Schönborn: Lob und Tadel für Synodenpapier

Das Schlusspapier der Bischofssynode zu „Jugend, Glaube, Berufungsunterscheidung“ ist für Kardinal Christoph Schönborn ein „sehr solides“ Dokument. Mehr erwartet hätte sich der Wiener Erzbischof allerdings beim Thema Migration.

Erwartet habe sich Schönborn „ein wirklich deutliches prophetisches Wort“, vor allem angesichts der vielen Berichte von Synodenteilnehmern aus Ländern, in denen „die Jugend besonders leidet unter den dramatischen Ungerechtigkeiten, sozialen, wirtschaftlichen, politischen Ungerechtigkeiten“, sagte der Kardinal am Montag im Interview mit der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress.

Ausbeutung durch reiche Länder nicht thematisiert

Migration sei kein Naturgesetz, sagte Schönborn. „Warum gibt es so viele Menschen, junge Menschen, die aus Afrika unbedingt weg wollen? Weil wir, die reichen Länder ihnen die Lebenschancen genommen haben, die Zukunftschancen verbaut haben. Dieses prophetische Wort hätte ich mir eigentlich noch deutlicher von der Synode erwartet“, so der Kardinal.

Schönborn verwies etwa auf die Berichte von Bischöfen aus der Subsahara-Zone, über die dortige dramatische wirtschaftliche Lage. In großen Teilen Afrikas würden die reichen Ressourcen der Länder in großem Ausmaß ausgebeutet. „Die Früchte dieser Ressourcen bleiben nicht bei den Menschen, sondern sie gehen einerseits in die korrupten Oberschichten und sie gehen vor allem ins Ausland.“ Diese „Kooperation zwischen Korruption und den großen Wirtschaftsmächten“ bewirke, „dass bei den Menschen von dem ungeheuren Reichtum den der Kontinent hat, so ungeheuer wenig hängen bleibt“.

Marshallplan für Afrika

Schönborn: „Wir klagen über die Migration, wir überlegen alle möglichen Dinge, wie man Migration aus Afrika stoppen kann, aber die einzig richtige Antwort darauf ist ein Marshallplan für Afrika, ist eine dramatische Veränderung der Gerechtigkeits- und Wirtschaftslage und der politischen Lage in Afrika. Natürlich ist das eine riesige Aufgabe. Die am meisten darunter Leidenden sind nun einmal die jungen Menschen, die in Afrika die Mehrheit sind.“

Kardinal Christoph Schönborn im Vatikan (2015)

Reuters/Alessandro Bianchi

Kardinal Schönborn fehlt das Thema Ausbeutung Afrikas im Synodenpapier

Das Abschlussdokument basiere auf dem Dreischritt des Hinhörens auf junge Menschen, Formen ihrer Begleitung und der Umsetzung in einer Kirche auf dem Weg der Synodalität, sagte Schönborn. Es sei keine Studie zur Jugendsituation oder bloße Ansammlung pastoraler Rezepte. Dass die Synode „sehr deutlich“ das Thema Missbrauch in der Kirche abgesprochen habe „war richtig“, so der Kardinal weiter. „Das ist ein dunkler Schatten, der über der Gesamtkirche liegt, der über dieser Synode auch lag.“

Missbrauchsaufarbeitung: „Manche noch am Anfang“

Er sei aber insofern zuversichtlich, als in der Kirche die entsprechenden Ressourcen gebe, „um dieses Übel wirklich an der Wurzel zu packen“, betonte der Wiener Erzbischof: „Der Papst ist fest dazu entschieden. Viele Bischofskonferenzen sind dazu bereit. Manche, muss ich sagen, stehen erst am Anfang der ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Thema.“

Zurecht habe die Synode gleichzeitig Tausenden Priestern, Erziehern, Erzieherinnen, Sozialarbeitern aus dem Bereich der Kirche gedankt, die „unglaublich viel tun für die Jugend in der ganzen Welt“. Besonders in der Arbeit mit sozial benachteiligten jungen Menschen sei die katholische Kirche weltweit „ein unvergleichlich großer Player“, erinnerte der Kardinal.

