Missbrauch in Martinsbühel: Erzabt verteidigt Nonnen

Der Erzabt der Benediktinerabtei St. Peter in Salzburg, Korbinian Birnbacher, hat sich nun im Fall Martinsbühel in einer Aussendung für eine „seriöse Aufarbeitung“ ausgesprochen. Gegenüber dem „Standard“ sprach er aber über „scheinheilige Vorwürfe“.

In der Donnerstag-Ausgabe zitiert die Tageszeitung den Erzabt damit, dass das Handeln der Ordensfrauen dem „damaligen Standard der Pädagogik“ entsprochen hätte. Die Vorwürfe gegen die Frauen seien daher „scheinheilig“.

Birnbacher erinnerte daran, dass die Kinder, die in dem Heim untergebracht waren, von staatlichen Institutionen zugewiesen worden seien: "Die Gesellschaft hat sich des Problems entsagt, und die armen Schwestern haben sich dessen angenommen. Darüber sei die Gesellschaft damals dankbar gewesen. Es habe zudem nicht nur brutale Schwestern gegeben, sondern auch viele positive Erfahrungen. Die Ordensfrauen hätten „nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, so Birnbacher.

Erzabt vermutet „Trittbrettfahrer“

Zu den aktuellen Aufarbeitungsbemühungen äußerte sich der Abt kritisch: „Wenn das alles seit zehn Jahren bekannt ist, warum wurde das nicht längst aufgearbeitet?“. Er sprach zudem davon, dass „Trittbrettfahrer versuchen, finanziell noch etwas herauszuholen“.

Der Erzabt reagierte am Donnerstag auf den Zeitungsbericht mit einer Stellungnahme gegenüber dem Medienbüro der Österreichischen Ordensgemeinschaften, in der er doch auch die Verantwortung der Kirche eingestand und „körperliche, psychische und sexuelle Gewalt“ kritisierte und als „Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch“ bezeichnete.

Gerechtigkeit für Opfer

Birnbacher sprach von einem gesamtgesellschaftlichen Thema, an dem leider auch Kirche und Orden ihren Anteil hätten. „Eine seriöse Aufklärung des Vorgefallenen muss unser aller Anliegen sein“, sagte der Erzabt. Der von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) einberufenen Dreierkommission zur historischen Aufarbeitung sagte der Erzabt seine volle Unterstützung zu: „Ich möchte konstruktiv in dieser Kommission mitarbeiten, weil die Erzabtei St. Peter als Eigentürmerin der Liegenschaft Martinsbühel zwar nicht unmittelbar für die schrecklichen Dinge, die im dortigen Mädchenheim mit angeschlossener Sonderschule vorgefallen sind, verantwortlich zu machen ist, aber ich als Erzabt alles in meiner Macht Stehende tun möchte, damit den Opfern Gerechtigkeit widerfährt.“

Rund 100 Kinder meldeten Misshandlungen

Bis 2008 führten die Benediktinerinnen das Kinderheim Martinsbühel in Zirl. Zwei Jahre später wurden die ersten Vorwürfe von Kindesmisshandlungen bekannt. Die Nonnen sollen Heimkinder sowohl psychisch, physisch, sexuell und seelisch missbraucht haben, berichtete die „Tiroler Tageszeitung“ kürzlich. Seither haben sich rund 100 ehemalige Heimkinder an die Ombudsstelle der Diözese Innsbruck gewandt. Die Berichte wurden an die diözesane Kommission und in weiterer Folge an die von der Kirche beauftragte Unabhängige Opferschutzanwaltschaft weitergeleitet.

Eine Strafanzeige wegen Kindesmisshandlung gab es aber bereits schon 2004, die laut „Der Standard“ wegen Verjährung und mangels Beweisen beziehungsweise aufgrund des Todes oder der Zurechnungsunfähigkeit der Beschuldigten nie zu einem Verfahren führte.

„Lehren ziehen“

Die Empörung seitens vieler Tiroler und Tirolerinnen angesichts des schleppenden Aufarbeitungsprozesses forderte die Landesregierung jetzt heraus, konkrete Schritte zu setzen. Mitverantwortlich dafür machte der Historiker Horst Schreiber, der sich seit längerem mit dem Fall beschäftigte, auch den Orden, der nach wie vor den Zugang zu Archiven und Akten verweigere. Im vergangenen Dezember forderte eine Online-Petition den Tiroler Landtag auf, einen Untersuchungsausschuss in der Causa einzusetzen. Diesem Ansuchen wurde nicht entsprochen - man versicherte jedoch in Folge, Maßnahmen ergreifen und „Lehren ziehen“ zu wollen, wie es seitens der Landesregierung hieß.

Zuletzt kündigte das Land Tirol nun die Einsetzung einer gemeinsamen, mit einem Vertreter der Diözese und des Benediktinerordens beschickte Dreierkommission an, die die Causa Martinsbühel aufarbeiten solle. Die Leitung hat laut „Standard“ die Psychotherapeutin Margret Aull übernommen. Die Vorgangsweise sei mit Bischof Hermann Glettler akkordiert, sagte Landeshauptmann Günther Platter gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“. Es dürfe hier kein „Pingpong-Spiel“ geben. Der Orden solle sich beteiligen, „damit wir zu einer raschen Aufklärung kommen“.

religion.ORF.at/KAP

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