IGGÖ zu Kopftuch in Schulen: „Haben bewährte Praxis“

Kindern das Kopftuchtragen zu untersagen ist für die Schulamtsleiterin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati, keine Lösung. Muslime hätten eine „bewährte Praxis“, mit solchen Fällen umzugehen, sagte sie gegenüber religion.ORF.at.

Die Regierung will ein Verbot durchsetzen. Am Mittwoch soll der Gesetzesvorschlag der Regierungsparteien für ein Kopftuchverbot in Volksschulen im Unterrichtsausschuss behandelt werden. Der Text besagt, dass "das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“, Kindern bis zum Alter von zehn Jahren untersagt werden soll.

Begründet wird das geplante Verbot im Initiativantrag von ÖVP und FPÖ mit „der sozialen Integration von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele der Bundesverfassung sowie der Gleichstellung von Mann und Frau“. Auch wird darin argumentiert, dass die „Rechte des Kindes im Vordergrund stehen“ müssen.

„Bewährte Praxis“

Für Baghajati ist dies eine für Musliminnen und Muslime verletzende Argumentation: „Es tut einfach weh, wenn ein Gesetz vermittelt, es müssen die eigenen Kinder vor den Eltern geschützt werden“, sagte sie am Dienstag im Gespräch mit religion.ORF.at. Ein Verbot hält sie für den falschen Weg auf Kinder zu reagieren, die mit einem Kopftuch in die Schule kommen.

Es gebe in der muslimischen Gemeinde eine „bewährte Praxis“, wie bei Fällen von freiwilligem wie auch erzwungenem Kopftuchtragen umgegangen wird. Die IGGÖ argumentierte bereits bei dem Kopftuchverbot für Kindergartenkinder damit, dass es sich um einen Eingriff des „zur religiös-weltanschaulichen Neutralität“ verpflichteten Staates in innere Angelenheiten einer Religionsgemeinschaft handle.

Carla Amina Baghajati

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Carla Amina Baghajati

Kopfttuchtragende „nicht zur Heldin machen“

Innermuslimisch würde jedenfalls schon lange ein bisher wenig beachteter Diskurs zwischen Müttern stattfinden, erklärte Baghajati gegenüber religion.ORF.at. Muslimische Frauen setzen sich intensiv damit auseinander und tauschen sich darüber aus, wie Eltern damit umgehen sollen, wenn das Kind etwa schon mit acht Jahren ein Kopftuch tragen will, sagte Baghajati. Empfohlen werde mittlerweile, dem Mädchen zu sagen: „Wir haben dich lieb, ob du ein Kopftuch trägst oder nicht. Wenn du es ausprobieren möchtest, dann ja. Wenn du dich nicht wohl fühlst, dann nimm es wieder runter.“

Früher habe man von Müttern noch öfter gehört: „Je früher desto besser“, damit sich das Kind an das Kopftuch gewöhne, erklärte Baghajati. „Das hat man reflektiert“. Entscheidend sei es, das Kind beim „Mündigwerden“ zu unterstützen und „wenn ein Mädchen ein Kopftuch trägt, sie nicht zu einer Heldin zu machen.“ In den vergangenen 20 Jahren habe sich diesbezüglich sehr viel weiterentwickelt. Bestätigt sieht sich Baghajati dadurch, dass es sich bei kopftuchtragenden Volksschulmädchen um „ein absolutes Randphänomen“ handelt. „Die Regierung spricht hier nie von Zahlen“.

Sendungshinweis

Mehr zum Thmea Kopftuchverbot hören Sie in der Sendung „Praxis - Religion und Gesellschaft“, 16.1.2019; 16.05 Uhr, Ö1.

Einem Mädchen, das für das Kopftuch aus islamischer Sicht eigentlich noch nicht reif ist, einfach Nein zu sagen, hält Baghajati allerdings nicht für sinnvoll. Sie verweist auf das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das es zu achten gelte.

Dialog bei Druck durch Eltern

Musliminnen, die selbst ein Kopftuch tragen, berichten mitunter, ihre jungen Töchter würden es den Müttern gleichtun und freiwillig ihr Haar bedecken wollen. An der Skepsis vieler Nicht-Muslime ändert das nichts. Auch Expertinnen und Experten, die der Ansicht sind ein Kopftuchverbot sei der falsche Zugang, um diesem Phänomen zu begegnen, gehen oftmals automatisch davon aus, dass auf die Kinder zumindest Druck, wenn nicht sogar Zwang, ausgeübt wird.

Dass es Eltern gibt, die Mädchen das Kopftuch verordnen, bestreitet die IGGÖ-Schulamtsleiterin nicht. So sei es aber bisher üblich, den wahren Beweggrund der Mädchen herauszufinden - gemeinsam mit den Verantwortlichen in der Schule sowie den islamischen Religionslehrern und schließlich auch im Gespräch mit den Eltern. In Kooperation mit dem Schulamt der IGGÖ habe man Eltern bereits überzeugen können, „dass es nicht in Ordnung ist, das Mädchen zu zwingen“.

„Egal, was du ausdrücken willst“

Auf die Vermittlungstätigkeit der IGGÖ dürfte die Regierung allerdings nicht setzen wollen. Nachdem sie im vergangenen Jahr ein Kopftuchverbot in Kindergärten eingeführt hat, ist nun die Volksschule an der Reihe. Ein Kopftuchverbot befreie die Kinder vor potenziellem Zwang, sagen Befürworter des Gesetzes. Ein Verbot verletzte das Selbstbestimmungsrecht junger Mädchen, sagen Kritikerinnen und Kritiker.

Für Baghajati ist das Verbot jedenfalls auch frauenpolitisch bedenklich. Denn in der Begründung im Gesetzesantrag heißt es: „Der Begriff weltanschaulich und religiös geprägter Bekleidung stellt darauf ab, wie eine Bekleidung von einem objektiven Betrachter gesehen wird. Es kommt dabei nicht auf die persönliche Absicht des Trägers an. Entscheidend ist, wie diese von Dritten rezipiert wird.“ Den Trägerinnen, also muslimischen Frauen richte man damit aus, „was du selbst ausdrücken willst, ist völlig egal. Es zählt, was der andere sehen möchte.“ Der Betrachter der Frau entscheidet. Ein Blick auf Frauen, so Baghajati, den man eigentlich überwunden glaubte.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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