroffenen-Netzwerk „Ending Clerical Abuse“.

Auf lange Sicht erhoffe man sich eine Änderung der Lateranverträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien, um Missbrauchsvergehen besser verfolgen zu können, sagte Zanardi. Kirchliche Missbrauchsfälle müssten von staatlichen Gerichten behandelt werden.

„Staatliche Institutionen schützen Kirche“

Vielfach schützten staatliche Institutionen die Kirche, sagte Zanardi. Er forderte die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission nach dem Vorbild anderer Länder. Italienische Medien berichteten unzureichend über Missbrauch, so der Sprecher von „Rete L’Abuso“. Seine Organisation gehe für Italien von mindestens 300 kirchlichen Tätern aus, die innerhalb der vergangenen 15 Jahren sexuelle Übergriffe verübt hätten.

Matthias Katsch, Mitbegründer der deutschen Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ und des Netzwerks „Ending Clergy Abuse“, forderte den Papst auf, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Der Vatikan müsse Akteneinsicht gewähren. Sexueller Missbrauch in der Kirche sei ein globales Problem, das eine globale Lösung erfordere. Während in Australien staatliche Ermittler und die Kirche vorbildhaft zusammenarbeiteten, falle die kirchliche Missbrauchsaufklärung in Polen negativ auf, sagte Katsch vor Journalisten in Rom.

Katsch mahnte einen genaueren Blick auf Priesterseminare an, da diese oft „Orte sexueller Gewalt in der Kirche“ seien. Die am Mittwoch beginnende Bischofssynode zu Jugendthemen müsse auch über Kinderschutz und „Gerechtigkeit für Opfer“ reden. „Ending Clerical Abuse“ kündigte an, während der bis zum 28. Oktober dauernden Synode mit Aktionen auf das Thema Missbrauch in der katholischen Kirche aufmerksam zu machen.

religion.ORF.at/KAP

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