Kardinal kritisiert Verurteilung von Pell

Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat kritisiert, dass sein Kardinalskollege George Pell in Australien wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde.

„Ich weiß auch nicht mehr als das, was in den Medien berichtet wird. Es ist aber schlimm, wenn nicht die Wahrheit die Reaktion der Menschen bestimmt, sondern die Parteilichkeit der Ideologie, der einer folgt“, sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Rom.

Der deutsche Kardinal Reinhard Müller

Reuters/Stefano Rellandini

Kardinal Gerhard Ludwig Müller

„Nicht bewiesene Tat“

„Wie kann jemand für eine nicht bewiesene Tat verurteilt werden gerade auch mit Blick darauf, dass schon viele Menschen im Gefängnis waren, deren Unschuld sich später herausstellte?“, so der Kardinal. Seiner Ansicht nach sei das Urteil „ohne Grundlage, gegen die gesamte Beweislage“ erfolgt, sagte Müller der US-Zeitschrift „National Catholic Register“ und sah das Rechtssystem in diesem Fall „durch die vorherrschende öffentliche Meinung“ korrumpiert. Die Vorwürfe des Kindesmissbrauchs bezeichnete Müller als „absolut unglaublich“.

Pell, der ehemalige Finanzchef des Vatikans, war in Australien in erster Instanz wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt worden. Am Mittwoch gab ein Gericht in Melbourne das Strafmaß gegen den 77-Jährigen bekannt: sechs Jahre Haft. Pell bestreitet alle Vorwürfe und geht gegen das Urteil in Berufung. Der Vatikan wollte sich am Mittwoch nicht zu dem Strafmaß äußern.

„Niedergang des priesterlichen Ethos“

Müller hatte sich bereits während der Vorbereitungen auf die Kinderschutzkonferenz im Vatikan Ende Februar kritisch geäußert. Die wahren Ursachen für Missbrauch von Kindern seien unter anderem „im Niedergang des priesterlichen Ethos in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts“ und in der Nichtbeachtung des sechsten Gebotes („Du sollst nicht ehebrechen“) zu finden, wurde der Kardinal am 18. Februar von der dpa zitiert.

Müller sieht die katholische Kirche unter Generalverdacht gestellt. „Das mediale Interesse richtet sich derzeit fast nur auf die katholische Kirche.“ Missbrauch komme aber in allen gesellschaftlichen Gruppen vor - sowohl bei verheirateten als auch bei unverheirateten Menschen. Der Zölibat - also die Ehelosigkeit von Priestern - trage nicht zu Missbrauch bei.

religion.ORF.at/dpa

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