Religionsvertreter: Gemeinsame Aktionen für Dialog

Gemeinsame Hilfsaktionen fördern auch das interreligiöse Verständnis und dienen dem Abbau von Vorurteilen. Das war der Tenor einer Veranstaltung an der Kirchenverteter, Imame, Rabbiner und Vertreter der Jesiden, Sikhs und Buddhisten teilnahmen.

Die Veranstaltung am Dienstagabend im Wiener KAICIID (König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog) war ein Beitrag zu der jeweils Anfang Februar stattfindenden „United Nations World Interfaith Harmony Week“. Mitinitiiert wurde sie von der jordanischen Botschafterin in Österreich, Hussam Abdullah Ghodayeh Al Husseini, die auch die Begrüßung vornahm.

Ob im Bereich der Flüchtlingshilfe in Österreich oder bei Wiederaufbauprogrammen in Krisenregionen wie in Syrien oder dem Irak, das Hilfsengagement bringt Verständnis und den Abbau von Vorurteilen mit sich.

Bischof: Überkonfessionelle Aktionen sinnvoll

So betonte etwa der orthodoxe Bischof von Marmarita in Westsyrien, Elias Toumeh, die überkonfessionelle Ausrichtung der von der Diözese geleisteten Hilfe für Invaliden, Kinder, Alte und Binnenflüchtlinge. Die Aufspaltung der Hilfsaktionen nach Religionsgemeinschaften sei nicht im Sinne der Versöhnung.

Die Vorsitzende der schwedischen Jesidengemeinde, Delkhwaz Haciy, berichtete von der Vertreibung, Ermordung und Versklavung der Minderheit durch den „Islamischen Staat“ (IS) im Jahr 2014. Viele Jesiden hätten im Ausland Aufnahme gefunden, darunter etwa 700 in Österreich. Die Solidarität mit den Jesiden sei heute groß; es müsse aber auch erwähnt werden, dass es noch vor wenigen Jahren zahlreiche muslimische Familien gegeben habe, die geholfen hätten, sodass sich viele vor der Verfolgung retten konnten.

Zusammenkünfte aller Gemeinschaften

Der sunnitische Imam, Theologe und Rechtsgelehrte Hussein bin Ghazi Alsamerai, der eine Stiftung für Waisen und Witwen in Samarra (Irak) leitet, berichtete, dass nach mehr als einem Jahrzehnt Krieg und Terror heute wieder an jene Zeit angeknüpft werden könne, als niemand gefragt habe, ob man Christ, Sunnit oder Schiit sei. Es gebe bereits auf kommunaler Ebene wieder Zusammenkünfte aller Gemeinschaften, „trotz all dem, was sich ereignet hat“. „Wir müssen alles tun, dass Religionen Brücken bauen, dass sie das heute wieder tun“, so Alsamerai.

Fake News oft Grund für Verhetzung

Sein schiitischer Counterpart, Sayyed Salih Al-Hakeem, Leiter des „Center for Dialogue and Cooperation“ in Najaf, betonte, dass die internen Konflikte im Irak stark durch Fake News aufgeschaukelt würden: „Die Wirklichkeit ist anders: Die Menschen mögen einander, die Liebe zu den Nachbarn ist stärker als die Hetze der Fake News.“

In dieselbe Kerbe schlug auch der chaldäisch-katholische Pfarrer für die Region Najaf, Meyssar Behnam. Er berichtete, dass vor Weihnachten auf diversen Social-Media-Kanälen eine Fatwa über christliche Feste verbreitet worden sei. In der Fatwa habe es geheißen, dass Muslime Christen keine Weihnachtswünsche übermitteln sollten. „Diese Stimmen gab es“, so Behnam: „Aber was ist geschehen? Kaum jemand hat sich daran gehalten. Die Leute sind gekommen, haben uns gratuliert, sogar der Scheich ist gekommen.“

Andersgläubige auch als Vorbilder

Über die Situation in der Erzdiözese Wien berichtete Barbara Andrä von der neuen Fachstelle „Kirche im Dialog“ (Nachfolgeeinrichtung des aufgelösten Afro-Asiatischen Instituts). Was sich an Initiativen seit der Flüchtlingswelle 2015 in Wien getan habe und wie stark die Teams von damals auch weiter wirkten, sei beeindruckend. Mittlerweile seien vielfach aus Hilfebedürftigen und Betreuten Freunde geworden, so Andrä, die in der Salesianischen Jugend engagiert ist.

Viele der damals jugendlichen Flüchtlinge und ihre Betreuerinnen und Betreuer würden heute auch Freizeitaktivitäten miteinander durchführen. Für die jungen Muslime sei es wichtig gewesen, die Atmosphäre kirchlicher Häuser - etwa der Salesianer - zu erleben: „Sie haben gesehen, dass miteinander gebetet wird, sie haben die Ordensleute auch in der spirituellen Dimension als Vorbilder wahrgenommen.“

Kapelle für islamische Feier „ausgeliehen“

Einen speziellen Blick auf den christlich-islamischen Dialog warf der Gefängnisseelsorger der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Ramazan Demir: In den Strafvollzugsanstalten erlebe man eine sehr große interreligiöse Offenheit, so Demir. Ihn habe etwa einmal ein katholischer Gefängnisseelsorger eingeladen, die Kapelle für eine islamische Feier zu benutzen.

Ähnliche Offenheit gebe es auch im Bereich der Lehrer-Aus- und -Fortbildung an der KPH (Kirchlich-Pädagogische Hochschule): Auch dort arbeiteten die Katholische Kirche und die IGGiÖ eng zusammen. Noch nicht vom Geist des Dialogs erfasst ist nach Aussage des Imams in Österreich indes die Welt der Medien und der Politik: „Die Politik zu erreichen ist ja das Schwierigste überhaupt“, so Demir.

Rabbiner: „Licht für die Völker sein“

Der Wiener IKG-Rabbiner Schlomo Hofmeister, der in der Jüdischen Flüchtlingshilfe-Aktion „Schalom aleikum“ mitarbeitet, charakterisierte die österreichische Gesellschaft als zweigeteilt: „Es gibt die einen, die Angst vor den Fremden haben, und die anderen, die Angst um die Fremden haben.“ Rechtspopulisten nähmen die muslimischen Migranten in der EU „in Sippenhaft für Verbrechen derjenigen, die den Namen Gottes missbrauchen“. Sie wollten glauben machen, dass „die Religion, das Anderssein, das Problem ist“.

Hofmeister verwies auf die Propheten in der Bibel und den Auftrag, „Licht für die Völker, Licht in der Dunkelheit“ zu sein: Tausende kämen beim Versuch, Europa zu erreichen, ums Leben; das sei von Gott eine Anfrage. „Unsere Gesellschaft wird einmal an der Frage gemessen werden: Wie seid ihr mit diesen Menschen umgegangen?“

religion.ORF.at/KAP

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