Religionsexperte sieht russische Kirche geschwächt

Die Anerkennung der neuen ukrainisch-orthodoxen Kirche durch das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie schadet nach Ansicht des Moskauer Religionssoziologen Roman Lunkin der russisch-orthodoxen Kirche.

„Der Verlust der Ukraine schwächt die russische Kirche“, sagte der Direktor des Zentrums für Religionswissenschaften des Europainstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften am Sonntag der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Moskau. Im Nachbarland befänden sich bislang mehr als 12.000 ihrer Pfarreien, in Russland verfüge sie über 16.000.

Gefahr des Wechsels zu unabhängiger Kirche

Die Ukraine sei ein „Kernland der früheren russischen Welt“, so Lunkin. Zudem sei die ukrainische Gesellschaft religiöser als die russische. Er empfahl dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I., sich nicht in die inneren Angelegenheiten der ukrainischen Orthodoxie einzumischen.

„Zweitens sollte er nicht die Parolen der offiziellen Außenpolitik und der Medienkampagnen Russlands nachsprechen.“ Das schlimmste Szenario sei für die russische Kirche, „dass ihr Hauptteil zur unabhängigen Kirche von Präsident Petro Poroschenko geht und nur einige Pfarren und wenige Klöster dem Moskauer Patriarchen treu bleiben“.

Bartholomaios I. unterschreibt den Tomus

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Bartholomaios I. unterschrieb das „Tomos“ genannte Dokument

Unterzeichnung und Überreichung des „Tomos“

Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., hatte am Samstag in Istanbul im Beisein von Poroschenko den Erlass über die Verleihung der vollständigen Eigenständigkeit an die neue orthodoxe Kirche der Ukraine unterzeichnet. Deren Oberhaupt, Metropolit Epiphanius, nahm das „Tomos“ genannte Dokument am Sonntag bei einem Gottesdienst in der Istanbuler Georgskathedrale entgegen.

Patriarch Bartholomaios I. und Metroploit Epiphanius

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Patriarch Bartholomaios I. übergibt die Schriftrolle an Metroploit Epiphanius

Zu der neuen ukrainischen Kirche schlossen sich auf Einladung von Bartholomaios am 15. Dezember in Kiew zwei Kirchen zusammen, die sich 1921 beziehungsweise 1992 von Moskau abgespalten hatten. Die weiterhin Moskau unterstehende ukrainisch-orthodoxe Kirche lehnte hingegen eine Wiedervereinigung ab. Somit gibt es in der Ukraine jetzt zwei große orthodoxe Kirchen: die neue „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ mit dem 39 Jahre alten Metropoliten Epiphanius an der Spitze und die Moskau unterstellte, jedoch autonome „Ukrainische Orthodoxe Kirche“.

religion.ORF.at/KAP

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