Kopftuchverbot für Pädagogen „kontraproduktiv“

Religionspädagoginnen und -pädagogen der Universitäten Innsbruck, Wien und Graz nennen die Debatte über das geplante Kopftuchverbot an Schulen in einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzler, Bildungs-und Innenminister „einseitig, unsachlich und kontraproduktiv“.

Die Debatte ziele zugespitzt auf die islamische Religion ab, schrieben die Religionspädagoginnen Martina Kraml (Universität Innsbruck) und Andrea Lehner-Hartmann (Universität Wien) sowie Religionspädagoge Wolfgang Weirer (Universität Graz) in dem Brief, der in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Furche“ publiziert wurde.

Die Expertinnen und der Experte mahnten die „besondere Verantwortung“ der Gesellschaft für Kinder ein. Diese dürften nicht für politische Debatten missbraucht werden, heißt es in dem Schreiben an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) weiter.

Vorwurf: Diskussion treibt Radikalisierung eher voran

Gerade bei jüngeren Kindern sollte kein „Zwang bezüglich einer speziell religiös konnotierten Kleidung ausgeübt werden“, so die Professoren für katholische Religionspädagogik. Kinder sollten zwar vor „fundamentalistischer Vereinnahmung geschützt werden“, die aktuellen „islam- und in der Folge religionsfeindlichen Debatten verfehlen aber dieses Ziel“.

Die Diskussion würde eher eine Radikalisierung vorantreiben und „religiöse Menschen in Opposition zur Gesamtgesellschaft setzen“. Diese „geschlossenen Zirkel“ könnten Kindern den Zugang zu einer offenen Gesellschaft erschweren, befürchteten die Pädagogen. Anstatt in Polarisierung sollte man in „Bildungsinstitutionen und die Qualifizierung des pädagogischen Personals“ investieren, so Kraml, Lehner-Hartmann und Weirer.

Muslimisches Mädchen in der Volksschule mit Kopftuch schreibt

APA/Keystone/Georgios Kefalas

Religionspädagoginnen und -pädagogen halten jeglichen Zwang für falsch

Dialog und Bildungsoffensiven statt Verbote

Dazu gehöre auch, dass ein säkularer Staat nicht die Religionsfreiheit einschränken, sondern darauf achten solle, „dass religiöse Überzeugungen unabhängig von Mehrheitszugehörigkeit in Freiheit gelebt werden können“. Dazu gehöre auch das „Tragen religiöser Symbole“, meinten die Lehrenden, die sich „für eine gerechte und pluralitätsfähige Bildung für alle“ einsetzen.

Kraml, Lehner-Hartmann und Weirer forderten ein Ende der „diskriminierenden Verbotspolitik“ und appellierten an die zuständigen Verantwortungsträger, das Gespräch mit den Beteiligten zu suchen und „Bildungsoffensiven“ für Institute und Lehrpersonen zu treffen, „die unsere plurale Gesellschaft konstruktiv und zukunftsfähig gestalten“.

IGGÖ-Chef: Kopftuch-Tragen „bewusste Entscheidung“

„Eine Entscheidung, ein Kopftuch zu tragen, ist eine bewusste Entscheidung. Daher können Kinder diese Entscheidung nicht treffen“, meinte der neu gewählter Präsident der „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGÖ), Ümit Vural, am Mittwochabend in der „ZiB2“. Im Interview mit dem ORF-Journalisten Armin Wolf meinte er, dass der Weg, Verbote zu installieren, ein „destruktiver“ sei. Vural forderte daher Dialog und Aufklärung.

Vural halte sich laut eigener Aussage als Präsident der IGGÖ an die Empfehlung des Glaubensrates, wonach das Tragen des Kopftuchs ein religiöses Gebot sei und wolle theologische Themen nicht näher beurteilen. Vural hatte bereits bei seiner Antrittspressekonferenz betont, dass für theologische Fragen der Mufti der IGGÖ zuständig sei. „Nein. Eine Frau, die kein Kopftuch trägt, ist nicht schlechter zu bewerten als eine Frau, die ein Kopftuch trägt“, so Vural auf die Nachfrage von Wolf, ob eine Frau eine schlechtere Muslimin sei, wenn sie kein Kochtuch trage. Ein Kopftuch zu tragen oder nicht zu tragen, sei für ihn eine persönliche, höchst intime Gewissensentscheidung.

Kopftuch und Turban betroffen - nicht Kippa

Für Kindergartenkinder ist das Tragen eines Kopftuchs bereits seit Ende November verboten. Die sogenannte 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Länder - die rückwirkend per 1. September 2018 in Kraft tritt -vereinbarte den Ausbau der Kinderbetreuung, brachte aber auch eine verbindliche Vermittlung von Grundwerten sowie ein Kopftuchverbot mit sich. Den Antrag auf ein Kopftuchverbot für Volksschulkinder haben die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ am 22. November 2018 im Nationalrat eingebracht.

Das Verbot „weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“, soll nach dem Willen der Regierung als Verfassungsbestimmung verankert werden und ab dem Schuljahr 2019/20 gelten. Das Verbot betreffe aber nicht nur das Kopftuch muslimischer Schülerinnen, sondern auch den Turban der Sikhs, nicht aber die jüdische Kippa.

religion.ORF.at/KAP

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