Neue Bibel-Lesung: Aus „Adam“ wird „Mensch“

Ab dem 1. Advent 2018 wird der Text der revidierten Einheitsübersetzung der Bibel in den liturgischen Büchern für die römisch-katholischen Gottesdienste verwendet. Was sind die größten Veränderungen für Gottesdienstbesucherinnen und -besucher?

Dafür werden die Messlektionare, die liturgischen Bücher mit den Bibelabschnitten für die Gottesdienste, neu herausgegeben. Der Grund: Sprache verändert sich und die Wissenschaft kommt laufend zu neuen Erkenntnissen. Außerdem wurden die Lektionare sprachlich an die Liturgie angepasst und das Schriftbild aufgefrischt.

Jesus in einer Wolke

Gleich am 1. Advent wird eine Änderung bemerkbar sein: Im Lukas-Evangelium hieß es bisher über die Endzeit: „Dann wird man den Menschensohn auf einer Wolke kommen sehen.“ Nun wurde genauer mit „in einer Wolke“ übersetzt. Es handle sich schließlich nicht um eine Art fliegenden Teppich, sondern um ein sprachliches Bild für göttliche Gegenwart, heißt es dazu vonseiten des Deutschen Katholischen Bibelwerks.

Die Auswahl der Texte blieb gleich, nur die Übersetzung wurde überarbeitet. Sehr geprägte Texte wie zum Beispiel das Vater Unser und das Magnificat wurden nicht verändert, sagte Elisabeth Birnbaum, die Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks im Gespräch mit religion.ORF.at.

Katholische Brille abgenommen

Früher bestand an manchen Stellen ein Unterschied zwischen aus den Gottesdiensten bekannten Texten und dem, was in den Lektionaren stand. Als Beispiel nannte Birnbaum Lukas 2,14, einen Text, der im Gottesdienst als „Gloria“ gesungen wird: In der alten Einheitsübersetzung habe es „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ geheißen, im neuen Lektionar liest man jetzt „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ - so wie es im Gottesdienst erklingt.

Meister des Marschalls von Boucicaut und Werkstatt, um 1415

Public Domain

In der neuen Bibelübersetzung ist nur noch sechsmal statt 14-mal von Adam die Rede.

Die revidierte Einheitsübersetzung und somit auch der dem neuen Lektionar zugrunde liegende Text sei nicht nur „auf neustem Stand der Bibelwissenschaft, sachlich richtiger, konsequenter und achtsamer gegenüber dem Judentum“, sondern darüber hinaus auch eine „gut gelungene Aktualisierung“ des biblischen Textes in die Gegenwart hinein, so der auch für den Bereich Bibel in Österreich zuständige Weihbischof Anton Leichtfried bei einer Pressekonferenz zur Präsentation der neuen Lektionare. Zugleich stelle die Neuübersetzung eine „wohltuende Irritation“ gerade auch für geübte Leser und Lektoren dar, so Leichtfried.

Stereotype Antijudaismen vermieden

Zum Beispiel zeige sich das Bemühen, stereotype Antijudaismen zu vermeiden, am stärksten an den Überschriften, erklärte Birnbaum. Diese sind später dazugefügte Lesehilfen, im Originaltext der Bibel gibt es sie nicht. Auch im Kapitel über Judas habe man sich näher an den Originaltext gehalten - nun stehe nicht mehr „Judas verriet Jesus“, sondern „Judas lieferte Jesus aus“.

Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks

Markus Langer

Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks

Spagat zwischen Original- und Zielsprache

Neben der Konzentration auf die biblischen Originalsprachen Hebräisch und Griechisch wurde auch darauf geachtet, möglichst nur aus einer Vorlage pro Buch zu übersetzen und nicht auf andere Textfassungen (wie die griechische Septuaginta) auszuweichen.

Hinweis

Vulgata ist die lateinische Bibelübersetzung aus dem Mittelalter. Die Septuaginta ist die altgriechische Bibelübersetzung.

Auffallend ist, dass nun weniger Synonyme für dieselben Begriffe verwendet werden. Zum Beispiel wird im Alten oder Ersten Testament das Tetragramm des Gottesnamens, JHWH, das früher mit Jahwe oder HERR wiedergegeben war, jetzt immer mit HERR übersetzt. Damit stehe man in der Tradition älterer Bibelübersetzungen wie der Vulgata von Hieronymus und auch der alten Septuaginta. Bei den Evangelischen werde außerdem schon lange mit „Herr“ wiedergegeben, so Birnbaum.

