Innerchristliche Debatte über Karfreitagsurteil

Das EuGH-Urteil zum Karfreitag als Feiertag hat auch innerchristlich eine intensive Debatte angestoßen: So äußerten sich neben der Österreichischen Bischofskonferenz auch Theologen aus Wien, Innsbruck und Graz zur Frage des Stellenwertes des Karfreitags.

Der Wiener Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück plädierte etwa mit Nachdruck für einen „Feiertagstausch“ und einen auch katholisch zu begehenden Karfreitag. Der Karfreitag sei als Teil des „Triduum Paschale“, also der Heiligen Drei Tage zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag, zentral für das Verständnis des Christentums insgesamt, so Tück gegenüber Kathpress. Zudem würde in einer Zeit inflationärer Kreuzesverwendungen somit einer symbolischen Entleerung dieses Symbols entgegengewirkt.

Jan Heiner Tück

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück: „Der Karfreitag ist zentral für das Verständnis des Christentums“

Wenn es in der Frage des Karfreitags einen „ökumenischen Schulterschluss“ geben würde, so würde das die spannungsreiche Einheit der österlichen Botschaft verdeutlichen. „Eine Osterjubeltheologie, die den Verlassenheitsschrei Jesu vergisst, wäre jedenfalls blanker Hohn“, brachte Tück sein Plädoyer für eine auch katholische (Feiertags-)Würdigung des Karfreitags auf den Punkt.

Tausch gegen Marienfeiertag angedacht

Vorstellen kann sich der Wiener Dogmatiker etwa einen Tausch gegen einen katholischen Marienfeiertag: So wichtig Marienfeiertage für viele Katholikinnen und Katholiken als „Identitätsmarker“ auch sein mögen, so sehr müsse man doch sehen, dass sie theologisch ihre Bedeutung nur aus der Christologie bezögen, sprich. Lege man also den Maßstab einer „Hierarchie der Wahrheiten“ an, wie dies das Zweite Vatikanische Konzil lehre, so würde der Karfreitag dem Kern der Botschaft wesentlich näher sein als mancher Marienfeiertag.

Ähnlich hatten bereits in der Vorwoche die beiden katholischen Innsbrucker Theologen Christian Bauer und Liborius Olaf Lumma dafür votiert, katholischerseits den Pfingstmontag mit dem Karfreitag zu tauschen. Demgegenüber erklärte die österreichische katholische Bischofskonferenz am vergangenen Samstag, man lehne einen solchen Tausch ab, befürworte jedoch einen zusätzlichen Feiertag für alle am Karfreitag, sofern die von der evangelischen Kirche vorgeschlagene Lösung, die Feiertagszulagen bei jenen zu streichen, die dennoch am Karfreitag arbeiten, rechtlich nicht möglich sei.

Feiern - ohne zu wissen, was?

Für eine theologische sowie gesellschaftliche Besinnung auf den Wert von Feiertagen insgesamt sprach sich der Grazer katholische Theologe und Priester Bernhard Körner in der Vorarlberger Zeitung „Neue am Sonntag“ (27. Jänner) aus. Katholiken müssten für sich die Frage klären: „Was heißt das - erlöst durch den Tod Jesu?“ Und gesellschaftlich wäre zu klären, welchen Sinn und Wert Feiertage insgesamt hätten: „Was heißt es eigentlich, dass es in unserem Land Feiertage gibt, an denen die meisten nicht wissen, was gefeiert wird?“ Auch diese Frage sei angesichts vieler religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen „höchst komplex“.

Ulrich Körtner

ORF

Theologe Ulrich Körtner: „Der Kreuzestod Jesu ist kein Betriebsunfall der Heilsgeschichte, sondern ihre Mitte“

Auf die Frage nach der Bedeutung des Karfreitags für Christen lieferte in derselben Zeitung der evangelische Theologe Ulrich Körtner Antworten: Der an diesem Tag gefeierte Kreuzestod Jesu sei „kein Betriebsunfall der Heilsgeschichte, sondern ihre Mitte“, so der Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin an der Uni Wien.

Karfreitag als Feiertag für alle

Als sonderbar erachtete Körtner indes, dass gerade in einem Land, „wo in öffentlichen Gebäuden (...) Kruzifixe als Symbol für die grundlegenden Werte der Gesellschaft und des Staates gesetzlich vorgeschrieben sind“ ausgerechnet der Karfreitag als jener Tag, der den „Ursprung und eigentlichen Sinn dieses Symbols verdeutlicht“, ein normaler Arbeitstag ist. Wem es mit dem Kreuzsymbol ernst sei, der sollte für den Karfreitag als gesetzlichen Feiertag für alle eintreten. Dafür den Pfingstmontag zum Arbeitstag zu machen, sehe er zwar für ein theologisch schlechtes Signal, aber dennoch für einen „vertretbaren Kompromiss“.

Als aus evangelischer Sicht „unaufgebbar“ bezeichnete der frühere Diakonie-Direktor Michael Chalupka den Karfreitag in der „Kronen Zeitung“ (Samstag-Ausgabe). Er berühre schließlich das „innerste Glaubensverständnis“ der Evangelischen und sei „Ausdruck dafür, dass in Österreich auch Minderheiten ihre Religion in Freiheit leben können.“ Chalupka erinnerte in diesem Zusammenhang an die Einführung des Feiertags im Jahr 1955. Damals habe der evangelische Abgeordnete Karl Spielbüchler diesen Schritt als „Ausgleich für erlittenes Unrecht“ eingefordert.

Historische Konfessionsstreits

Eine historische Rückschau auf die Entwicklung von Feiertagen hielt im „Kurier“ (Montag-Ausgabe) auch der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber: In Österreich seien viele kirchliche Feiertage - insbesondere Heiligenfeste - mit Unterstützung der Habsburger im Zuge der Gegenreformation eingeführt worden, während gleichzeitig der Karfreitag 1643 auf Geheiß von Papst Urban VIII. gewöhnlicher Werktag wurde. Im Barock sei dann teils jeder dritte Tag ein Feiertag und gleichsam eine Art „Urlaub der kleinen Leute“ gewesen.

Erst zur Zeit Maria Theresias (1717-1780) habe eine gewisse Nüchternheit Einzug gehalten und es sei zu einer Reduktion der Feiertage gekommen. Auch die Industrialisierung habe zu einer weiteren Erosion an Feiertagen geführt. Ein größeres Gewicht bekamen laut Klieber religiöse Feiertage dann wieder zur Zeit des Ständestaates (1934-1938) - deren sichtbarster Ausdruck das Konkordat aus dem Jahr 1934 darstellte. Vom Nationalsozialismus aufgehoben, wurde es nach langer Debatte erst 1957 wieder in Kraft gesetzt.

religion.ORF.at/KAP

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