„Ehrenpatriarch“ Filaret hielt Vortrag in Wien

Der „Ehrenpatriarch“ der neu gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), Filaret (Denisenko), hat sich zufrieden über die politische Unterstützung Kiews für die neue eigenständige (autokephale) Landeskirche geäußert.

Der ukrainische Staat unterstütze die Kirche, „ohne unsere Tätigkeiten zu beeinflussen, denn der Staat versteht, dass er dadurch auch selbst stärker wird“, sagte der 90-jährige frühere Leiter des „Kiewer Patriarchats“ am Mittwochabend bei einem Vortrag, den er auf Einladung des Katholischen Akademikerverbands in Wien hielt.

"Ehrenpatriarch" der neu gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), Filaret (Denisenko)

APA/AFP/Anatolii Stepanov

„Ehrenpatriarch“ der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), Filaret (Denisenko)

Konkret bezog sich Filaret auf das jüngst vom ukrainischen Parlament beschlossene und gegen die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK-MP) gerichtete Namensgesetz sowie das Gesetz zum Übertritt orthodoxer Pfarrgemeinden in die neu gegründete Kirche. Bisher unterstehen der UOK-MP mehr als 12.000 ukrainische Pfarren und rund 200 Klöster.

Friedlicher Prozess wichtig

Nach Angaben Filarets sind seit Gründung der neuen Kirche 400 Gemeinden zur OKU gewechselt. Die Bestrebungen würden dabei eher vom Volk als von den Priestern ausgehen. Wichtig sei, dass der Prozess „friedlich stattfindet, denn Russland wünscht eine Destabilisierung, um einschreiten zu können“, meinte Filaret.

„Putin will Größe der Sowjetunion“

Gewohnt scharfe Attacken ritt der „Ehrenpatriarch“ gegen Moskau. Russlands Staatspräsident Wladimir Putin strecke seine Hand nach der Ukraine aus und werde „nicht Halt machen vor Osteuropa, um die Größe der Sowjetunion wiederherzustellen“, so Filaret wörtlich. Mit ihrem Einfluss auf Volk und Staat seien die Kirchen wesentlich für die Expansionsbestrebungen Russlands. Es gelte „alles zu tun, um das zu verhindern“.

Mitte Dezember hatten sich zwei ukrainische Kirchen, darunter auch das von Filaret geleitete „Kiewer Patriarchat“ mit Billigung des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel und forciert vom ukrainischen Staatspräsident Petro Poroschenko zur OKU zusammengeschlossen. Die beiden Kirchen hatten sich vor Jahrzehnten vom orthodoxen Moskauer Patriarchat abgespalten.

Wiedervereinigung abgelehnt

Die Moskau unterstellte Ukrainisch-orthodoxe Kirche (UOK-MP) - sie war bisher die einzige kanonisch anerkannte orthodoxe Kirche der Ukraine - lehnte jedoch die Wiedervereinigung ab. Aus Protest gegen die Kiewer Kirchengründung beschloss die Führung der russischen Kirche den Bruch mit Konstantinopel. Sie beendete offiziell die Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Patriarchat und verbot ihren Gläubigen, an Gottesdiensten der Konstantinopler Kirche teilzunehmen.

Die Ukraine sei in zwei Parteien zerrissen, sagte OKU-„Ehrenpatriarch“ Filaret in Wien. Das russisch-orthodoxe Moskauer Patriarchat versuche, die Kirchenvertreter der UOK-MP so zu beeinflussen, dass sie deren Interessen vertreten, wohingegen die Anhänger der neu gegründeten „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ auf ihrer politischen und kirchlichen Autonomie beharrten.

„Wir haben gekämpft und wir werden auch weiterkämpfen. Ich bin überzeugt, dass wir siegen“, betonte Filaret, der im Jänner den Titel „Held der Ukraine“, die höchste Auszeichnung des Ukrainischen Staates, verliehen bekam. Von höchster Instanz sieht er sich bestätigt. „Wir glauben nicht nur an Gott selbst, sondern auch an seine Hilfe, Unterstützung und Führung“, so Filaret wörtlich.

Orthodoxe Zentralfigur in Ukraine

Der aus einem Dorf bei Donezk stammende Filaret (Denisenko) zählt seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Religionsführern der Ukraine bzw. der früheren Sowjetunion. 1962 wurde er in Leningrad/Petersburg zum Bischof geweiht und zum Bischof für die neue Eparchie für Wien und Österreich geweiht. 1967 wurde er Metropolit von Kiew. Nach dem Tod des Moskauer Patriarchen Pimen 1990 leitete Filaret einen Monat lang kommissarisch die russisch-orthodoxe Kirche. Bei der folgenden Patriarchenwahl unterlag er allerdings Aleksij II. (1990-2008).

Ein von Filaret als damaligem Metropoliten von Kiew geleitetes ukrainisches Landeskonzil sprach sich im November 1991 für die Loslösung von Russland aus. Das lehnte die Kirchenführung in Moskau aber ab und enthob Filaret seines Amtes. Darauf gründete sich 1992 in Kiew ein eigenes Patriarchat. 1995 übernahm Filaret die Führung dieser Kirche und etablierte sie im ganzen Land. Wegen der Kirchenspaltung exkommunizierte ihn ein russisch-orthodoxes Bischofskonzil und belegte ihn mit dem strengsten Kirchenbann, dem Anathema.

Im Zuge der Errichtung einer neuen Autokephalkirche hob das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel im vergangenen Jahr den Kirchenbann auf. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios stellte sich aber dagegen, dass Filaret die Leitung der neu gegründeten OKU übernimmt. Trotz seiner Ambitionen verzichtete er daher auf eine Kandidatur. Seither trägt Filaret den Titel „Ehrenpatriarch“. Zum neuen Oberhaupt der OKU wurde Metropolit Epiphanius gewählt.

religion.ORF.at/KAP

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