Kirchenhistoriker: Seligsprechung für Pius XII. aussetzen

Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf spricht sich für eine Aussetzung des laufenden Seligsprechungsverfahrens für Papst Pius XII. aus. „Historiker brauchen die Quellen“, sagte er im Interview des katholischen Kölner Internetportals domradio.de (Samstag).

Viele zentrale Fragen zur Bewertung der Amtszeit seien ohne die Öffnung der entsprechenden Akten des Vatikan nicht geklärt. Die Quellen zu Pius XII. (1939-1958) in den vatikanischen Archiven seien nach wie vor der Forschung nicht zugänglich, beklagte Wolf.

Papst Pius XII. 1955

APA/AFP/OFF

Das Seligsprechungsverfahrens für Papst Pius XII. soll laut dem Kirchenhistoriker Hubert Wolf ausgesetzt werden

Benedikt XVI. (2005-2013) habe bereits angeordnet, dass man sie sortieren und sobald als möglich zugänglich machen solle. „Es ist nichts passiert“, bemängelte Wolf: „Es ist höchste Zeit, dass Franziskus das tut.“ Vor 80 Jahren, am 2. März 1939, wurde Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli zum Papst gewählt; er nannte sich Pius XII. und wurde zum „Papst des Zweiten Weltkriegs“.

Papst empfängt Archivare

Unterdessen berichtet die italienische Zeitung „Corriere della Sera“ (Samstag), Papst Franziskus empfange am Montag die Mitarbeiter der Vatikanarchive unter der Leitung von Bischof Sergio Pagano, um den Stand der Arbeiten zu erörtern. Bei der ursprünglichen Ankündigung einer Freigabe für 2015 habe man unterschätzt, wie viele vatikanische Archive gesichtet werden müssten, sagte Pagano 2017 in einem Interview der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Derzeit arbeiteten rund ein Dutzend der insgesamt 50 bis 60 Mitarbeiter des Geheimarchivs an der Katalogisierung der Akten über Pius XII., so Pagano damals. Er könne aber nicht alle Angestellten dafür einsetzen.

Rolle des Papstes im zweiten Weltkrieg ungeklärt

Auf die Frage, ob Pius XII. „alles Menschenmögliche gegen das Unrecht seiner Zeit unternommen“ habe oder als „unterkühlter Diplomat“ geschwiegen und wichtige Gelegenheiten habe „verstreichen lassen“, sagte Kirchenhistoriker Wolf weiter, er würde dies „wirklich gerne beantworten“. Aber dazu müsse man „erst einmal die Quellen sehen“.

Wolf wörtlich: „Ehrlich: Ich weiß nicht, wann der Papst genau von was wusste. Wer hat ihn über Auschwitz informiert? Wann wusste er von der sogenannten Endlösung der Judenfrage?“

Auch bei nichtpolitischen Fragen wie der Beurteilung der theologischen Ausrichtung des Papstes oder der Entstehung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens warnte Wolf vor „irgendwelchen vorschnellen Urteilen“. Da könnten Dogmatiker oder andere womöglich leichter urteilen; „aber Historiker brauchen die Quellen“.

Alle Spekulationen und Einordnungen, für die es „relativ plausible Gründe“ gebe, seien „so lange nichts wert, wie wir nicht mit hartem Quellenmaterial sagen können, es war so oder so“.

Wegen der umstrittenen Haltung von Pius XII. angesichts des Holocausts fordern Historiker und einige jüdische Verbände seit langem eine Freigabe der Akten über sein Pontifikat.

Ursprünglich hatte der Vatikan diese für 2015 angekündigt, dann jedoch eine Verzögerung mitgeteilt. Papst Franziskus hatte wiederholt seine Bereitschaft bekundet, die Akten für die Forschung freizugeben, sobald deren Katalogisierung abgeschlossen sei.

religion.ORF.at/KAP

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