Vatikan bremst US-Bischöfe bei Missbrauchskatalog

Mit einer überraschenden Intervention des Vatikan hat die Herbsttagung der US-amerikanischen Bischofskonferenz begonnen. Auf Bitten Roms verschieben die Bischöfe die Verabschiedung von Maßnahmen zum Umgang mit dem Missbrauchsskandal.

Die US-Bischöfe seien in einem Schreiben der vatikanischen Bischofskongregation darum gebeten worden, das für Februar 2019 vom Papst einberufene Welttreffen der Bischöfe im Vatikan zu diesem Thema abzuwarten, erklärte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Daniel DiNardo am Montag zur Überraschung der versammelten Amtskollegen. „Auf Veranlassung des Heiligen Stuhls werden wir nicht über die beiden Aktionspläne abstimmen“, so DiNardo.

Laienkommission in Planung

Ursprünglich wollten die rund 350 US-amerikanischen Bischöfe im Rahmen ihrer dreitägigen Versammlung in Baltimore eine Laienkommission schaffen, die die Aufklärungsarbeit der Bischöfe mit Missbrauchsfällen untersuchen sollte. Grundsätzlich bestehe Einigung darüber, dass die Bischofskonferenz eine externe Organisation beauftragen werde, um Missbrauchsanzeigen gegebenenfalls direkt an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, James Rogers, vor der Tagung.

Der US-amerikanische Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Daniel DiNardo

Reuters/Kevin Lamarque

Bischofskonferenz-Vorsitzender Kardinal Daniel DiNardo

Zudem wollten die Bischöfe aus den 196 US-Diözesen in Baltimore auch über einen neuen Verhaltenskodex für sich selbst beraten. Dieser Punkt der Tagesordnung hatte zu Kontroversen geführt, da einige Bischöfe dies mit dem Verweis darauf ablehnten, das Evangelium sei ihnen höchster Maßstab für ihr Verhalten.

Weiter Vertuschungsvorwürfe

Im Mittelpunkt der Debatte steht derzeit vor allem der Vorsitzende DiNardo selbst. Dem 69-jährigen Erzbischof von Galveston-Houston wird vorgeworfen, einen Priester nach Übergriffen nicht rechtzeitig aus seinem Amt entfernt zu haben.

Möglicherweise hängt die Intervention des Papstes mit dem jüngsten Vatikan-Besuch des Nuntius in den USA, Erzbischof Christophe Pierre, zusammen. Laut Mitteilung des vatikanischen Presseamtes empfing Papst Franziskus seinen Botschafter am Samstagvormittag in Audienz. Der Anlass wurde wie üblich nicht genannt; allerdings ließ allein die Erwähnung rätseln, warum der Papst seinen diplomatischen Vertreter in den USA so dringend persönlich zu sprechen wünschte.

Problem mit Auslagerung klerikaler Verantwortung

Der Bischofskonferenzvorsitzende Kardinal Di Nardo sagte laut der Zeitschrift „Crux“ am Montag, er sei am späten Sonntagnachmittag (Ortszeit) über die Bitte aus Rom informiert worden. Die Vermutung drängt sich auf, dass der Papst nach den ersten Nachrichten, was bei der Versammlung der Bischöfe auf der Agenda stand, einige Dinge persönlich ordnen wollte.

Nuntius Erzbischof Pierre selbst erklärte vor den Bischöfen in Baltimore, dass Rom unter anderem Schwierigkeiten mit der Auslagerung von klerikaler Verantwortung habe. Er machte die „Versuchung“ aus, „die Verantwortung zur Reform anderen zu überlassen statt selbst dafür zu sorgen“, so der Erzbischof. „Wir müssen zeigen, dass wir die Probleme lösen können, statt sie an andere zu delegieren.“

Reaktionen: Ärger und Skepsis

Kardinal DiNardo machte derweil aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Auch Sprecher der Opferverbände kommentierten die Intervention aus Rom mit Misstrauen, Ärger und Skepsis. Anne Barrett Doyle von der Organisation „BishopAccountability.org“, die Missbrauchsopfer vertritt, erklärte, das Handeln des Vatikans sei „wirklich unglaublich“. Sie wertete den Eingriff als „Versuch, selbst einen bescheidenen Fortschritt der US-Bischöfe zu unterdrücken“.

Nichtbindende Beschlüsse möglich

Kardinal Blase Cupich aus Chicago, der als Vertrauter von Papst Franziskus gilt, schlug vor, am Programm der Vollversammlung festzuhalten und nichtbindende Beschlüsse zu fassen. Diese könnte die US-Kirche dann beim Welttreffen im Februar einbringen. „Wir müssen klarmachen, wo wir stehen, und wir müssen das den Menschen hier sagen.“

Bei dem bis Mittwoch (Ortszeit) dauernden Herbsttreffen wollten die Bischöfe auch einen Hirtenbrief gegen Rassismus verabschieden, in dem sie sich unter anderem mit den gewaltsamen Demonstrationen von Charlottesville 2017 auseinandersetzen. Dieses Thema stand ursprünglich im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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