Bischof zur Mindestsicherung: „Zurück an den Start“

Die evangelische Kirche in Österreich übt massive Kritik an der Diskussion um die sogenannte Mindestsicherung neu. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker fordert einen Neustart der Überlegungen.

Das Ziel des neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, Armut nachhaltig zu bekämpfen, werde verfehlt, bekräftigt der juristische Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.u.H.B., Dieter Beck in einer Aussendung am Mittwoch. In einer dem Evangelischen Pressedienst vorliegenden Stellungnahme bezieht der Oberkirchenrat A.u.H.B., das Leitungsorgan der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich, Position zu dem Ende November vorgelegten Bundesgesetzesentwurf, dessen Begutachtungsfrist am Donnerstag endet.

Grundsätzlich begrüßt der Oberkirchenrat die Bemühungen, auf Bundesebene einheitliche Regelungen zur Bekämpfung der Armut vorzugeben. Die Absicht werde jedoch „durch einige Aspekte erheblich relativiert, die zu Besorgnis Anlass geben“.

Kürzung für manche „existenzgefährdend“

Grundsätzlich soll sich der allgemeine Netto-Ausgleichszulagensatz (Mindestsicherung) künftig auf 863 Euro pro Person und Monat belaufen, wobei viele Eventualitäten zu berücksichtigen seien, die die tatsächlich bezogene Summe reduzieren können, schreibt der epdÖ.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker

APA/Helmut Fohringer

Bischof Michael Bünker fordert eingehendere Überlegungen zur Reform der Mindestsicherung

Konkret kritisiert die Evangelische Kirche dabei unter anderem die Deckelung für Haushaltsgemeinschaften bei 1510 Euro monatlich. Das ergäbe bei einer fünfköpfigen Familie 302 Euro pro Person. Dazu heißt es in der von Bischof Bünker und Oberkirchenrat Beck unterzeichneten Stellungnahme: „Es erscheint zweifelhaft, dass die erforderliche Absicherung der Grundbedürfnisse der betroffenen Leistungsbezieher sichergestellt werden kann.“

Dass 35 Prozent des Netto-Ausgleichszulagensatzes gestrichen werden können, sollte jemand am Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sein, sieht die Evangelische Kirche als zu hoch und „in vielen Fällen existenzgefährdend“ an.

Negative Folgen durch Streichung von Deutschkursen

Um 300 Euro soll auch die Sozialhilfe für Personen mit fehlenden Deutschkenntnissen gekürzt werden. Wer Deutsch nicht zumindest auf B1-Niveau des europäischen Referenzrahmens spricht, erhält künftig nur 563 Euro, alternativ gelten C1-Kenntnisse in Englisch. Diese Kürzung werde sich „nicht zuletzt dann als sehr negativ erweisen, wenn gleichzeitig eine ziemliche Kürzung der Deutschkurse geplant ist“, warnt die Evangelische Kirche.

Besonders bedenklich sei zudem der „gänzliche Ausschluss von Sozialhilfeleistungen von subsidiär Schutzberechtigten, zumal diese Personen in der Regel mittellos sind“. Diese Personen, denen eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis in Österreich gewährt wurde, würden „vermehrt auf die Leistungen von karitativen Organisationen angewiesen sein, um irgendwie in Österreich überleben zu können“.

Schwieriger Neustart für Haftentlassene

Gänzlich von Sozialleistungen ausgeschlossen sein sollen künftig auch Straffällige, die rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurden. Die Dauer des Entzugs der Sozialhilfe entspreche dabei der Zeit in Haft; da die Streichung der Bezüge jedoch erst mit Rechtskräftigwerden des Urteils schlagend werde, könne sie über den eigentlichen Haftaufenthalt hinausreichen.

„Diese Maßnahme läuft erfahrungsgemäß den Bestrebungen der Resozialisierung dieser Personen nach verbüßter Haft zuwider.“ Besonders bedenklich sei vor allem, dass durch diese Maßnahme zusätzlich zur eigentlichen Strafe eine „adäquate öffentliche Sanktionswirkung“ erzielt werden solle.

Mit Verweis auf die angeführten Punkte ersucht der Oberkirchenrat die Bundesregierung daher, „im Sinne einer erforderlichen fürsorglichen Betreuung von hilfsbedürftigen Personen durch den Staat im Rahmen des Armenwesens, die geplanten Maßnahmen nochmals einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen.“

religion.ORF.at/epdÖ

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