Die Glaubwürdigkeit der Kirche habe wegen des Missbrauchs junger Menschen durch einzelne Priester und Kirchenmitglieder „großen Schaden gelitten“, ergänzte Schönborn: „Aber die erste Sorge muss nicht sein, wie es um die Glaubwürdigkeit der Kirche steht, sondern wie es den Opfern geht. Diese klare Option für die Opfer, die ist von der Synode ausgesprochen worden.“

Brief an Jugend „ermutigend“

Der am Sonntag von den Synodenbischöfen zusätzlich zum 55-seitigen Abschlussdokument veröffentlichte eigene Brief an die Jugend sei „kurz, ermutigend“ und gebe das Hinhören auf junge Menschen als Grundton der Synode wieder, sagte der Kardinal. „Es war die erste Synode, die sich ausdrücklich und ausschließlich mit dem Thema Jugend befasst hat.“

„Die große Herausforderung, die die Synode uns gestellt hat, und an die der Papst noch einmal erinnert hat, ist Begleitung junger Menschen, Aufmerksamkeit, Zuhören“, führte Schönborn auch mit Blick auf den zweiten Teil des Synodenschlussdokuments aus. Wichtige Lebensentscheidungen wie zu Berufswahl, Partnerschaft und auch zum eigenen religiösen Weg würden in der Jugend getroffen.

"Die ganz wichtige Begleitung geschieht durch die Familie, sie geschieht durch die Schule, Gleichaltrige, Freunde und natürlich auch sehr stark durch die Gesellschaft, schilderte der Kardinal. „Da gibt es auch behutsame kritische Anfragen, was etwa die digitale Welt bedeutet, mit ihren Chancen aber auch mit ihren Gefahren. Oder das ganze große Thema Entwicklung der eigenen Leiblichkeit, Sexualität, Partnerschaftlichkeit.“

Jugendliche begleiten, aber wie?

Der Kirche gehe es um die Begleitung junger Menschen und „Hilfe zum eigenen Finden des Weges, also der Unterscheidung“, so Schönborn. „Die große Frage ist: Wer kann begleiten? Wer ist dazu geeignet? Geschieht es genug?“ Wie das in der Praxis in der Kirche umgesetzt werden kann, bilde den Kern des dritten Hauptstücks im Schlussdokument.

In diesem Zusammenhang sei das Wort Synodalität ein „sehr wichtiger Aspekt, der auch manche Diskussionen ausgelöst hat“, so Schönborn: „Mit diesem Wort ist einfach gemeint: Es geht nur gemeinsam. Es geht nur gemeinsam zwischen den Generationen, es geht gemeinsam zwischen der Hierarchie und den Gläubigen. Das heißt, der Weg der Synodalität ist der Weg wie man gemeinsam die großen Lebensfragen, die großen Glaubensfragen angeht.“ Genau das betone Teil drei des Synodenpapiers „besonders stark und gibt dann auch sehr viele konkrete Hinweise für die Umsetzung in der Begleitung junger Menschen.“

Schönborn hofft auf Papstschreiben

Die Teilnehmenden seien aus den dreieinhalbwöchigen Synodenberatungen „verändert herausgekommen, ich glaube, das haben viele so empfunden“, sagte Kardinal Schönborn. „Eine Synode ist eine starke Erfahrung, auch der Gemeinsamkeit.“

Das Schlussdokument, das derzeit allerdings nur auf Italienisch vorliegt, richte sich, wie auch Papst Franziskus betonte, zunächst vor allem an die Synodalen selbst, so der Wiener Erzbischof. „Es wird jetzt sehr an den Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Synode hängen, ob das was da geschehen ist, auch transportiert wird. Das kann durch Papiere transportiert werden, es wird aber vor allem durch Menschen transportiert. Deshalb ist der erste Auftrag der aus der Synode kommt: Macht für euch selber etwas daraus, das wirkt dann auch ansteckend.“

Ob Papst Franziskus ein eigenes nachsynodales Schreiben herausgeben wird, wisse er nicht, so der Kardinal abschließend, aber: „Ich hoffe es, denn er hat ein unglaubliches Gespür für das Gespräch mit jungen Menschen. Er war ja selber lange im Schulbereich tätig als Jesuit. Und er hat sicher viel zu sagen, auch ausgehend von dieser Synode. Also ich wünsche es mir, ich hoffe, er macht es.“

religion.ORF.at/KAP

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