Ex-Vatikan-Journalistin wirft Kirche Chauvinismus vor

Die zurückgetretene Gründerin des vatikanischen Magazins „Donne Chiesa Mondo“, Lucetta Scaraffia, hat der katholischen Kirche tiefsitzenden Chauvinismus vorgeworfen. Sie äußerte sich auch über missbrauchte und zur Abtreibung gedrängte Ordensfrauen.

Ungeachtet des von Papst Franziskus angekündigten Vorgehens bei allen Fällen des Missbrauchs gegen Ordensfrauen würden „Frauen und an erster Stelle Ordensfrauen als Mitglieder zweiter Klasse angesehen“, sagte die römische Historikerin der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ (Mittwoch-Ausgabe).

Ordensfrauen würden „nie gehört oder zu Rat gezogen“, sondern hätten zu gehorchen und zu schweigen. Scaraffia sprach von einer „Bedingung, die viel mehr mit Sklaverei als mit Dienst zu tun hat“. Auch hohe Amtsträger im Vatikan seien „überzeugt, dass Frauen nichts zählen“.

Von Medienchef nicht ernstgenommen

Ihren Verzicht auf die Leitung des Magazins nach drei Jahren begründete sie gegenüber der Zeitung „Corriere della Sera“ (Mittwoch) mit ständigem Gegenwind seit Führungswechsel in der vatikanischen Medienabteilung im Dezember. So habe der neue Chefredakteur der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ Einfluss auf die Redaktion des Frauenmagazins gesucht und schließlich eine „schleichende Delegitimierung“ versucht, indem er im „Osservatore“ ebenfalls von Frauen verfasste Beiträge zu den gleichen Themen, aber mit gegenläufigen Ausrichtung publizierte.

Der neue Medienchef des Vatikan, Paolo Ruffini, wolle die Vatikan-Kommunikation „kompakt und eindeutig“ ausrichten, so Scaraffia. Ihre Forderung, an den Sitzungen der Medienabteilung teilzunehmen, habe er mit Gelächter quittiert.

Kritik auch an Franziskus

Auch Papst Franziskus warf die Historikerin ein verengtes Frauenbild vor. Wenn der Papst die Frau als Urbild der Kirche bezeichne, reduziere er sie auf eine Metapher. „Frauen sollten nicht als Metapher von irgendwas angehört werden, sondern als Menschen, die Respekt verdienen und etwas zu sagen haben“, sagte Scaraffia der Zeitung „La Stampa“ (Mittwoch). Die Kirche sei durchweg chauvinistisch, „als ob Frauen nicht existierten“.

Zum Skandal um missbrauchte Ordensfrauen sagte Scaraffia, ihre Zeitschrift habe nicht als erste und auch nicht am umfassendsten über diese Vorfälle berichtet. „Aber es war grundlegend, dass jemand vom Inneren des Vatikan her den Mut hatte, das Schweigen zu brechen“, so Scaraffia in „La Stampa“.

Frauen zur Abtreibung gezwungen

Zum gleichen Thema sagte sie dem „Corriere“, Missbrauch von Ordensfrauen gebe es nicht nur in Lateinamerika, Afrika und Asien, sondern auch in Europa. Der Vatikan gehe den Skandal nicht an, weil er für die Kirche „noch komplizierter“ sei als der Kindesmissbrauch: „Bischöfe und Priester haben Frauen, die sie missbraucht haben, zur Abtreibung gezwungen“, sagte Scaraffia.

religion.ORF.at/KAP

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