„Mechaye Hametim“: Gedenken an NS-Pogrome 1938

Zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Novemberpogrome des Jahres 1938 gegen die jüdische Bevölkerung veranstalten auch heuer wieder mehrere christliche und jüdische Organisationen gemeinsame „Bedenktage“.

In Erinnerung an die Ereignisse vom 9./10. November vor 80 Jahren finden von 26. Oktober bis 21. November zahlreiche Veranstaltungen im Rahmen der Bedenktag-Reihe „Mechaye Hametim - Der die Toten auferweckt“ statt.

Im Zentrum steht ein ökumenischer Gottesdienst in der Wiener Ruprechtskirche am 9. November um 19.00 Uhr, an dem der lutherische Bischof Michael Bünker und hochrangige Vertreter der katholischen und orthodoxen Kirche teilnehmen. Anschließend ist ein Schweigegang zum Mahnmal für die jüdischen Opfer der Shoa auf dem Judenplatz vorgesehen.

„Nacht der Erinnerung“

In der Nacht vom 9. auf den 10. November findet nach dem ökumenischen Gottesdienst in der Ruprechtskirche auch eine „Nacht der Erinnerung“ mit kulturellen Akzenten statt. Die ganze Nacht über soll in Texten, Musik und Stille der entfesselten, mörderischen Gewalt vor 80 Jahren gedacht werden.

Innenansicht der Ruprechtskirche in Wien

APA/Harald Schneider

In der Ruprechtskirche in Wien wird von 9. auf 10. November die ganze Nacht den Opfern der Shoah gedacht.

Margarete Rabow zeigt ihren Film „66.000“ und spricht über ihr Projekt „Schreiben gegen das Vergessen“, bei dem die Namen der 66.000-Schoa-Opfer in der Prater-Hauptallee mit Kreide aufgeschrieben wurden. Liedermacher Hans Breuer/WanDeRer singt jüdische Lieder von Vertreibung und Verfolgung. Das Programm endet um 6.00 Uhr.

Gezielte Zerstörung jüdischen Lebens

1938 wurden in der Nacht vom 9. auf 10. November im gesamten deutschen Machtbereich Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte sowie Wohnungen zerstört und verwüstet. Zahlreiche Juden wurden bei den Pogromen getötet oder verletzt. Allein in Wien wurden im Zuge des Furors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Juden kamen in Haft, knapp unter 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.

Am Nationalfeiertag, dem 26. Oktober, beginnen unter dem Titel „Stationen des Erinnerns und Gedenkens“ die Gedenkveranstaltungen mit einer grenzüberschreitenden Exkursion nach Frauenkirchen (Burgenland), Mosonmagyarovar und Komarom (Ungarn). Geplant sind Besuche der dortigen jüdischen Gedenkstätten und Synagogen. Veranstalter ist der katholische Akademiker/innenverband.

Diskussion über christlichen Antijudaismus

Dem Jahrhunderte alten, erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil abgelegten christlichen Antijudaismus ist eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Von Gottesmördern und Brunnenvergiftern“ gewidmet.

Am 6. November um 19.00 Uhr tauschen sich dazu im Albert-Schweitzer-Haus (Schwarzspanierstraße 13, 1090 Wien) die evangelische Religionspädagogin Julia Spichal, der Wiener Judaistik-Professor Gerhard Langer sowie Pater Nikolaus Rappert, Pfarrer der orthodoxen deutschsprachigen Gemeinde in Wien, aus, es moderiert Martin Jäggle vom Christlich-jüdischen Koordinierungsausschuss.

Im Blickfeld liegen laut Ankündigung sowohl die Wurzeln eines der „ältesten Vorverurteilungskomplexe“ als auch dessen Wiederaufleben in den gegenwärtig wieder zunehmenden Formen des Antisemitismus.

„Nostra Aetate“ im Blick

Über die beiden „unverwechselbaren Berufungen“ von Christen und Juden spricht Martin Jäggle dann am 8. November um 19.30 Uhr im Gemeindezentrum der Pfarre Gersthof (Bastiengasse 18, 1180 Wien). Der Wiener katholische Theologe wird dabei auf die jüdisch-orthodoxe Antwort auf das wegweisende Konzilsdokument „Nostra Aetate“ eingehen, die von einer internationalen orthodoxen rabbinischen Kommission 50 Jahre danach, 2015, erarbeitet wurde.

Das Mahnmal am Judenplatz in Wien mit Kerzen davor

APA/AFP/Dieter Nagl

Anschließend an den ökumenischen Gottesdienst gibt es am 9. Novemeber einen Schweigemarsch zum Mahnmal am Judenplatz in Wien.

Tatort Schule

Auch der Schule als Vertreibungsort wird gedacht: Am 13. November um 18.30 Uhr spricht die katholische Theologin Renate Mercsanits im Theologie-Institutsgebäude der Universität Wien, (Schenkenstraße 8-10) über vertriebene jüdische Lehrer und Schüler 1938 an Wiener Gymnasien.

Einen abschließenden Überblick über „das Novemberpogrom in Wien“ gibt am 21. November um 19.00 Uhr der Historiker Martin Krist im Bezirksmuseum Josefstadt (Schmidgasse 18). Dort wird am 4. November auch die Ausstellung „Jüdische Josefstadt ab 1848“ eröffnet.

Workshops, Bücher, Gottesdienste

Weitere Programmpunkte sind eine Workshop-Reihe ab 23. Oktober über unterschiedliche Interpretationen zur „Geburt und Jugend des Mose nach Ex 1-2“ in frühjüdischen und frühchristlichen Quellen, ein Filmabend mit Christian Froschs Justizskandal-Aufarbeitung „Murer - Anatomie eines Prozesses“, Buchpräsentationen und Gottesdienste.

Gemeinsame Veranstalter sind u.a. der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich, die Gemeinde St. Ruprecht, das Jüdische Institut für Erwachsenenbildung und der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu:

Links: