Irak: „Fatwa“ von Großmufti gegen das Weihnachtsfest

Nach einer Fatwa gegen das Weihnachtsfest des irakischen Großmufti Abdul-Mahdi al-Sumaidaie, hat der chaldäisch-katholische Patriarch Louis Raphael Sako Muslime und Christen zu einem „friedlichen Zusammenleben“ und „gegenseitigem Respekt“ aufgerufen.

Der chaldäisch-katholische Patriarch Louis Raphael Sako hat Muslime und Christen im Irak zu einem „friedlichen Zusammenleben“ und „gegenseitigem Respekt“ aufgerufen. Die „frühere Mentalität“, die verhindert habe, sich einander zu öffnen, müsse überwunden werden, appellierte der Kardinal-Patriarch laut dem Pro-Oriente-Informationsdienst in seinen Neujahrswünschen.

Patriarch Sako

Reuters/Alaa Al-Marjani

Kardinal-Patriarch Louis Raphael Sako

Man müsse die Religionen von jedem Fanatismus und allem freihalten, das „Groll und Gewalt provoziert“. Es gehe darum, die verschiedenen Glaubensüberzeugungen „von ihren originalen Quellen“ her zu kennen, wechselseitige Unwissenheit zu überwinden und ein „gemeinsames Bewusstsein“ zu vertiefen.

Interreligiöser Zwischenfall

Zuvor war es rund um die Weihnachtsfeiertage im Irak zu einem interreligiösen Zwischenfall gekommen. Zunächst hatte die irakische Regierung mitgeteilt, dass ab sofort das Weihnachtsfest - das Fest der Geburt Christi - ein nationaler Feiertag für alle Iraker sein werde. Dann veröffentlichte der sunnitische Großmufti Abdul-Mahdi al-Sumaidaie eine „Fatwa“, die er auch in seiner Freitagspredigt am 28. Dezember illustrierte: Muslime dürften an christlichen Festen zu Weihnachten oder Neujahr nicht teilnehmen und den Christen auch nicht gratulieren, weil dies bedeuten würde, sich die christlichen theologischen Überzeugungen zu eigen zu machen.

Irakischer Großmufti Abdul-Mahdi al-Sumaidaie

YouTube/Irakisches Fatwa Haus

Großmufti Abdul-Mahdi al-Sumaidaie

Diese Position eines der bekanntesten muslimischen Geistlichen im Irak löste heftige Kritik unter Christen wie auch Muslimen des Landes aus. Kardinal Sako wies die „Hassrede“ des Großmuftis entschieden zurück. Er hob hervor, dass religiöse Führungspersönlichkeiten unabhängig von ihrer theologischen Überzeugung Geschwisterlichkeit, Toleranz und Nächstenliebe fördern müssten, nicht „Spaltung und Verhetzung“.

Sako: „Koexistenz, nicht Aufhetzung zum Hass.“

Der Kardinal-Patriarch appellierte an die Regierung in Bagdad, gegen alle vorzugehen, die spaltende Vorstellungen verbreiten, „vor allem, wenn sie es von einer offiziellen Plattform aus tun“. Sako: „Unser Volk braucht gemeinsame Grundlagen für die Koexistenz, nicht Aufhetzung zum Hass.“

In den Social Media wurden die Äußerungen des Großmuftis vielfach mit Hohn bedacht. Unter anderem wurde gefordert, dass al-Sumaidaie seine Predigtformulierungen und seine „Fatwa“ zurücknehmen müsse. Zahlreiche muslimische Geistliche brachten ihre Solidarität mit den Christen zum Ausdruck, an der Spitze der Vorsitzende der Behörde für die sunnitischen geistlichen Stiftungen, Abd-ul-Latif al-Heymem, der dem chaldäisch-katholischen Patriarchen Sako umgehend einen Solidaritätsbesuch abstattete.

Bei der Begegnung betonte al-Heymem, dass die Christen ein „essenzieller Teil“ der irakischen Nation seien, mit „tiefen Wurzeln“ in der Geschichte des Landes. Ohne den Großmufti beim Namen zu nennen, appellierte al-Heymem an die Iraker, sich jenen entgegenzustellen, die die Einheit des Landes unterminieren und seine gesellschaftliche Einheit in Frage stellen wollen. Jegliche „beleidigende Äußerungen“ gegen Christen seien abzulehnen, nicht repräsentativ für die sunnitische Gemeinschaft und würden die „nationale Einheit“ gefährden.

Scharfe Kritik aus Kurdenregion

Bereits am Tag nach der umstrittenen Freitagspredigt al-Sumaidaies reagierte die kurdische Regionalregierung in Erbil überaus scharf. „Diese falschen Standpunkte ähneln denen der barbarischen IS-Terroristen“, hieß es in einer Erklärung des regionalen kurdischen Ministeriums für die religiösen Stiftungen vom 29. Dezember. Das Ministerium forderte zugleich die Eröffnung eines gesetzlichen Verfahrens gegen den Großmufti. Dessen Feststellungen würden auch nicht „den Lehren des Islam und der Kultur der Koexistenz“ entsprechen.

Auch die jesidische Organisation „Yazda“ forderte die Abberufung des Großmuftis auf Grund seiner „diskriminierenden Stellungnahmen“. Toleranz müsse der Grundstein sein, um nach dem IS-Überfall eine friedliche Gemeinschaft im Irak aufzubauen, in der Menschen unterschiedlicher Überzeugung harmonisch miteinander leben können.

religion.ORF.at/KAP