Adam, der Mensch

Besonders bei der Geschichte mit dem sogenannten Sündenfall im Ersten Testament wird den Leserinnen und Lesern das Wort Adam seltener als früher begegnen. Denn Adam ist nicht in erster Linie ein Männername: „Adam“ mit Artikel davor bedeutet „Mensch“, „Adam“ ohne Artikel meint den Eigennamen. In der neuen Bibelübersetzung wird nun konsequenter zwischen Eigennamen und Gattungsbezeichnung unterschieden, daher ist nun nur noch sechsmal statt 14-mal von Adam die Rede.

Insgesamt zeigt sich die Direktorin zufrieden mit der vorliegenden Revision, wenngleich die Bibelwissenschaftlerin weiß, dass eine Übersetzung immer ein Spagat zwischen Original- und Zielsprache ist.

„Brüder und Schwestern“

Eine weitere Neuerung ist im Neuen oder Zweiten Testament die Nennung von Brüdern und Schwestern. Birnbaum beruhigt lachend diejenigen, die fürchten, „die katholische Kirche sei dem Genderwahn anheimgefallen“ und erklärte, dass das griechische Wort für Brüder auch Frauen mitmeinen kann. Daher würden in der revidierten Bibelübersetzung nun überall dort, wo nicht nur ausdrücklich Männer gemeint sein können, auch die Schwestern genannt.

So findet sich beispielsweise in den neuen Lektionaren nicht mehr die Überschrift „Brief des Apostels Paulus an die Korinther“, sondern die treffendere „An die Gemeinde von Korinth“. Es sollte deutlich werden, so Birnbaum, dass hier eine ganze Gemeinde angesprochen wurde, die aus Männern und Frauen bestanden habe. Wenn freilich klar aus dem Text und dem Kontext hervorgehe, dass nur Männer gemeint waren, so habe man auch nur mit Brüder übersetzt.

Patriarchales Auge ließ keine Apostelin zu

Wo man ebenfalls genauer hingeschaut habe, sei im Zweiten Testament der dort erwähnte Junias. Die Forschung wisse nämlich inzwischen: Es gab in der Antike keinen Männernamen Junias. Aber Junia war ein sehr gebräuchlicher Frauenname, folglich ist in der revidierten Übersetzung die Rede von der Apostlelin Junia. Es habe wohl das patriarchale Auge darauf geschaut, dass keine Frau Apostelin genannt wurde, so Birnbaum. Durch Junia dürfe man sich aber nicht zur Annahme verleiten lassen, Jesus hätte auch Frauen zum Kreis der zwölf Apostel gezählt. Denn hier seien eindeutig zwölf Männernamen überliefert.

Cover des neuen Lektionars

kathpress/Henning Klingen

Der Einband stammt vom Wiener Künstler und Designer Christof Cremer

Veränderungen bei Psalmen am größten

Am stärksten verändert haben sich laut Birnbaum die Psalmen. Auch hier wurde konsequenter übersetzt, sich an einen Text gehalten und nicht aus mehreren Quellen zusammengestückelt. Manche Ausdrücke seien dadurch schwerer verständlich geworden, manche seien ausdrucksstärker geworden. Als Beispiel für Zweiteres nannte sie den 23. Psalm. Hier hatte es in der Übersetzung von 1980 geheißen:

„Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.“ Nun, sei eine Stelle anders und - wie Birnbaum findet - viel sprechender: „Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Meine Lebenskraft bringt er zurück. Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen.“

Kein Feinschliff durch Germanisten

Wurde die Bibelübersetzung von 1980 noch zum Schluss von Germanistinnen und Germanisten überarbeitet, hatten dieses Mal die Exegetinnen und Exegeten das letzte Wort, erzählte Birnbaum. Möglicherweise müsse man manche Stellen zweimal lesen, empfiehlt sie. In der Frühzeit des Christentums wurde übrigens direkt aus der Bibel gelesen, erst ab dem fünften Jahrhundert wurden die dem Kirchenjahr zugeordneten Texte separat gebunden.

Nina Goldmann, religion.ORF.at/KAP

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