Fröhlich und „schicker“ zum Purimfest
„Schicker“ (vgl. „angeschickert“) ist Jiddisch für „betrunken“ zu sein, ein grundsätzlich für Jüdinnen und Juden wenig erstrebenswerter Zustand, wie der interreligiöse Kalender Feiertagsgruss.at weiß. Doch zu Purim, das heuer auf den 20. und 21. März fällt, stehen ausdrücklich Spaß und Dampfablassen im Mittelpunkt - darin erinnert es sehr an Karneval und Faschingsfest in der christlichen Kultur.
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Gebot zum Lustigsein
Im Talmud findet sich demzufolge eine Passage, die es sogar zur Mitzwa (Jiddisch: „Mitzwe“, Gebot) erhebt, zu Purim zu trinken - und das nehmen, sieht man Bilder vom Festgeschehen etwa in den ultraorthodoxen Vierteln Israels, vor allem junge Männer und Burschen recht ernst. Das Trinken kann auch recht exzessiv ausfallen. Andere legen den Schwerpunkt das ausgelassenen Treibens eher aufs Verkleiden. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Es gibt Paraden mit oder ohne Themenschwerpunkte - voriges Jahr etwa einen „Zombie Walk“ in Tel Aviv.
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Gefeiert wird am 14. des Monats Adar, der in den Februar oder März fällt. Purim bedeutet „Lose“. Das Fest erinnert Juden an die Rettung vor dem Tod im Persien vor 2.500 Jahren. Die religiösen Wurzeln des Festes werden im biblischen Buch Esther beschrieben: Zur Zeit des persischen Königs Xerxes I. (Achaschwerosch auf Hebräisch) und dessen jüdischer Frau Esther, als alle Juden im persischen Reich lebten, versuchte laut der Überlieferung der mächtige Haman das Judentum zu vernichten.
Das Los des Mordechai
Der Anlass: Esthers Cousin und Adoptivvater Mordechai weigerte sich, vor dem hohen Beamten niederzuknien. Er als Jude wollte sich allein vor Gott verneigen. In seiner gekränkten Eitelkeit beschloss Haman daraufhin, Mordechai und mit ihm „alle Juden vom Knaben bis zum Greis, Kinder und Frauen an einem einzigen Tag zu vertilgen, zu erschlagen, zu vernichten und ihre Habe als Beute zu plündern“ (Esther 3,13). Per Losentscheid wurde für den Tag der Vernichtung der 13. Adar festgelegt.
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Diesem furchtbaren Vorhaben stellte sich die mutige Esther entgegen. Sie setzte sich beim König für ihr Volk ein und bewegte ihn dazu, den Juden per Dekret das Recht auf Selbstverteidigung gegen Übergriffe zuzugestehen. Diese verteidigten sich erfolgreich und Hamans Plan scheiterte - der Genozidplan an den Juden und Jüdinnen wurde vereitelt. Letztlich verloren Haman, der hingerichtet wurde, sowie weitere Feinde der Juden ihr Leben.
Mutige Esther, geschmähter Haman
Die Schmähung dieses Haman ist ein wichtiger Bestandteil der Bräuche rund um Purim. Die Gläubigen gehen zum Teil verkleidet zur Lesung der Schriftrolle (Megillat) Esther in die Synagoge. Dort wird mit lauten Rasseln, Tröten und Ähnlichem jede Nennung Hamans übertönt. Es werden „Haman-Taschen“ kredenzt, ein dreieckiges, mit Marmelade gefülltes Gebäck, das an die „spitzen Ohren“ Hamans erinnern soll.
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Während man am Tag vor Purim fasten sollte, so wie es Esther vor ihrem lebensgefährlichen Einsatz tat, so ist es zu Purim für Gläubige Pflicht, die Freude über die Errettung auch ganz körperlich zu feiern. Man hält ein Festmahl mit Wein und Fleisch und verschickt mindestens zwei fertig zubereitete Speisen an Freunde und Verwandte, auch Bedürftige werden bedacht. Das Überbringen solcher Speisegeschenke übernehmen oft verkleidete Kinder.
Entrinnen vor dem Genozid
Begangen wird das Fest natürlich auch in Österreich. Unter anderem bietet die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) Purim-Workshops für Kinder an. In der Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg wird im Gemeindezentrum gefeiert.
Neben dem Ausleben von exzessiver Freude und dem harmlosen Spaß bedeutet Purim auch nicht mehr und nicht weniger als die Feier des Fortbestands des Judentums und das Entrinnen vor dem drohenden Genozid. Was gefeiert wird, ist letztlich auch der Zusammenhalt zwischen Juden und Jüdinnen.
gril, religion.ORF.at